HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 85
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 172/08, Beschluss v. 14.10.2008, HRRS 2009 Nr. 85
1. Auf die Revision des Angeklagten [B.] wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 21. November 2007 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit er in den Fällen 3 b und 7 b der Urteilsgründe wegen Nötigung verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Der Angeklagte war durch Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 14. Dezember 2005 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und wegen sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden.
Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat das vorbezeichnete Urteil, soweit es diesen Angeklagten betraf, mit den Feststellungen aufgehoben, da keine der Tatbestandsvarianten des § 177 Abs. 1 StGB durch die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegt war. Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil 1 hat das Landgericht den Angeklagten wegen Nötigung in drei Fällen unter Einbeziehung rechtskräftig verhängter Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Germersheim vom 15. Oktober 2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte die Zeugin Ba. in den Fällen 3 b und 7 b der Urteilsgründe durch ausdrückliche oder konkludente Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Vornahme der sexuellen Handlungen genötigt hat. Das Landgericht stützt die Annahme einer Nötigungshandlung auf folgende Feststellungen, die auf den "umfassenden Geständnissen" des Angeklagten und seiner Mitangeklagten beruhen:
"Den Angeklagten war jeweils bewusst, dass die Geschädigte nicht freiwillig die sexuellen Handlungen vornahm bzw. an sich vornehmen ließ. Den Angeklagten war insbesondere bei Begehung der jeweiligen Taten bewusst, dass sie die auslandsspezifische Hilflosigkeit der Nebenklägerin in den jeweiligen Fällen und die Tatsache ausnutzen, dass sich die Zeugin aus Angst vor ausländer- und strafrechtlichen Konsequenzen ihres illegalen Aufenthalts nicht gegen die sexuellen Übergriffe der Angeklagten zu wehren wagte" [UA 50].
Diese pauschal gehaltenen Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte der Zeugin die von ihr nicht gewollten Handlungen durch Drohung mit einem empfindlichen Übel aufgezwungen hat.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass das Einrücken umfangreicher Feststellungen eines aufgehobenen Urteils durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, wenn offensichtlich ist, dass diese nicht allein auf Grund des vom Angeklagten in der Hauptverhandlung abgelegten Geständnisses getroffen sein können, und weitere Beweise nicht erhoben wurden. Bei einer Aufhebung des Urteils im Ganzen ist für die Übernahme bisheriger Feststellungen kein Raum. Eine Bezugnahme auf Feststellungen, die mit dem früheren Urteil aufgehoben worden sind, wird auch nicht dadurch zulässig, dass sie mit dem Hinweis verbunden wird, die neue Hauptverhandlung habe zu denselben Feststellungen geführt (vgl. BGHSt 24, 274, 275; BGH NStZ 2000, 441; vgl. auch Kuckein in KK 6. Aufl. § 354 Rdn. 42 m. w. N.). Der Tatrichter muss insoweit vielmehr umfassend eigene Feststellungen treffen und in den Urteilsgründen mitteilen. Nur wenn die neue Hauptverhandlung die Richtigkeit der Feststellungen des aufgehobenen Urteils ergeben hat, dürfen sich die neuen Feststellungen an diese anlehnen; dann ist es sogar zulässig, in dem Umfang den Text des aufgehobenen Urteils wörtlich zu übernehmen (vgl. Hanack in Löwe/ Rosenberg 25. Aufl. § 354 Rdn. 71; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 354 Rdn. 46, beide m. w. N.).
2. Soweit der Angeklagte im Fall 26 c der Urteilsgründe wegen Nötigung (§ 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 und S. 2 Nr. 1 StGB) verurteilt worden ist, weisen weder der Schuldspruch noch der Strafausspruch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das insoweit festgestellte Tatgeschehen ist so beschaffen, dass es allein durch die geständige Einlassung des Angeklagten belegt werden konnte.
HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 85
Bearbeiter: Karsten Gaede