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HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 196

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 449/07, Beschluss v. 29.01.2008, HRRS 2008 Nr. 196


BGH 4 StR 449/07 - Beschluss vom 29. Januar 2008 (LG Stralsund)

BGHR; keine unmittelbare Verwertung einer Aufzeichnung über die frühere Vernehmung bei Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts und Verzicht auf ein Verwertungsverbot durch den Zeugen (Gestattung der Verwertung einer früheren Aussage; Unmittelbarkeitsgrundsatz; BGHSt 45, 203; Konfrontationsrecht; Vorhalt; Beruhen; mittelbare Verwertung über den Sachverständigenbeweis).

Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK; § 52 StPO; § 250 StPO; § 252 StPO; § 255a Abs. 1 StPO; § 337 StPO

Leitsätze

1. Die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts verbunden mit der Erklärung, die Verwertung der bei einer früheren Vernehmung gemachten Aussage zu gestatten (BGHSt 45, 203), schränkt den Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht ein und erlaubt deshalb grundsätzlich nicht die unmittelbare Verwertung einer Aufzeichnung über die frühere Vernehmung. (BGHR)

2. Die Vorführung von Video- und Tonbandaufzeichnungen als Strengbeweismittel ist nur insoweit zulässig, wie dies bei der Verlesung eines Vernehmungsprotokolls der Fall wäre. Auch eine mittelbare Verwertung über den Sachverständigenbeweis ist unzulässig. (Bearbeiter)

3. Ein Gericht darf Video- und Tonbandaufzeichnungen früherer Vernehmungen zum Zwecke des Vorhalts an die Verhörspersonen abspielen (vgl. BGHSt 1, 4, 8; 11, 338; 14, 310 f). (Bearbeiter)

4. § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO greift bei der Ausübung von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten nicht (vgl. BGH NJW 2007, 2195 für schriftliche Erklärungen eines Zeugen, der die Aussage nach § 55 StPO vollständig verweigert hatte). (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 2., 3. und 4. der Gründe des Urteils des Landgerichts Stralsund vom 12. April 2007 verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das genannte Urteil

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen und des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in einem weiteren Fall schuldig ist,

b) im Gesamtstrafenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht Stralsund hatte den Angeklagten am 10. März 2006 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in vier weiteren Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat mit Beschluss vom 26. September 2006 (4 StR 353/06) das Urteil aufgrund einer Verfahrensrüge aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Das Landgericht hat den Angeklagten nunmehr wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in drei Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in drei weiteren Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Nötigung, verurteilt und abermals eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verhängt. Der Verurteilung liegen Taten zu Grunde, die der Angeklagte nach den Feststellungen im Zeitraum von Dezember 2004 bis zum 4. Februar 2005 zum Nachteil der Nebenklägerin, seiner am 22. Juli 1989 geborenen Stieftochter Jacqueline B., begangen hat. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu einer Teileinstellung des Verfahrens und hat im Übrigen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; darüber hinausgehend ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Zu Recht macht der Angeklagte eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes des § 250 StPO geltend. Der Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zugrunde:

Die Nebenklägerin verweigerte in der Hauptverhandlung das Zeugnis gemäß § 52 StPO. Zugleich ließ sie zunächst durch ihre Rechtsanwältin erklären, dass ihre Angaben, die sie im Ermittlungsverfahren vor der Kriminalbeamtin T., vor der Ermittlungsrichterin R. und vor dem Sachverständigen D. zum Tatgeschehen gemacht hatte, verwertet werden dürften. Nach Belehrung über die Folgen der Zeugnisverweigerung gemäß § 252 StPO und über die Folgen einer "Freigabe" nach den Grundsätzen der Senatsentscheidung BGHSt 45, 203 erklärte sie, sie sei damit einverstanden, dass ihre Angaben gegenüber den Vernehmungspersonen eingeführt und verwertet würden.

Das Landgericht vernahm daraufhin die Kriminalbeamtin T. als Zeugin zu den Angaben der Nebenklägerin bei ihren fünf im Ermittlungsverfahren durchgeführten polizeilichen Vernehmungen. Im Rahmen der Vernehmung wurde die Videoaufzeichnung von der dritten polizeilichen Vernehmung der Nebenklägerin "im Wege des Vorhalts an die Zeugin durch Abspielen in Augenschein genommen". Das Abspielen wurde immer wieder unterbrochen und die Zeugin T. mit weiteren Angaben zu der aufgezeichneten Vernehmung gehört. Nach zwanzig Minuten beantragte der Verteidiger, das Abspielen der Videoaufzeichnung wegen deren Länge abzubrechen. Der Antrag wurde durch Kammerbeschluss unter Berufung auf § 255 a Abs. 1 StPO zurückgewiesen: Die Sachaufklärung gebiete den Vorhalt, "um die Entstehung der Aussage und deren Verlauf beurteilen zu können bzw. dessen vollständigen Inhalt zu erfassen". Die Videoaufzeichnung wurde im weiteren Verlauf in voller Länge abgespielt, auch insoweit immer wieder unterbrochen durch Aussagen der Zeugin T.

Das Landgericht vernahm sodann die Ermittlungsrichterin R. als Zeugin zum Inhalt der Angaben der Nebenklägerin bei der ermittlungsrichterlichen Vernehmung vom 20. September 2005. Auch in diesem Zusammenhang wurde die Videoaufzeichnung dieser Vernehmung "zum Zwecke des Vorhalts durch Abspielen in Augenschein genommen", und zwar in voller Länge und immer wieder unterbrochen durch Aussagen der Zeugin R. Den Antrag des Verteidigers, auch die Vorführung dieser Videoaufzeichnung zu beenden, wies die Kammer zurück: "Nur die Erfassung der Gesamtheit der Tatsachen", so die Jugendschutzkammer, "wird es den Beteiligten ermöglichen, sich einen erschöpfenden Eindruck von der richterlichen Aussage der J. B. zu verschaffen."

Schließlich vernahm das Landgericht den Sachverständigen D. dazu, was die Nebenklägerin ihm gegenüber im Explorationsgespräch vom 6. September 2005 über die Taten berichtet hatte. Seine über dieses Gespräch gefertigte Tonbandaufzeichnung wurde abgespielt. Der Verteidiger beantragte, die Wiedergabe abzubrechen, da der Vorhalt zu lang sei. Die Kammer wies auch diesen Antrag zurück. Die Aufklärungspflicht gebiete die Einführung des Mitschnitts in gesamter Länge; der Mitschnitt sei eine "wertvoll-weitere Grundlage" für die kritische Prüfung des Gutachtens; die Kammer sei gehalten, "zum Tatgeschehen verfügbare Erkenntnismöglichkeiten, die sie in den Stand setzen, die Glaubwürdigkeit der Zeugin zu überprüfen, auszuschöpfen".

Das Abspielen wurde sodann bis zum Ende fortgesetzt. Anschließend sagte der Sachverständige weiter als Zeuge aus und erstattete sein Gutachten. Der Verteidiger widersprach der Verwertung der Erkenntnisse aus der Inaugenscheinnahme der polizeilichen Videovernehmung sowie der richterlichen Videovernehmung durch den Sachverständigen und beantragte, den Sachverständigen anzuweisen, diese Erkenntnisse in seinem Gutachten nicht zu verwerten. Zur Begründung machte er geltend, dass die Videoaufzeichnungen lediglich als Vorhalt eingeführt worden seien; verwertbar sei jedoch nur, was die Zeugen T. und R. auf die Vorhalte erklärt hätten, nicht hingegen der Vorhalt selbst. Durch Beschluss der Kammer wurde auch dieser Antrag zurückgewiesen. Der Sachverständige habe "sämtliche verfügbaren Erkenntnisse in seine Begutachtung mit einzubeziehen".

2. Die Verfahrensweise des Landgerichts war rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat damit gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 StPO verstoßen.

a) Allerdings durfte das Landgericht die Video- und Tonbandaufzeichnungen zum Zwecke des Vorhalts an die Verhörspersonen abspielen (vgl. BGHSt 1, 4, 8; 11, 338; 14, 310 f). Dagegen war es der Jugendschutzkammer auf Grund von § 250 Satz 2 StPO verwehrt, die Vernehmung der Nebenklägerin durch die Vorführung der Aufzeichnungen "zu ersetzen". Denn der Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 StPO wird durch die ausdrückliche Regelung der Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung in der durch das Zeugenschutzgesetz vom 30. April 1998 (BGBl I 820) eingeführten Vorschrift des § 255 a StPO nicht eingeschränkt.

Deshalb ist - wie der Verweis auf §§ 251 bis 253 StPO in § 255 a Abs. 1 StPO ergibt - die Vorführung auch nur insoweit zulässig, wie dies bei der Verlesung eines Vernehmungsprotokolls der Fall wäre. Daran änderte hier insbesondere auch die "Freigabeerklärung" der Nebenklägerin nichts. Sie überwand nur das Verwertungsverbot, das sich im Falle der Zeugnisverweigerung nach ständiger Rechtsprechung aus § 252 StPO ergibt (BGHSt 45, 203). Eine weitergehende Gestaltungsmacht verschaffte sie der Nebenklägerin nicht. Insbesondere vermochte sie nicht die gesetzlichen Regelungen über die Einführung der früheren Angaben der Nebenklägerin in die Hauptverhandlung außer Kraft zu setzen.

b) Diese Beschränkung der Verwertung hat das Landgericht nicht beachtet. Denn das Abspielen erfolgte hier nicht lediglich als bloßer Vernehmungsbehelf im Wege eines zulässigen Vorhalts.

Zwar wurden die Videoaufzeichnungen ausweislich des Protokolls "zum Zwecke des Vorhalts" abgespielt. Das Abspielen erfolgte auch nicht etwa in einem Stück, vielmehr wurde es immer wieder unterbrochen, um die Zeugen T. und R. jeweils zum Inhalt der Aufzeichnungen zu befragen. Auch der Verteidiger ging hiervon aus, als er beantragte, dass der Sachverständige sein Gutachten unter Ausblendung der Videoaufzeichnungen neu zu erstatten habe, da der Inhalt der Vorhalte als solcher nicht verwertet werden dürfe. Die Beschlüsse der Kammer, mit denen die Unterbrechungsanträge des Verteidigers abgelehnt wurden, machen jedoch deutlich, dass es dem Landgericht darum ging, auf die Videoaufzeichnungen nicht nur als Vernehmungsbehelf zurückzugreifen, sondern unmittelbar Zugriff zu nehmen.

Das Abspielen der Videoaufzeichnungen erfolgte, "um die Entstehung der Aussage und deren Verlauf beurteilen zu können bzw. dessen vollständigen Inhalt zu erfassen". Dementsprechend wurden nicht nur einzelne Passagen abgespielt. Vielmehr wurden die Videoaufzeichnungen in voller Länge in Augenschein genommen.

Gleiches gilt im Ergebnis für den Tonbandmitschnitt über das Explorationsgespräch des Sachverständigen. Das Protokoll schweigt sich zum Zweck der Wiedergabe des Tonbandmitschnitts aus. Von einem Vorhalt ist nicht die Rede. Das Abspielen erfolgte - anders als die Vorführung der Videoaufzeichnungen bei den Zeugen T. und R. - auch nicht etwa abschnittsweise und unterbrochen durch Aussagen des Zeugen D.

Auch der Beschluss der Kammer, mit dem der Antrag des Verteidigers auf Beenden des Abspielens abgelehnt wurde, beruft sich nicht auf einen Vorhalt; vielmehr sollte danach der Mitschnitt zum Zwecke der besseren Aufklärung in gesamter Länge eingeführt werden; die Vorführung als solche diente dem Landgericht ausdrücklich als weitere Grundlage für die kritische Prüfung des Gutachtens und als zum Tatgeschehen verfügbare Erkenntnismöglichkeit, die es ermöglichen sollte, die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin zu überprüfen.

c) Das Abspielen der Videoaufzeichnungen "ersetzte" die Vernehmung der Nebenklägerin i.S. d. § 250 StPO zumindest teilweise. Die Voraussetzungen, unter denen das Abspielen der Videoaufzeichnungen zum Zwecke des Augenscheinsbeweises ausnahmsweise erlaubt wäre, lagen nicht vor. § 251 Abs. 1 Nr 2 StPO greift bei der Ausübung von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten nicht (vgl. BGH NJW 2007, 2195 für schriftliche Erklärungen eines Zeugen, der die Aussage nach § 55 StPO vollständig verweigert hatte). Das Abspielen der Videoaufzeichnungen konnte auch nicht auf § 255 a Abs. 1 StPO i.V.m. § 253 StPO gestützt werden. Diese Vorschrift regelt den Fall, dass ein Zeuge in der Hauptverhandlung vernommen wird und ergänzend hierzu eine Videoaufzeichnung über "seine" frühere Vernehmung abgespielt wird. Hier jedoch wurden lediglich die Verhörspersonen als Zeugen zur Sache vernommen, nicht hingegen die Auskunftsperson (die Nebenklägerin) selbst. Schließlich waren auch nicht die Voraussetzungen des § 255 a Abs. 2 StPO gegeben.

Den gleichen Beschränkungen unterlag auch die Vorführung der Tonbandaufzeichnung über das Explorationsgespräch des Sachverständigen D., das dieser im Auftrag der Ermittlungsbehörden mit der Nebenklägerin geführt hatte. Für die Verwertung dieses Tonbandmitschnitts galt der Unmittelbarkeitsgrundsatz entsprechend. Zwar handelte es sich nicht um die Aufzeichnung einer "Zeugenvernehmung" eines Strafverfolgungsorgans.

Jedoch diente die Exploration der Nebenklägerin von vornherein Beweiszwecken, denn die Staatsanwaltschaft hatte den Sachverständigen beauftragt, die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin gutachterlich zu prüfen. Die Nebenklägerin wusste um den Zweck des Explorationsgesprächs. Durch ihre Angaben trug sie bewusst zur Sachverhaltsaufklärung bei. Unter diesen Umständen stand die Befragung der Nebenklägerin durch den Sachverständigen im Zusammenhang mit ihrer Exploration - anders als die "Vernehmung" eines Zeugen durch den Verteidiger wie in der der Senatsentscheidung BGHSt 46, 1 zu Grunde liegenden Fallgestaltung - einer amtlichen Vernehmung gleich (vgl. BGHSt 40, 211, 213; 45, 203, 205 f). Was der Sachverständige zu den Angaben der Nebenklägerin zum Tatgeschehen festgehalten hatte, unterlag deshalb hinsichtlich der Einführung in die Hauptverhandlung und der Verwertung auch den gleichen Beschränkungen wie eine Zeugenvernehmung. Es kann keinen Unterschied machen, ob der Sachverständige diese Angaben schriftlich protokolliert, auf Video aufgezeichnet oder - wie hier - lediglich einen Tonbandmitschnitt gefertigt hat.

3. Auf der unzulässigen Vorführung der Video- und Tonbandaufzeichungen beruht das Urteil in den Fällen II. 1., 5. und 6. der Urteilsgründe allerdings nicht.

Der Senat kann angesichts der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil ausschließen, dass das Landgericht zu diesen Fällen ohne die Vorführung der Video- und Tonbandaufzeichungen zu einem abweichenden Ergebnis gelangt wäre. Die Inaugenscheinnahme der Aufzeichnungen hatte für die Beweiswürdigung in diesen Fällen eine allenfalls untergeordnete Bedeutung. Die Feststellungen zu diesen Taten beruhen entscheidend unmittelbar auf der Aussage der Zeugin T. in der Hauptverhandlung. Wie die Urteilsgründe belegen, wusste die Zeugin umfassend noch aus eigener Erinnerung über die mehrfache Vernehmung der Nebenklägerin zu berichten.

Die Wiedergabe der Schilderungen der Nebenklägerin in der Aussage der Kriminalbeamtin enthielt bereits alle wesentlichen und charakteristischen Einzelheiten dieser drei Taten, wie sie das Landgericht festgestellt hat. Zudem fand die Aussage der Zeugin T. zu den Angaben der Nebenklägerin zu diesen drei Taten auch eine Bestätigung in den auf die eigene Erinnerung gestützten Aussagen der Zeugen R. und D. Auf die Videoaufzeichnung einer von insgesamt fünf polizeilichen Vernehmungen hat das Landgericht insoweit nach den Urteilsgründen nicht abgestellt.

Dem fehlenden Beruhen der Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 1, 5 und 6 der Urteilsgründe auf dem aufgezeigten Verfahrensverstoß steht auch nicht entgegen, dass das Urteil im Rahmen der Darstellung des Sachverständigengutachtens zur Glaubhaftigkeit auch auf die Tonbandaufzeichnung über das Explorationsgespräch zurückgreift. Denn das Landgericht hatte sich rechtsfehlerfrei bereits aus eigener Sachkunde auf Grund sowohl einer eingehenden Aussageanalyse als auch weiterer objektiver Indizien außerhalb der Aussage der Nebenklägerin ein positives Urteil über deren Glaubhaftigkeit gebildet und die Überzeugung gewonnen, dass der Angeklagte die Taten begangen hat, von denen die Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren berichtet hat. Angesichts dessen bestätigte das aussagepsychologische Gutachten des Sachverständigen D. mit dem Ergebnis, dass die Nebenklägerin "mit großer Wahrscheinlichkeit" nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Aussage ohne Erlebnishintergrund hervorzubringen, lediglich die rechtsfehlerfreie eigene Beurteilung durch das Landgericht.

4. In den Fällen II. 2., 3. und 4. der Urteilsgründe war demgegenüber nicht auszuschließen, dass sich der Verfahrensfehler auf das Urteil ausgewirkt hat. Zu diesen Taten finden sich in der im Urteil wiedergegebenen Aussage der Kriminalbeamtin T. keinerlei Angaben der Nebenklägerin (Fälle II. 3. und 4.) bzw. keine ausreichenden Details (Fall II. 2.). Insoweit legen aber die umfangreichen wörtlichen Zitate aus der ermittlungsrichterlichen Vernehmung und dem Explorationsgespräch im Urteil nahe, dass das Landgericht in diesen Fällen zu seiner Überzeugungsbildung nicht nur auf die Aussagen der Zeugen R. und D. zurückgegriffen, sondern maßgeblich auch unmittelbar die in der Hauptverhandlung vorgeführten Aufzeichnungen herangezogen hat.

Aus den Gründen des § 154 Abs. 1 StPO erscheint eine erneute Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zu einer nochmaligen Verhandlung der Fälle II. 2., 3. und 4. untunlich, zumal nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Nebenklägerin nunmehr in einer neuerlichen Hauptverhandlung zu einer Aussage entschließen würde. Der Senat hat deshalb das Verfahren insoweit auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.

5. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils unter Berücksichtigung der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere enthält die Beweiswürdigung nicht den von der Revision zu Fall II. 6. der Urteilsgründe geltend gemachten Widerspruch. Dass die Nebenklägerin zur genauen Reihenfolge des Eintreffens der Gäste am 4. Februar 2005 konkrete Angaben gemacht hätte, die im Widerspruch zu den Urteilsfeststellungen stünden, ergibt sich aus dem Urteil nicht und ist auch sonst nicht erkennbar.

6. Die Teileinstellung in den Fällen II. 2. bis 4. der Urteilsgründe führt zur Änderung des Schuldspruchs und zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich, über den der Tatrichter neu zu entscheiden haben wird.

HRRS-Nummer: HRRS 2008 Nr. 196

Externe Fundstellen: BGHSt 52, 148; NJW 2008, 1010; NStZ 2008, 293; StV 2008, 170

Bearbeiter: Karsten Gaede