HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 776
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 215/06, Beschluss v. 08.08.2006, HRRS 2006 Nr. 776
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 6. Februar 2006
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Bedrohung entfällt,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes, versuchter Nötigung und Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts manipulierte der einschlägig vorbestrafte Angeklagte am 18. oder 19. Oktober 2004 unter Einsatz von Todesdrohungen und Gewalt am Geschlechtsteil der damals 12jährigen Tochter seiner Partnerin. Danach drohte er dem Tatopfer, er werde sämtliche Personen umbringen, an denen dem Kind etwas liege, wenn es "etwas erzählen" würde.
2. Der Senat ändert den Schuldspruch dahin ab, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Bedrohung entfällt, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Bedrohung (§ 241 StGB) hinter der damit zugleich begangenen versuchten Nötigung zurücktritt (vgl. nur BGHR StGB § 240 Abs. 3, Konkurrenzen 2; BGH, Beschluss vom 8. November 2005 - 1 StR 455/05; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 240 Rdn. 63 m.w.N.).
3. Der Rechtsfolgenausspruch muss insgesamt aufgehoben werden.
a) Die auf § 66 Abs. 2 StGB gestützte Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung kann nicht bestehen bleiben, weil im Urteil nicht zureichend dargelegt ist, dass die formellen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Nach § 66 Abs. 2 StGB kann neben der Strafe die Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn jemand drei vorsätzliche Straftaten begangen hat, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wird und die (materiellen) Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorliegen.
Nach Auffassung des Landgerichts liegen die formellen Voraussetzungen der Vorschrift vor, weil der Angeklagte durch Urteil vom 6. September 2004 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in fünf Fällen - unter Einbeziehung von zehn Monaten Freifreiheitsstrafe - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt wurde und er nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt worden ist (UA 36). Das Landgericht teilt schon nicht - wie erforderlich (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 66 Rdn. 9, 29) - die im Urteil vom 6. September 2004 insoweit verhängten Einzelstrafen mit. Im Übrigen setzt sich das angefochtene Urteil auch nicht damit auseinander, ob die Verjährungsregelung in § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB der Heranziehung der im Urteil vom 6. September 2004 abgeurteilten Taten entgegensteht (vgl. hierzu BGH NStZ 2002, 313; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 66 Rdn. 11). Dies liegt deshalb nahe, weil die fünf Missbrauchstaten dort - soweit ersichtlich (UA 10 f.) - im Jahre 1997 begangen wurden und das hier abgeurteilte Tatgeschehen etwa sieben Jahre später stattfand. Ob Verjährung wegen § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB (Haftzeiten o.Ä.) nicht eingreift, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen.
b) Die Aufhebung der Maßregel führt zur Aufhebung auch der festgesetzten Strafe, weil ein Bezug zwischen der auf mehr als drei Jahre Freiheitsstrafe festgesetzten Strafe und der angeordneten Sicherungsverwahrung nicht auszuschließen ist, so dass dahinstehen kann, ob die Strafe auch deshalb aufgehoben werden müsste, weil das Landgericht die - nunmehr entfallene - Verurteilung wegen Bedrohung ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt hat (UA 35).
HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 776
Bearbeiter: Karsten Gaede