HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 130
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 81/04, Beschluss v. 04.11.2004, HRRS 2005 Nr. 130
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 17. Oktober 2003 mit den zugehörigen Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen, aufgehoben
a) im Fall II. 2 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe,
c) soweit die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 1) und wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 2 der Urteilsgründe hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Der rechtsfehlerfrei festgestellte Sachverhalt trägt die Verurteilung wegen vollendeten Raubes deswegen nicht, weil das Urteil keine Feststellungen zum Inhalt der dem Tatopfer unter Gewaltanwendung weggenommenen Geldbörse enthält. Sollte es dem Angeklagten - was naheliegt - nicht auf die Geldbörse selbst, sondern ausschließlich auf das in ihr vermutete Geld angekommen sein, so hätte nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur eine Verurteilung wegen versuchten Raubes erfolgen dürfen, wenn die Börse leer gewesen wäre (vgl. BGHR StGB § 249 Abs. 1 Zueignungsabsicht 1, 4; BGH StV 1990, 408; NJW 1999, 69, 70). Hierzu wird der neu entscheidende Tatrichter ergänzende Feststellungen zu treffen haben.
Der Rechtsfehler bedingt die Aufhebung auch der tateinheitlichen Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 353 Rdn. 10 m.w.N.). Der Senat weist den neu entscheidenden Tatrichter darauf hin, daß die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe, indem er den Kopf seines Opfers mehrfach auf den Boden geschlagen und ihm dadurch Prellungen zugefügt hat, ein gefährliches Werkzeug eingesetzt und daher den Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verwirklicht, rechtsfehlerhaft ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß Werkzeuge im Sinne dieser Vorschrift nur solche Gegenstände sind, die durch menschliche Einwirkung in Bewegung gesetzt werden können, nicht dagegen unbewegliche Gegenstände wie etwa ein Fußboden oder eine Wand (BGHSt 22, 235; BGH NStZ 1988, 361, 362; vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 224 Rdn. 8). Eine Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes kommt allerdings durch die Tritte in das Gesicht des Opfers in Betracht (vgl. BGHSt 30, 375 f.; BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 Werkzeug 1 m.w.N.).
Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 2 der Urteilsgründe entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage, so daß dieser ebenfalls aufzuheben ist. Die vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen werden von den Rechtsfehlern nicht berührt; sie können daher bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die dazu nicht im Widerspruch stehen, sind zulässig.
2. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hat ebenfalls keinen Bestand. Zu den Unterbringungsvoraussetzungen des § 63 StGB gehört die sichere Feststellung, daß die Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangen wurde, der auf einem länger andauernden, nicht nur vorübergehenden geistigen Defekt beruht.
Das sachverständig beratene Landgericht stützt seine Annahme einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten auf das Vorliegen einer krankhaften bipolaren affektiven Störung; zur Tatzeit habe eine hypomanische Episode ohne psychotische Symptome vorgelegen. Charakteristisch für diese Störung seien gehobene Stimmung, vermehrter Antrieb, vermindertes Schlafbedürfnis, leichte Ablenkbarkeit, überhöhte Selbsteinschätzung und Affektlabilität sowie Störung der Konzentration. Zu den Tatzeitpunkten habe sich der Angeklagte jeweils in einer hypomanischen Phase befunden, die durch eine "gehobene gelockerte Stimmung, Selbstüberschätzung, Affektlabilität und leichte Reizbarkeit" gekennzeichnet sei, wobei ihn die Alkoholisierung weiter enthemmt habe. Diese Ausführungen der Strafkammer zur Persönlichkeitsstörung des Angeklagten sind so allgemein gehalten, daß sich nicht zuverlässig beurteilen läßt, ob die festgestellte Störung dessen Steuerungsfähigkeit dauerhaft erheblich vermindert. Die beschriebenen Persönlichkeitsmerkmale umfassen Eigenschaften und Verhaltensweisen, die sich auch innerhalb der Bandbreite menschlichen Verhaltens bewegen und übliche Ursache für ein strafbares Tun sein können, ohne daß sie die Schuldfähigkeit erheblich berühren müssen. Zudem spricht die Tatsache, daß der zur Tatzeit 47 Jahre alte Angeklagte bisher nicht einschlägig in Erscheinung getreten ist, obwohl bei ihm nach den Ausführungen des Sachverständigen seit 1977 "multiple psychiatrische Auffälligkeiten" festzustellen sind, gegen eine dauerhafte erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit; auch dies hat das Landgericht bei seiner Gesamtwürdigung rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt.
Über den Maßregelausspruch ist deshalb neu zu befinden. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf.
3. Die beantragte Aufhebung des Haftbefehls durch den Senat kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 126 Abs. 3 StPO nicht gegeben sind.
HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 130
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2005, 75
Bearbeiter: Karsten Gaede