HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 53
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 381/04, Beschluss v. 30.09.2004, HRRS 2005 Nr. 53
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 9. Juni 2004 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Untreue in 77 Fällen verurteilt worden ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 77 Fällen und wegen Verletzung der Buchführungspflicht durch unterlassene Bilanzerstellung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sich der Angeklagte gegen die Verurteilung wegen Verletzung der Buchführungspflicht durch unterlassene Bilanzerstellung wendet; im übrigen hat das Rechtsmittel Erfolg.
Die Verurteilung wegen Untreue in 77 Fällen zum Nachteil der S. -GmbH hat keinen Bestand, weil insoweit möglicherweise ein Strafverfolgungshindernis besteht.
a) Der Angeklagte war Geschäftsführer und Gesellschafter der S. - GmbH, über deren Vermögen am 16. Mai 2002 durch Beschluß des Amtsgerichts Zweibrücken wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. In der Zeit vom 2. Januar 2001 bis zum 11. Februar 2002, in der der geständige Angeklagte nach den Feststellungen insgesamt rund 1,1 Millionen DM aus dem Vermögen der S. -GmbH entnahm, waren der Angeklagte, seine Ehefrau und seine Tochter Ö. Gesellschafter der GmbH. Von den 77 Bargeldabhebungen des Angeklagten von Firmenkonten der GmbH hatten seine Ehefrau und seine Tochter Ö. keine Kenntnis und wären damit - nach den Bekundungen der Ehefrau des Angeklagten - auch nicht einverstanden gewesen, weil der Angeklagte mit den entnommenen Geldbeträgen Ausflüge in die Spielbank finanzierte.
b) Da die Mitgesellschafterinnen des Angeklagten - soweit ersichtlich - keinen Strafantrag gestellt haben, besteht hinsichtlich der 77 Untreuehandlungen möglicherweise ein Strafverfolgungshindernis. Auch die Gesellschafter einer GmbH sind als Verletzte im Sinne des § 266 Abs. 2 i.V.m. § 247 StGB anzusehen (vgl. BGH NJW 2003, 2924, 2926; BGH, Beschluß vom 6. Juli 1999 - 4 StR 57/99; a.A. Schünemann in LK 11. Aufl. § 266 Rdn. 122 unter Hinweis auf ein den früheren Untreuetatbestand des § 81 a GmbHG betreffendes Urteil des Senats vom 24. März 1955 - 4 StR 529/54). Das Fehlen des danach grundsätzlich erforderlichen Strafantrages der Mitgesellschafterinnen des Angeklagten würde nur dann kein Strafverfolgungshindernis begründen, wenn die Gewinnentnahmen zu einem im Rahmen des § 266 StGB bedeutsamen Vermögensnachteil der GmbH selbst geführt hätten, denn zu der geschädigten GmbH besteht keine privilegierende Beziehung im Sinne des § 247 StGB (vgl. BGH NJW 2003, 2924, 2926). Ein solcher Vermögensnachteil der GmbH selbst liegt vor, wenn durch die Entnahmen eine konkrete Existenzgefährdung für die Gesellschaft entsteht (vgl. BGHSt 35, 333, 336 f.; BGH NJW 2003, 2924, 2926, jew. m.w.N.), was insbesondere bei einem Angriff auf das durch § 30 GmbHG geschützte Stammkapital der Fall ist (vgl. BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 37; BGH NJW 2000, 154, 155).
Die Annahme des Landgerichts, durch die Entnahmen des Angeklagten sei das Stammkapital der S. -GmbH angegriffen und die Existenz der Gesellschaft gefährdet worden, ist durch die bisherigen Feststellungen jedoch nicht belegt. Sie versteht sich, soweit es die Entnahmehandlungen im Jahre 2001 betrifft, schon deshalb nicht von selbst, weil die S. -GmbH in diesem Geschäftsjahr nach den Feststellungen bei einem Umsatz von 5,3 Millionen DM einen Gewinn von 601.467,99 DM erzielte. Da über das Vermögen der S. - GmbH im Mai 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, liegt es allerdings nahe, daß jedenfalls die letzten Entnahmehandlungen zu einer konkreten Existenzgefährdung der Gesellschaft geführt haben. Den bisherigen Feststellungen läßt sich jedoch nicht entnehmen, durch welche dieser Entnahmehandlungen die Existenz der Gesellschaft erstmals konkret gefährdet wurde (zu den insoweit an die Feststellungen zu stellenden Anforderungen vgl. BGHSt 35, 333, 338).
Soweit der Angeklagte wegen Untreue verurteilt worden ist, bedarf die Sache daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
2. Die Aufhebung der Verurteilung wegen Untreue in 77 Fällen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich.
HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 53
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2005, 86; StV 2005, 211
Bearbeiter: Karsten Gaede