HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 530
Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 85/03, Beschluss v. 31.05.2005, HRRS 2005 Nr. 530
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 10. Oktober 2002 im Maßregelausspruch aufgehoben; der Ausspruch entfällt.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in 75 Fällen, versuchten Betrugs und gewerbsmäßiger Hehlerei unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur zum Maßregelausspruch Erfolg.
1. Der Senat hat mit Urteil vom 6. Juli 2004 (NJW 2004, 2686, zum Abdruck in BGHSt 49, 209 vorgesehen) die Revision des Angeklagten, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet, verworfen und die Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten gegen die in dem angefochtenen Urteil angeordnete Maßregel sowie über die Kosten der Revision einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Mit Beschluß vom 26. August 2004 (NJW 2004, 3497) hat er dem Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann aus der Tat ergibt, wenn ein spezifischer Zusammenhang zwischen Anlaßtat und Verkehrssicherheit besteht. Der Große Senat für Strafsachen hat mit Beschluß vom 27. April 2005 - GSSt 2/04 - in diesem Sinne entschieden. Danach setzt die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs voraus, daß die Anlaßtat tragfähige Rückschlüsse darauf zuläßt, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen.
2. Nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs käme beim Angeklagten die Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht, wenn sich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung aller dafür aus den Anlaßtaten erkennbar gewordenen Anknüpfungstatsachen die Überzeugung verschaffen könnte, daß der Angeklagte bereit ist, sich zur Erreichung seiner kriminellen Ziele über die im Straßenverkehr gebotene Sorgfalt und Rücksichtnahme hinwegzusetzen. Für diese Prognose könnte es genügen, daß der Angeklagte im Zusammenhang mit den Anlaßtaten naheliegend mit einer Situation gerechnet hat oder rechnen mußte, in der es zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs kommen konnte, wobei auch sein in der einbezogenen Vorverurteilung gezeigtes Verhalten (riskante Fluchtfahrt aus Angst vor Entdeckung) zu berücksichtigen wäre. Insofern bedürfte es weiterer Aufklärung (vgl. BGH NStZ 2004, 86, 88 f. [Anfragebeschluß des Senats]).
Nachdem nunmehr seit Begehung der abgeurteilten Taten fast vier Jahre vergangen sind, ist es allerdings wenig wahrscheinlich, daß ergänzende, die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigende Tatsachen noch getroffen werden können. Jedenfalls erscheint es dem Senat ausgeschlossen, daß nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache ein ursprünglicher Eignungsmangel noch im Zeitpunkt der neuen tatrichterlichen Entscheidung fortbesteht (vgl. hierzu BGHR StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 2, 4; Athing in MünchKomm StGB § 69 Rdn. 61 m.w.N.). Er hebt daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Maßregelausspruch auf und läßt die Maßregel entfallen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, 5 entspr. StPO.
HRRS-Nummer: HRRS 2005 Nr. 530
Bearbeiter: Karsten Gaede