Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 279/01, Urteil v. 15.11.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 1. September 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Stralsund zurückverwiesen.
Das Landgericht Schwerin hatte den Angeklagten mit Urteil vom 30. Januar 1998 aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf freigesprochen, gemeinschaftlich mit den früheren Mitangeklagten N. und D. aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen versucht zu haben, seine von ihm geschiedene Ehefrau Gabriela Sch. zu töten. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob der Senat diese Entscheidung mit Urteil vom 24. September 1998 - 4 StR 432/98 - samt den Feststellungen auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Rostock zurück. Dieses hat den Angeklagten erneut freigesprochen; ferner hat es bestimmt, daß der Angeklagte für die erlittene Polizei-, Untersuchungs- und Auslieferungshaft zu entschädigen sei. Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen dieses Urteil haben mit den Sachrügen Erfolg; eines Eingehens auf die Verfahrensbeschwerden bedarf es daher nicht.
1. Nach den Feststellungen kam es im Anschluß an die am 4. März 1993 erfolgte Scheidung des Angeklagten von Frau Sch. zu "erbitterten Auseinandersetzungen" zwischen den ehemaligen Ehepartnern, die mehrere Gerichtsverfahren zur Folge hatten, in denen es um das Umgangsrecht des Angeklagten mit dem gemeinsamen, im Januar 1989 geborenen Sohn Sebastian und um Vermögensansprüche von Frau Sch. aus der Ehe ging. Gegen eine aus Angst vor dem zur Gewalttätigkeit neigenden Angeklagten am 1. August 1992 von Frau Sch. unterschriebene "Scheidungsvereinbarung", in der sie auf den Zugewinnanspruch verzichtete, konnte sie mit Erfolg vorgehen; das Oberlandesgericht Rostock sprach ihr im März 1995 Ausgleichs- und Erstattungsansprüche gegen den Angeklagten dem Grunde nach zu. Ihre Forderung bezifferte sie auf fast 400.000 DM. Da sie durch einstweilige Verfügungen zu Lasten des Angeklagten Widersprüche gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eintragen ließ, war es dem Angeklagten nicht möglich, ein von ihm für ein berufliches Vorhaben benötigtes Darlehen durch Grundpfandrechte abzusichern. In einem Verfahren betreffend das Umgangsrecht mit dem Sohn Sebastian scheiterte der Angeklagte im Oktober 1995 mit seinem Antrag, daß Frau Sch. ihm den Umgang zu gestatten habe.
"Möglicherweise" in dieser Zeit berichtete der Angeklagte seinem langjährigen Bekannten K, der, wie der Angeklagte wußte, Verbindungen in das "kriminelle Milieu" hatte, von seinen Streitigkeiten mit Frau Sch. . Er beauftragte K., "dafür zu sorgen, daß Frau Sch. keine Ansprüche mehr gegen ihn stelle" (UA 7); den genauen Inhalt des Auftrags konnte das Landgericht nicht feststellen. Für dessen "erfolgreiche Erledigung" sagte der Angeklagte die Zahlung von 20.000 DM zu. K. wandte sich an D. und bot ihm an, "den Auftrag zu erledigen". Er machte D. gegenüber vage Angaben über die Hintergründe des Auftrags, beschrieb das Aussehen des Opfers, gab dessen Adresse an und teilte D. mit, daß "die betreffende Frau" allein mit ihren Kindern in dem Haus leben würde. D. meinte, "der Auftrag ziele auf die Tötung des Opfers". Er gewann für den Auftrag den früheren Mitangeklagten N. von dem er wußte, daß dieser bereit war, für Geld zu töten.
Am 3. März 1996 gegen 19.00 Uhr kam es zur Tatausführung: D. und N. klopften - maskiert - an die Eingangstür des Hauses, in dem Gabriela Sch. wohnte. Als diese öffnete, trat N. in den Flur und schoß ihr aus geringer Entfernung in die Mitte der Stirn, um sie zu töten. Während die Geschädigte schwer verletzt zusammensackte, gab N. noch einen zweiten Schuß ab, der aber sein Ziel verfehlte. Anschließend flüchteten N. und D. Sie waren davon überzeugt, Frau Sch. getötet zu haben. Deren Leben konnte jedoch durch Notoperationen gerettet werden. Wenige Tage nach der Tat erhielt D. 10.000 DM, die ihm - "naheliegend" aus Mitteln des Angeklagten (UA 37) - vermutlich von K. übergeben wurden. Die beiden ehemaligen Mitangeklagten D. und N. haben ihre Tatbeteiligung eingeräumt; das Urteil gegen sie ist rechtskräftig.
2. Das Landgericht hat eine sichere Überzeugung von der Tatbeteiligung des - bestreitenden - Angeklagten nicht gewinnen können. Es geht zwar davon aus, "daß der Angeklagte einen von K. weitergeleiteten Auftrag erteilt (habe), gegen die Geschädigte vorzugehen, um sie zum Verzicht auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche zu veranlassen", es sei jedoch möglich, daß es über den, "feindseligen" Inhalt des Auftrags zu einem "Mißverständnis" gekommen sei und der Angeklagte nicht die Tötung seiner von ihm geschiedenen Ehefrau, sondern nur deren "Einschüchterung" habe veranlassen wollen (UA 14, 21, 39).
Diese Würdigung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil wesentliche zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigte Gesichtspunkte nicht tragen und die Beweiserwägungen insgesamt besorgen lassen, daß das Schwurgericht überspannte Anforderungen an die zu einer Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. hierzu BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 22, 25).
a) Das Landgericht hat zum einen zu Gunsten des Angeklagten gewertet, daß es seiner Interessenlage eher entsprochen habe, einen Auftrag zur Einschüchterung der Geschädigten als einen Mordauftrag zu erteilen (UA 21), und zum anderen, daß die Höhe der den Tätern in Aussicht gestellten Bezahlung von (nur) 20.000 DM nicht dafür spreche, daß der erteilte Auftrag auf die Tötung der Geschädigten abgezielt habe (UA 36).
Beide Erwägungen tragen nicht:
aa) Aus der Sicht des Angeklagten wären beim Tod seiner geschiedenen Ehefrau die eingeklagten Ausgleichsansprüche aus der geschiedenen Ehe nicht weiter verfolgt worden. Damit wäre der Auftrag "erfolgreich" erledigt gewesen. Inwieweit die Ansprüche durch die Erben der Frau Sch. geltend gemacht worden wären, war völlig offen. Durch eine Einschüchterung war das Ziel, die Ausgleichsansprüche abzuwenden, offensichtlich nicht zu erreichen; denn Frau Sch. hatte gezeigt, daß sie alles daran setzte, ihre Ansprüche trotz der ihr bekannten Neigung des Angeklagten zu gewalttätigem Vorgehen (UA 5, 32 ff.) durchzusetzen. Mit diesem Gesichtspunkt hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt. Die Beweiswürdigung leidet insoweit an einem durchgreifenden Erörterungsmangel.
bb) Das Landgericht hat festgestellt, daß es sich bei dem Angeklagten um einen "sehr materiell eingestellten Menschen (handelt), für den das Streben nach Geld das Wichtigste ist" (UA 21, 33). Daß er als Belohnung allein für einen "Einschüchterungsauftrag" - der ihn als sofort ermittelbaren Auftraggeber hätte ausweisen müssen, weil ja Forderungen gegen ihn hätten abgewehrt werden sollen, dessen Inhalt unklar und dessen Erfolg höchst zweifelhaft war 20.000 DM angeboten hat, steht dem ersichtlich entgegen. Im übrigen zeigt das Tatgeschehen, daß der in Aussicht gestellte Betrag eher für einen Mordauftrag spricht: denn D. und N. waren ohne weiteres bereit, für 20.000 DM Frau Sch. zu töten. Auch damit hat sich das Schwurgericht nicht auseinandergesetzt.
b) Nach den Feststellungen kommt allein der Angeklagte als "Auftraggeber" und Urheber des Angriffs auf seine geschiedene Ehefrau in Betracht (UA 14); er war gewaltbereit (UA 5), hat vor der Tat im Zusammenhang mit der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung Todesdrohungen gegen Frau Sch. ausgesprochen (UA 5, 32 ff.) und den Tatausführenden eine Belohnung von 20.000 DM versprechen lassen (UA 7); ein Mordanschlag wurde begangen und nach der (gescheiterten) Tat wurden 10.000 DM gezahlt (UA 14, 37).
Wenn bei diesem Beweisergebnis das Landgericht dennoch zu der Überzeugung gekommen ist, daß dem Angeklagten überhaupt kein strafrechtlich relevantes Verhalten nachzuweisen sei, so besteht die Befürchtung, daß das Schwurgericht überspannte Anforderungen an die zu einer Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat.
Die Sache bedarf daher erneuter Verhandlung und Entscheidung.
Mit der Urteilsaufhebung ist die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung über die Haftentschädigung gegenstandslos.
Bearbeiter: Karsten Gaede