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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 366/00, Beschluss v. 21.09.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 4 StR 366/00 - Beschluß v. 21. September 2000

Bestellung eines Beistandes; Nebenklage; Antragsauslegung; Prozeßkostenhilfe; Lex mitior; Milderes Gesetz; Begründetheit des Antrages und Änderung des Verbrechenscharakters

§ 300 StPO; § 397a Abs. 1 StPO; § 2 Abs. 3 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Ist eine Straftat zur Zeit der Urteilsverkündung und des Revisionsverfahrens ein Verbrechen, so ist dies für die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand des Nebenklägers in der Revisionsinstanz maßgebend, auch wenn die Straftat zum Zeitpunkt ihrer Begehung lediglich die Voraussetzungen eines Vergehenstatbestandes erfüllt hat (BGH NStZ 1999, 365).

Entscheidungstenor

Der Nebenklägerin Sandra P. wird für die Revisionsinstanz Rechtsanwalt Henning B. aus Magdeburg als Beistand bestellt (§§ 397 a Abs. 1, 395 Abs. 1 Nr. 1a StPO).

Gründe

Die Nebenklägerin hat beantragt, ihr auch für das Revisionsverfahren Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt B. beizuordnen. Dieser Antrag ist, da ihm damit die weitestgehende Wirkung zukommt (Rechtsgedanke des § 300 StPO), als Antrag auf Bestellung eines Beistands (§ 397 a Abs. 1 StPO) auszulegen. Er erweist sich in dieser Auslegung auch als begründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Beistandsbestellung sind sogar mehrfach erfüllt. Sie ergeben sich zum einen aus dem Vorwurf der versuchten Vergewaltigung (Fall 5 der Anklageschrift vom 9. August 1999 = Fall II 3 der Urteilsgründe), zum anderen aber auch aus dem des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes im Fall 3 der Anklageschrift (= Fall II 2 der Urteilsgründe). Diese Tat erfüllt die Voraussetzungen des § 176 a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Fassung des 6. StrRG vom 26. Januar 1998 und stellt damit ein Verbrechen dar, das die Nebenklägerin gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 1a StPO zum Anschluß berechtigt. Der Bestellung eines Beistands steht insoweit nicht entgegen, daß das Landgericht gemäß § 2 Abs. 3 StGB zu Recht auf diese im Jahre 1995 begangene Tat den Vergehenstatbestand des § 176 Abs. 1 StGB a.F. angewandt hat. Ist eine Straftat jedoch zur Zeit der Urteilsverkündung und des Revisionsverfahrens ein Verbrechen, so ist dies für die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand des Nebenklägers in der Revisionsinstanz maßgebend, auch wenn die Straftat zum Zeitpunkt ihrer Begehung lediglich die Voraussetzungen eines Vergehenstatbestandes erfüllt hat (BGH NStZ 1999, 365).

Bearbeiter: Karsten Gaede