Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 190/00, Beschluss v. 29.06.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X
Auf die Revision des Angeklagten K. wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 15. Oktober 1999, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
1. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat Erfolg.
a) Im Falle der Verurteilung des Angeklagten müssen, was das Revisionsgericht auf die Sachrüge zu prüfen hat (Gollwitzer in Löwe-Rosenberg StPO 24. Aufl. § 267 Rdn. 33), die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Dabei ist unter Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen die Schilderung des als Ergebnis der Beweiswürdigung festgestellten Lebenssachverhalts zu verstehen. Eine "Feststellung", die nur die Worte des Gesetzes wiederholt oder mit einem gleichbedeutenden Wort oder einer allgemeinen Redewendung umschreibt, reicht nicht aus (vgl. Gollwitzer aaO § 267 Rdn. 32).
Rechtsbegriffe müssen, sofern sie nicht allgemein geläufig sind, grundsätzlich durch die ihnen zugrunde liegenden tatsächlichen Vorgänge dargestellt ("aufgelöst") werden (Engelhardt in KK-StPO 4. Aufl. § 267 Rdn. 9).
b) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nur insoweit gerecht, als es die Darstellung der Vortaten anbelangt, auf die sich die Verurteilung des Angeklagten K. wegen Hehlerei bezieht: Diese werden unter näherer Angabe der tatsächlichen Umstände (insbesondere der Tatzeit, des Tatortes und der Tatopfer) sowie unter - allerdings teilweise unnötig detaillierter Auflistung der gestohlenen oder betrügerisch erlangten Sachen, konkret geschildert.
Die gebotene Wiedergabe des tatbestandsmäßigen Lebenssachverhalts läßt das Urteil aber vermissen, soweit es die dem Angeklagten K. vorgeworfenen hehlerischen Betätigungen und seine Beziehung zu den aus den Vortaten erlangten Sachen darstellt.
Die Schilderung der Tathandlungen des Angeklagten leitet das Urteil in allen abgeurteilten Fällen mit Sätzen ein, die sich im wesentlichen auf die Wiedergabe der gesetzlichen Beschreibung des Tatverhaltens beschränken und deswegen als Angabe der erwiesenen Tatsachen im Sinne des § 267 StPO nicht ausreichen. So heißt es etwa, der Angeklagte habe "sich in der Folgezeit in Kenntnis davon, daß die Gegenstände ... (aus den jeweiligen Taten) ... resultierten," bemüht, diese "an dritte Personen abzusetzen" (oder: er habe "geholfen, die Gegenstände abzusetzen"), "um sich hierdurch einen Vermögensvorteil zu verschaffen, auf den er - wie er wußte - keinen Anspruch hatte." Diesen formelhaften Wendungen folgt dann jeweils die (überflüssigerweise: wörtliche) Wiedergabe von Protokollen über die Aufzeichnung von Telefongesprächen, die der Angeklagte mit verschiedenen Personen führte und deren Gegenstand jeweils die gestohlenen oder sonst durch Vermögensdelikte erlangten Sachen waren.
Mit diesen Angaben läßt die Sachverhaltsschilderung des angefochtenen Urteils eine Subsumtion unter die in Betracht kommenden Strafvorschriften und ihre Beschreibung der unter Strafandrohung gestellten Verhaltensweisen nicht zu. Der mitgeteilte Inhalt der Telefonate belegt zwar, daß der Angeklagte an dem Absatz der Beute aus den Vortaten lebhaft interessiert war und sich nachhaltig um deren Verwertung bemühte. Mangels weiterer Angaben zu dem Handlungsrahmen, in den die Telefonate gestellt waren, insbesondere zu den ihnen vorausgegangenen sowie den nachfolgenden, die jeweilige Tatbeute betreffenden Handlungen des Angeklagten bleibt aber im Dunkeln, ob er etwa an den Diebstählen selbst als Täter oder Mittäter beteiligt war (was in einzelnen Fällen nach dem Inhalt der Telefonate jedenfalls nicht fernliegt), ob er von dem Vortäter die Verfügungsmacht über die Sachen erhalten hat, ob er selbständig um den Absatz bemüht war oder Absatzbemühungen des Vortäters oder - mit der Folge, daß er sich nur als Gehilfe strafbar gemacht hätte (vgl. Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 259 Rdn. 14; siehe auch OLG Köln StraFo 2000, 233) - solche eines Dritten unterstützt hat. Die Äußerungen des Angeklagten und seiner Gesprächspartner in den wiedergegebenen Telefonaten mögen zwar auch als Indiztatsachen von Bedeutung sein, indem sie - in den einzelnen Fällen mehr oder weniger plausibel zugleich Schlüsse auf das Gesamtverhalten des Angeklagten in Bezug auf die jeweilige Tatbeute zulassen. Diese Schlüsse zu ziehen, ist aber Aufgabe des Tatrichters, die ihm das Revisionsgericht grundsätzlich nicht abnehmen kann.
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils mit seinen Feststellungen.
a) In der neuen Verhandlung werden die in dem aufgehobenen Urteil zu vermissenden Feststellungen um so leichter getroffen werden können, als der frühere Mitangeklagte V. nach Rechtskraft des gegen ihn ergangenen Urteils für die Aufklärung des Sachverhalts als Zeuge zur Verfügung stehen wird. Sollten dem neuen Tatrichter eindeutige Feststellungen gleichwohl nicht möglich sein, weil auch er keine von mehreren Möglichkeiten des tatsächlichen Geschehens mit Sicherheit ausschließen kann, so wird er auch eine Verurteilung des Angeklagten nach den Grundsätzen der Wahlfeststellung oder der Postpendenz (vgl. Lackner/Kühl aaO § 1 Rdn. 19) in Betracht zu ziehen haben. In diesem Fall wird er an Stelle der für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die Merkmale der Straftat zu finden sind, den äußeren und inneren Sachverhalt der Verhaltensweisen zu schildern haben, die nach seiner Überzeugung als allein möglich in Betracht kommen (Gollwitzer aaO § 267 Rdn. 46).
b) Im übrigen sieht der Senat für die neue Verhandlung Anlaß zu dem Hinweis, daß auch die Strafzumessungserwägungen des aufgehobenen Urteils Bedenken begegnet hätten. Die Strafkammer hat sich bei der Zumessung der Einzelstrafen maßgeblich von der Höhe des durch die jeweilige Vortat dem Tatopfer zugefügten Schadens leiten lassen. Sie legt dem Angeklagten stets den gesamten Schaden zur Last, auch wenn sein hehlerisches Tatverhalten nur Teile der Beute aus der Vortat betrifft. Damit wird das Gewicht des vom Angeklagten begangenen Unrecht und das Maß seiner Pflichtwidrigkeit nicht zutreffend erfaßt.
Externe Fundstellen: NStZ 2000, 607
Bearbeiter: Karsten Gaede