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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 723/93, Urteil v. 09.03.1994, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 723/93 - Urteil vom 9. März 1994 (LG Mönchengladbach)

BGHSt 40, 94; gewerbsmäßiger Waffenhandel (Aufsuchen von Bestellungen).

§ 7 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. b WaffG

Leitsatz

Unter Aufsuchen von Bestellungen ist jede Tätigkeit bei allen Vertriebsformen des Waffenhandels zu verstehen, die darauf abzielt, von einem anderen einen festen Auftrag zur künftigen Lieferung bestimmter Schusswaffen oder Munition zu erhalten. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 23. August 1993, soweit es den Angeklagten K. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten K. vom Vorwurf des unerlaubten Vertriebs von Schußwaffen freigesprochen. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte K., der eine Handelsfirma betreibt, aber nicht im Besitz einer Waffenhandelserlaubnis ist, über den Mitangeklagten A. als Vermittler an einen Kaufinteressenten in Dänemark ein verbindliches Angebot über die Lieferung von je 30.000 Pistolen der Typen Tokarev und Makarov mit Munition, die ihm auf Abruf zur Verfügung standen, übermittelt und die ausgehandelten Preise mit Telefax bestätigt. Zum Abschluß kam es letztlich nicht, weil der vorgesehene Abnehmer kein Interesse an dem Geschäft mehr hatte. Die Strafkammer hat eine Strafbarkeit des Angeklagten K. wegen dieses Geschehens verneint. Ein Vertrieb käme nur in der Form des Aufsuchens von Bestellungen nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b, § 7 Abs. 1 Nr. 2 WaffG in Betracht, der sich jedoch auf das Reisegewerbe beschränke; im übrigen fehle es an der Gewerbsmäßigkeit bezüglich dieses "Einzelgeschäfts". Eine Beihilfe zu der versuchten unerlaubten Vermittlung eines Waffenhandels des Mitangeklagten A. hat es ebenfalls nicht angenommen, da der Angeklagte K. ein eigenes Geschäft habe durchführen wollen und im übrigen die Straffreiheit des bloßen Anbietens umgangen werde.

Die gegen den Freispruch des Angeklagten K. gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg. Die rechtliche Beurteilung des Landgerichts hält einer Nachprüfung nicht stand.

1. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b WaffG wird bestraft, wer entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ohne die erforderliche Erlaubnis Schußwaffen oder Munition vertreibt. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 WaffG bedarf einer Erlaubnis der zuständigen Behörde, wer gewerbsmäßig oder selbständig im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung Schußwaffen oder Munition vertreiben (feilhalten, Bestellungen entgegennehmen oder aufsuchen) will. Von den dort gesetzlich definierten Vertriebsformen kommt hier die des Aufsuchens von Bestellungen in Betracht. Unter diesen Begriff fällt jede Tätigkeit, die darauf abzielt, von einem anderen einen festen Auftrag zur künftigen Lieferung bestimmter Schußwaffen oder Munition zu erhalten, wozu bereits die eine Bestellung anbahnende Tätigkeit gehört (vgl. die gefestigte Rechtsprechung zu §§ 55, 56 a Abs. 2 GewO: RG Recht 21 Nr. 1544; KG NJW 1971, 815, 816 m.w.Nachw.). Dieser Begriff darf nicht im Sinne eines (persönlichen) Aufsuchens von Interessenten mißverstanden werden (so offensichtlich das Landgericht, ebenso unzutreffend Hinze, Waffenrecht, § 7 WaffG Anm. 11). Das Gesetz spricht nämlich vom Aufsuchen von Bestellungen, nicht von Personen, worauf bereits Floegel in Stengleins Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen 5. Aufl. 1931 Bd. 2 S. 1011 (m.w.N.) zutreffend hingewiesen hatte. Bei richtiger Auslegung ist das Aufsuchen von Bestellungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht auf das Reisegewerbe beschränkt, sondern auf alle Formen des Waffenhandels bezogen (a.A. Apel, Waffenrecht, 2. Aufl. § 7 WaffG Anm. 6 d). Die vom Landgericht vertretene Auffassung, dieser Begriff betreffe (nur) das Reisegewerbe, kann für den an sich reisegewerbekartenpflichtigen Bereich ("Umherziehen von Haustür zu Haustür" UA S. 15) bereits deswegen nicht zutreffen, weil diese Vertriebsform beim Waffenhandel nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 WaffG generell verboten ist und damit nicht Gegenstand einer Erlaubnis nach § 7 Abs. 1 WaffG sein kann. Danach kommt eine Reisegewerbetätigkeit im Waffenhandel nur dort in Betracht, wo Personen nach der Ausnahme des § 55 b Abs. 1 GewO im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes aufgesucht werden. Es ist aber kein sachlicher Grund ersichtlich, solches mit Aufsuchen der Geschäftspartner verbundenes Bemühen um den Erhalt von Lieferaufträgen und sonstige Vertriebsformen wie durch Abgabe von Angeboten auf schriftlichem Wege oder mit den sonstigen Mitteln moderner Telekommunikation waffenhandelsrechtlich unterschiedlich zu behandeln. Dem entspricht, daß § 7 Abs. 1 Nr. 2 WaffG alle Vertriebsformen des Waffenhandels erfassen will (Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze W 12, § 7 WaffG Anm. 4; vgl. auch amtl. Begr. zu § 7 Abs. 1 Nr. 2 WaffG in BT-Drucks. 11/1556 S. 30 zum Begriff Feilhalten).

Diese Auslegung bestätigt zudem die historische Entwicklung. Das Gesetz über Schußwaffen und Munition vom 12. April 1928 (RGBl I 143) enthielt in § 5 Abs. 1 ebenso wie das Reichswaffengesetz vom 18. März 1938 (RGBl I 265) in § 7 Abs. 1 insoweit den Begriff "wer sich ... zum Überlassen erbieten will". Damit waren - ohne irgendwelche Beschränkungen auf das Reisegewerbe - bereits auf einen Erwerb zielende Vorverhandlungen genehmigungspflichtig (Schneidewin in Stengleins Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen 5. Aufl. 1931, 2. Band S. 487). Das Bundeswaffengesetz vom 14. Juni 1968 (BGBl I 633) hat zwar das Waffenrecht neu geregelt und auch zu einer Neufassung der Erlaubnispflicht für den Waffenhandel in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG geführt, jedoch ergibt sich aus der amtlichen Begründung, daß an der Erlaubnispflicht übereinstimmend mit den Regelungen des Schußwaffengesetzes und des Reichswaffengesetzes festgehalten werde (BT-Drucks. V/528 S. 18). Da mit zahlreichen Verschärfungen eine Verbesserung der staatlichen Kontrolle des Waffenhandels im Interesse der öffentlichen Sicherheit erreicht werden sollte und der Begründung keine Anhaltspunkte entnommen werden können, daß durch die Umformulierung ein wesentlicher Bereich der Waffenhandelstätigkeit von der Erlaubnispflicht ausgenommen werden sollte, ergibt sich, daß auch für den Bereich der Anbahnung von Bestellungen keine inhaltliche Änderung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand im Sinne einer Freigabe aller übrigen Vertriebsformen außer dem Reisegewerbe nach § 55 b Abs. 1 GewO vorgenommen werden sollte. Im Waffengesetz vom 19. September 1972 (BGBl I 1797) wurde die Regelung über die Erlaubnispflicht des Waffenhandels insoweit unverändert unter § 7 Abs. 1 Nr. 2 WaffG übernommen.

2. Die unzureichenden Feststellungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, ob es gewerbsmäßiges Handeln zu Recht verneint hat. Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, welcher Art die Wirtschaftstätigkeit der vom Angeklagten betriebenen Firma I.. war und wie sich das beabsichtigte Waffenhandelsgeschäft hierzu verhielt. Sollte der Angeklagte, wofür die Urteilsgründe Anhaltspunkte bieten, die Waffenhandelsgebote im Rahmen der gewerbsmäßigen Handelstätigkeit seiner Firma abgegeben haben, so wird die Gewerbsmäßigkeit dieses einzelnen Geschäftsvorgangs nicht dadurch in Frage gestellt, daß er sich unter Umständen auf eine andere, dem üblichen Sortiment nicht entsprechende Ware bezieht. Dies gilt insbesondere, wenn die Waffen als Handelsware erst beschafft und in sehr großen Mengen abgesetzt werden sollen. Die Urteilsgründe verhalten sich auch nicht dazu, daß dem Angeklagten K. in der Anklage ein weiteres, hiervon unabhängiges umfangreiches Waffenhandelsgeschäft (Angebot über 10.000 Colts) zur Last gelegt wird (was gegen ein "Einzelgeschäft" sprechen würde). Auch die Einstellung dieses Vorwurfs nach § 154 Abs. 2 StPO hindert entsprechende Feststellungen nicht, sofern sie prozeßordnungsgemäß erhoben werden und der Angeklagte entsprechend darauf hingewiesen wird (BGHR StPO § 154 II Hinweispflicht 1).

Ebenso hat die Strafkammer die weitere Alternative des § 7 Abs. 1 WaffG, das selbständige Handeln im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung, die bei Verneinung von Gewerbsmäßigkeit in Betracht käme, nicht geprüft. Daß auch die Rechtsausführungen der Strafkammer zur Verneinung von Beihilfe zur versuchten Vermittlung des Mitangeklagten rechtsfehlerhaft sind, bedarf bei dieser Sachlage keiner näheren Begründung.

Externe Fundstellen: BGHSt 40, 94; NJW 1994, 2102; NStZ 1994, 345; StV 1995, 26

Bearbeiter: Rocco Beck