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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1097

Bearbeiter: Fabian Afshar

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 79/25, Beschluss v. 10.07.2025, HRRS 2025 Nr. 1097


BGH 3 StR 79/25 - Beschluss vom 10. Juli 2025 (LG Halle)

Adhäsionsklage; Verbot der reformatio in peius (Rechtsfolgen der Tat).

§ 403 StPO; § 358 Abs. 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

Das Tatgericht ist durch das Verbot der reformatio in peius nicht gehindert, erstmals nach einer auf die Revision des Angeklagten erfolgten Aufhebung und Zurückverweisung der Sache dem Verletzten im Adhäsionsverfahren Schmerzensgeld dem Grunde nach zuzusprechen. Da der Ersatzanspruch zivilrechtlicher Natur ist, handelt es sich dabei nicht um eine Rechtsfolge der Tat im Sinne von § 358 Abs. 2 StPO.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 1. November 2024 im Adhäsionsausspruch dahin geändert, dass festgestellt wird, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Neben- und Adhäsionskläger Schadensersatz für die im Urteil des Landgerichts Halle vom 30. Januar 2023 (16 KLs 424 Js 19150/20 [1/22]) unter II. 3. genannten Tathandlungen zu leisten; im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten sowie die dem Neben- und Adhäsionskläger im Rechtsmittelverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hatte den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung, versuchter Körperverletzung, Beleidigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung, sowie wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Senat hatte das Urteil mit Beschluss vom 19. September 2023 mit den Feststellungen aufgehoben, jedoch die Feststellungen zu dem Nachbarschaftsverhältnis (II. 2. der Urteilsgründe) und den Anlasstaten (II. 3. der Urteilsgründe) aufrechterhalten.

Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr wegen der zuvor genannten Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und erneut die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Zudem hat es den Angeklagten gemäß seinem Anerkenntnis dem Grunde nach verurteilt, dem Nebenkläger Schadensersatz für die im Urteil des Landgerichts vom 30. Januar 2023 unter II. 2. und II. 3. benannten Tathandlungen zu leisten. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat hinsichtlich des Adhäsionsausspruchs teilweise Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Schuld-, Straf- und Maßregelausspruch weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

2. Hingegen vermag der Adhäsionsausspruch revisionsrechtlicher Überprüfung nur teilweise standzuhalten.

a) Ein Rechtsfehler ergibt sich allerdings nicht vor dem Hintergrund des Verschlechterungsverbots aus § 358 Abs. 2 StPO. Das Landgericht war durch das Verbot der reformatio in peius nicht gehindert, erstmals nach der auf die Revision des Angeklagten erfolgten Aufhebung und Zurückverweisung der Sache durch den Senat dem Verletzten im Adhäsionsverfahren Schmerzensgeld dem Grunde nach zuzusprechen. Da der Ersatzanspruch zivilrechtlicher Natur ist, handelt es sich dabei nicht um eine Rechtsfolge der Tat im Sinne von § 358 Abs. 2 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2000 - 3 StR 426/00, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 11 mwN; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 358 Rn. 18).

b) Das Landgericht hat jedoch nicht im Wege eines Grundurteils entscheiden dürfen. Der Erlass eines Grundurteils setzt nach § 304 ZPO die Geltendmachung eines bezifferten Anspruchs voraus, wobei es genügt, die Bezifferung zulässigerweise dem gerichtlichen Ermessen zu überlassen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2002 - 5 StR 291/02, BGHSt 47, 378, 379 f.; Schmitt/Köhler/ Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 406 Rn. 3a; Zöller/Feskorn, ZPO, 35. Aufl., § 304 Rn. 3 f.). Der Neben- und Adhäsionskläger hat indes im Hauptverhandlungstermin am 21. Oktober 2024 lediglich einen Feststellungsantrag gestellt und damit keinen bezifferten Anspruch geltend gemacht.

c) Der Adhäsionsantrag ist als Feststellungsantrag jedoch nur teilweise zulässig (§ 404 StPO).

Im Adhäsionsverfahren hat das Tatgericht auch bei einem Anerkenntnis des Angeklagten die prozessualen Voraussetzungen einer Feststellungsklage zu prüfen, denn das Anerkenntnis erstreckt sich lediglich auf den sachlichrechtlichen Anspruch (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2001 - VI ZR 325/99, NJW 2001, 3414 mwN; Beschlüsse vom 24. April 2024 - 4 StR 476/23, NStZ-RR 2024, 319; vom 28. Mai 2025 - 3 StR 172/25, juris).

aa) Soweit der Adhäsionsantrag die unter II. 2. des Urteils des Landgerichts vom 30. Januar 2023 genannten Tathandlungen betrifft, welche Feststellungen zu dem Nachbarschaftsverhältnis umfassen, sind Gegenstand und Grund des Antrags nicht bestimmt bezeichnet im Sinne von § 404 Abs. 1 Satz 2 StPO. Diese Feststellungen enthalten vielfältige und teils nur allgemein beschriebene Verhaltensweisen des Angeklagten gegenüber dem Adhäsionskläger. Damit ist nicht ersichtlich, aus welchen konkreten Verhaltensweisen des Angeklagten der Adhäsionskläger welche bestimmte Rechtsfolge ableiten will. Demgemäß ist der Streitgegenstand insoweit nicht hinreichend bestimmt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. August 2013 - 4 StR 281/13, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 7 Rn. 9; vom 15. März 2017 - 4 StR 22/17, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Antragstellung 11 Rn. 8) und daher von einer Entscheidung abzusehen (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO). Hinzu kommt, dass die unter II. 2. des Urteils des Landgerichts vom 30. Januar 2023 genannten Tathandlungen nicht zu den abgeurteilten prozessualen Taten im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO zählen, so dass diesbezüglich die Voraussetzungen der §§ 403, 406 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 2017 - 4 StR 177/17, NStZ-RR 2018, 24, 25; LR/Wenske, StPO, 27. Aufl., § 403 Rn. 11, § 406 Rn. 2 mwN).

bb) Soweit der Adhäsionsantrag die unter II. 3. des Urteils des Landgerichts vom 30. Januar 2023 erfassten Tathandlungen, und damit die Anlasstaten, betrifft, ist der Streitgegenstand hingegen hinreichend bestimmt. Insoweit besteht auch das erforderliche Feststellungsinteresse (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2025 - 3 StR 172/25, juris; Urteil vom 20. März 2001 - VI ZR 325/99, NJW 2001, 3414 mwN).

cc) Gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog ändert der Senat daher den Adhäsionsausspruch und sieht im Übrigen von einer Entscheidung ab (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1097

Bearbeiter: Fabian Afshar