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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 711

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 41/24, Beschluss v. 16.04.2024, HRRS 2024 Nr. 711


BGH 3 StR 41/24 - Beschluss vom 16. April 2024 (LG Düsseldorf)

Tötungsvorsatz (Koinzidenzprinzip).

§ 16 Abs. 1 StGB; § 211 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. September 2023 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zur Stichreihenfolge aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen Mordes unter Einbeziehung dreier weiterer Urteile auf eine Einheitsjugendstrafe von neun Jahren erkannt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Verfahrens- und Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den von der Strafkammer getroffenen Feststellungen versetzte der Angeklagte dem in einem Zelt liegenden Geschädigten von außen durch die Zeltplane hindurch zwei Stiche mit einem Küchenmesser; einer der beiden entfaltete tödliche Wirkung, während der andere zu keiner lebensgefährlichen Verletzung führte. Welcher der beiden Stiche den Tod verursachte, hat nicht aufgeklärt werden können. Spätestens bei dem zweiten Stich nahm der Angeklagte billigend in Kauf, dem Geschädigten tödliche Verletzungen beizubringen.

2. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils kann aus sachlichrechtlichen Gründen nicht bestehen bleiben, weil die subjektive Tatseite des Mordes nicht rechtsfehlerfrei begründet ist.

Die Urteilsgründe belegen nicht, dass der Angeklagte dem Geschädigten die tödliche Stichverletzung mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz beibrachte. Denn es bleibt die Möglichkeit offen, dass bereits der erste - möglicherweise noch ohne Tötungsvorsatz geführte - Stich die tödlichen Verletzungen des Geschädigten verursachte. Abweichendes ergibt sich - entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalt - auch nicht aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe. Soweit das Landgericht an anderer Stelle beweiswürdigend ausgeführt hat, der Angeklagte habe das Versterben des Geschädigten durch die Messerstiche zumindest billigend in Kauf genommen, kann hieraus keine entgegenstehende Schlussfolgerung gezogen werden. Der dortige Gebrauch des Plurals („Messerstiche“) erlaubt nicht mit hinreichender Sicherheit die Annahme, es handele sich bei der in den Feststellungen gewählten Formulierung lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit. Denn die dieser Aussage unmittelbar nachfolgende weitere Erläuterung, dem Angeklagten sei spätestens nach dem ersten Stich bewusst geworden, den Geschädigten auch getroffen zu haben, weshalb das nochmalige Zustechen zeige, dass er das Ableben des Geschädigten zumindest billigend in Kauf genommen habe, lässt wiederum die Möglichkeit der Zufügung der tödlichen Verletzung bereits durch den ersten Messerstich und die erst nachfolgende Fassung des Tötungsvorsatzes offen.

3. Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem Strafausspruch die Grundlage. Die zum objektiven Tatgeschehen getroffenen Feststellungen können mit Ausnahme derjenigen zur Stichreihenfolge bestehen bleiben, weil sie insoweit von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Eine Ergänzung um solche Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, ist möglich.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 711

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede