HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1353
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 207/24, Beschluss v. 21.08.2024, HRRS 2024 Nr. 1353
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 22. Januar 2024
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Besitzes von Cannabis in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erhielt der Angeklagte von einem unbekannt gebliebenen Auftraggeber den Auftrag, 969,73 g Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 152 g THC an einen Abnehmer gegen Zahlung von 5.000 € zu übergeben. Der Angeklagte fuhr mit dem ihm überlassenen Marihuana gemeinsam mit einem Mitangeklagten in dessen Fahrzeug zum vereinbarten Treffpunkt. Zu einer Übergabe kam es nicht, da der Angeklagte und der Mitangeklagte überfallen wurden. Im Ergebnis erlangte der Angeklagte jedoch den Besitz an dem Marihuana wieder.
2. Während die Feststellungen ohne Rechtsfehler getroffen worden sind, ist der Schuldspruch infolge einer Gesetzesänderung nach Urteilsverkündung zu ändern. Dies zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift dazu Folgendes ausgeführt:
„Die sachlichrechtliche Nachprüfung des nach vormaliger Rechtslage fehlerfreien Urteils führt allein aufgrund des nach Urteilsverkündung erfolgten Inkrafttretens des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis (KCanG) und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 27. März 2024 (BGBl. I 2024, 109) zu einer Neufassung des Schuldspruchs sowie einer Aufhebung des Strafausspruchs.
1. Nach Maßgabe des am 1. April 2024 in Kraft getretenen KCanG, auf das gemäß § 2 Absatz 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist, stellt sich das vom Landgericht festgestellte Tatgeschehen nunmehr als Besitz von mehr als 30 Gramm Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG) in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) dar.
Bei Marihuana handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des KCanG als ,Cannabis‘ erfasst wird (§ 1 Nr. 4 KCanG). Die Tathandlungen nach § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des BtMG angelehnt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94). Hinsichtlich der in § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG beschriebenen Tathandlung des ,Handeltreibens‘ hat der Gesetzgeber darüber hinaus auf die hierzu ergangene Rechtsprechung ausdrücklich Bezug genommen (vgl. BTDrucks. 20/8704, S. 94), so dass die zu den in §§ 29 ff. BtMG unter Strafe gestellten Handlungsformen entwickelten Grundsätze auf § 34 Abs. 1 KCanG zu übertragen sind. Was den Grenzwert der nicht geringen Menge für Tetrahydrocannabinol (§ 1 Nr. 2 KCanG) im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG anbelangt, so hat der Bundesgerichtshof diesen auch für das neue Recht auf 7,5 Gramm THC festgesetzt (BGH, Beschluss vom 18.4.2024 - 1 StR 106/24, BeckRS 2024, 7982 Rn. 7, beckonline).
Nach Maßgabe dessen ist der Schuldspruch wie beantragt an die am 1. April 2024 in Kraft getretenen rechtlichen Bestimmungen des KCanG anzupassen. Der Senat kann in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 i.V.m § 354a StPO den Wortlaut des Schuldspruchs so ändern, dass darin klar zum Ausdruck kommt, auf welche Gesetze sich der Strafausspruch jetzt gründet (vgl. Senat, Urteil vom 1. Dezember 1964 - 3 StR 35/64, BGHSt 20, 116, 121). Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige und reuige Angeklagte (UA S. 14) nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Der Zusatz unerlaubter oder verbotener Tatbegehung ist im Urteilstenor, wie schon nach bisherigem Recht, entbehrlich. Dass die Straftatbestände des KCanG den verbotenen Umgang mit Cannabis betreffen, versteht sich von selbst. Soweit das Gesetz von dem umfassenden Verbot des Umgangs mit Cannabis in § 2 Abs. 1 KCanG Ausnahmen zulässt (§ 2 Abs. 3 Satz 1 KCanG), liegt ein strafbares Handeln nicht vor. Somit gelten die vom Senat für Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz aufgestellten Tenorierungsgrundsätze (vgl. Senat, Urteil vom 24. Juli 2014 - 3 StR 314/13 Rn. 35; Beschluss vom 15. November 2022 - 3 StR 340/22 Rn. 5 f.; NStZ-RR 2023, 51, beck online) für Straftaten nach dem KCanG fort (vgl. BGH, Beschluss vom 23.4.2024 - 5 StR 153/24, BeckRS 2024, 9736 Rn. 5, 6, beckonline).
2. Im Strafausspruch kann das angefochtene Urteil infolge des gegenüber der bisherigen Rechtslage erheblich niedrigeren Strafrahmens keinen Bestand haben. Zwar sind nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen des Regelbeispiels des § 34 Absatz 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG erfüllt, weil sich sowohl der abgeurteilte Besitz als auch die abgeurteilte Beihilfe zum Handeltreiben auf eine nicht geringe Menge beziehen. Zudem gibt es keine Umstände, die bei dem am 30. November 2022 einschlägig wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung vorverurteilten Angeklagten für ein Entfallen der Regelwirkung sprechen könnten. Indes weicht der Strafrahmen § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG von dem bisher maßgeblichen Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG doch so erheblich zugunsten der Angeklagten ab, dass gleichwohl nicht sicher auszuschließen ist, dass die Kammer bei Zugrundelegung des neuen Strafrahmens eine geringere Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten verhängt hätte. Hierfür spricht insbesondere der Umstand, dass die Kammer trotz der einschlägigen und zeitnahen Vorverurteilung des Angeklagten zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren gegen den Angeklagten mit zwei Jahren und drei Monaten eine Freiheitsstrafe verhängt hat, die im unteren Bereich des nach vormaligem Recht eröffneten Strafrahmens angesiedelt ist. Damit ist die Strafe neu zu bemessen.
Darüber hinaus ist das Urteil von Rechts wegen nicht zu beanstanden.“
Dem schließt sich der Senat an.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1353
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede