HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1350
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 175/24, Beschluss v. 20.08.2024, HRRS 2024 Nr. 1350
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 15. November 2023
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den von dem Landgericht getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte im Juli 2023 zehn Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 1.721 Gramm THC, die er in K. an unbekannte Dritte veräußern wollte. Er bat den Mitangeklagten G., ihn mit dem Marihuana nach K. zu fahren. Auf der Autobahn wurden die Angeklagten von der Polizei angehalten und das Marihuana sichergestellt.
2. Während die Feststellungen ohne Rechtsfehler getroffen sind, ist der Schuldspruch infolge einer Gesetzesänderung nach Urteilsverkündung zu ändern. Dies zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift dazu Folgendes ausgeführt:
„Die auf die erhobene Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils führt zur Berichtigung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; darüber hinaus hat sie keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.
I. Aufgrund der ergangenen Gesetzesänderung zum Umgang mit Cannabis ist der Schuldspruch zu berichtigen; im Übrigen hält er einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Das zum 1. April 2024 in Kraft getretene Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (CanG, BGBl. I Nr. 109) hat Cannabisprodukte dem Anwendungsbereich des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) entzogen (BT-Drucks. 20/8704, S. 185) und hierfür eigene Regelwerke geschaffen; das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG; BGBl. I Nr. 109) sowie das Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken (MedCanG; BGBl. I Nr. 109).
2. Mangels Vorliegens einer Übergangsvorschrift ist auf sog. ‚Altfälle‘ gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO das mildere Gesetz anzuwenden. Die Ermittlung des mildesten Gesetzes erfolgt durch einen im konkreten Einzelfall vorzunehmenden Vergleich der nach beiden Gesetzen zulässigen Hauptstrafen (vgl. BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, 60. Ed. 1.2.2024, StGB § 2 Rn. 5; LK/Dannecker/Schuhr, 13. Auflage 2020, § 2 StGB Rn. 134).
3. Hieran gemessen ist vorliegend das Konsumcannabisgesetz das mildere Gesetz iSd § 2 Abs. 3 StGB. Denn der Angeklagte ist seinerzeit des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen worden. Dementsprechend hat das Landgericht bei der Bemessung der tat- und schuldangemessenen Strafe - seinerzeit rechtsfehlerfrei - den Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG (ein Jahr bis 15 Jahre, UA S. 14 f.) zugrunde gelegt. Der entsprechende Strafrahmen des Konsumcannabisgesetzes sieht hingegen eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren vor (§ 34 Abs. 3 KCanG) und stellt damit den tätergünstigeren dar. Folglich ist der Schuldspruch dahingehend abzuändern, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist.
4. Der Schuldspruchberichtigung steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte ersichtlich nicht anders und erfolgreicher hätte verteidigen können (vgl. BeckOK StPO/Wiedner, 50. Ed. 1. Januar 2024, StPO § 354 Rn. 43).
5. (…) II. Der Strafausspruch vermag hingegen revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand zu halten.
Denn die Kammer hat bei der Strafbemessung - seinerzeit zutreffend - den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt, der durch das am 1. April 2024 in Kraft getretene KCanG allerdings keine Anwendung mehr für Straftaten findet, die den Umgang mit Cannabisprodukten betreffen (vgl. oben I.). Wie bereits oben unter I. dargestellt, ist nunmehr der Strafrahmen des zum 1. April 2024 in Kraft getretenen § 34 Abs. 1, 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG zugrunde zu legen, der einen milderen Strafrahmen vorsieht.
Auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Kammer strafmildernd gewichtet hat, dass es sich bei Marihuana um eine ‚weiche Droge‘ handelt (UA S. 15 Mitte) und der Angeklagte mit seiner Handlung zwei Regelbeispiele des § 34 Abs. 3 Satz 2 KCanG erfüllt hat (Gewerbsmäßigkeit nach Nr. 1, vgl. hierzu UA S. 5, 6 oben; nicht geringe Menge nach Nr. 4, vgl. hierzu UA S. 8), kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kammer auf eine mildere Strafe erkannt hätte.
Die Feststellungen können jedoch bestehen bleiben und durch widerspruchfreie ergänzt werden; Erwägungen, die unter Geltung des Konsumcannabisgesetzes nicht mehr ohne Weiteres Berücksichtigung finden können (wie die Einordnung als sog. ,weiche Drogeʻ [s. UA 15 Mitte], die bereits im reduzierten Strafrahmen Niederschlag gefunden hat), betreffen allein Wertungsfragen.“
Dem schließt sich der Senat an.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1350
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede