HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1392
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 166/24, Beschluss v. 09.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1392
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 20. Dezember 2023 im Schuldspruch dahin geändert, dass er in Fall II.2. der Urteilsgründe der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in Fall II.3. der Urteilsgründe der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen versuchter Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II.2. der Urteilsgründe) und in dem anderen Fall in Tateinheit mit Körperverletzung (Fall II.3. der Urteilsgründe), sowie wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt auf die Sachbeschwerde zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen teilweisen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. An der wirksamen Zustellung des Urteils bestehen keine Bedenken. Zwar enthält sowohl die unterschriebene Urteilsurschrift als auch die am 31. Januar 2024 dem Verteidiger zugestellte Ausfertigung im Rubrum als Urteilsdatum an Stelle des aus dem Hauptverhandlungsprotokoll hervorgehenden 20. Dezember 2023 den 12. Dezember 2023. Ein Berichtigungsbeschluss des Landgerichts liegt nicht vor. Indessen wird die Wirksamkeit der Zustellung dadurch nicht in Frage gestellt. Die in § 275 Abs. 3 StPO geforderten Angaben sollen dazu dienen, dass das Urteil ein in sich geschlossenes Ganzes bildet und nicht der Ergänzung aus dem Protokoll bedarf (BGH, Urteil vom 12. Mai 1989 - 3 StR 24/89, BGHR StPO § 345 Abs. 1 Fristbeginn 2; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 275 Rn. 27). Eine möglicherweise fehlerhafte Wiedergabe des Urteilsdatums, die gegebenenfalls auf offenkundigem Versehen beruht, stellt die Vollständigkeit des Urteils jedenfalls dann nicht in Frage, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger in der Hauptverhandlung sowie bei der prozessordnungsgemäßen Verkündung des Urteils zugegen waren und der Fehler in der Urteilsurkunde für alle Beteiligten damit ohne Weiteres ersichtlich ist. Durch ein solches Versehen kann der Angeklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beschwert sein.
Daher bedarf es der seitens des Generalbundesanwalts angeregten Berichtigung des Urteilsdatums durch das Revisionsgericht nicht.
2. Die Schuld- und Einzelstrafaussprüche in den Fällen II.1., II.4. und II.5. der Urteilsgründe halten sachlichrechtlicher Nachprüfung stand.
3. Dagegen bedürfen die Schuldsprüche in den Fällen II.2. und II.3. der Urteilsgründe - anders als die Aussprüche über die zugehörigen Einzelstrafen und die Gesamtstrafe - der Änderung.
a) Im Hinblick auf die genannten Fälle hat das Landgericht die nachfolgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
aa) Zwischen dem 15. Mai und dem 8. September 2022 besuchte der Angeklagte die Nebenklägerin, seine von ihm getrenntlebende Ehefrau, in deren Wohnung. Von ihm gewünschten Geschlechtsverkehr lehnte sie ab. Daraufhin würgte der Angeklagte sie in lebensgefährdender Weise, zerriss ihre Oberbekleidung und warf die Nebenklägerin rücklings auf die Couch. Sodann legte er sich auf die am Oberkörper unbekleidete Nebenklägerin, um den Geschlechtsverkehr auszuüben. Wegen des Hinzutretens ihres Sohnes nahm er von seinem Vorhaben Abstand (Fall II.2. der Urteilsgründe).
bb) Am 6. September 2022 verlangte der Angeklagte bei einer weiteren Gelegenheit Sex von der dieses Ansinnen ablehnenden Nebenklägerin; es gelang ihm trotz Anwendung körperlicher Gewalt nicht, seinen Penis in die Scheide der sich wehrenden Nebenklägerin einzuführen (Fall II.3. der Urteilsgründe).
cc) Das Landgericht hat beide Taten als versuchte Vergewaltigung, jeweils in Tateinheit mit - in Fall II.2. der Urteilsgründe gefährlicher - Köperverletzung gewertet und unter Ablehnung eines minder schweren Falles in Anwendung des nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB einfach gemilderten Strafrahmens des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten) auf Einzelstrafen von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten erkannt.
Eine nochmalige Strafrahmenverschiebung wegen des vertypten Strafmilderungsgrundes des Versuchs hat die Strafkammer nicht vorgenommen.
b) Danach hat der Angeklagte jeweils den Tatbestand der vollendeten sexuellen Nötigung nach § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB erfüllt, denn er vollzog an der Nebenklägerin sexuelle Handlungen und wendete zudem ihr gegenüber Gewalt an. Diese Tatvollendung muss im Schuldspruch zum Ausdruck kommen. Dass der Angeklagte gewaltsam den Geschlechtsverkehr ausüben wollte, dieses über die Vornahme sexueller Handlungen hinausgehende Ziel aber nicht erreichte, berechtigt nicht dazu, die Tat nur als Versuch zu bezeichnen. Für den Versuch der Verwirklichung des Regelbeispiels der Vergewaltigung ist neben dem vollendeten Grundtatbestand der sexuellen Nötigung im Schuldspruch kein Raum (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 1998 - 3 StR 204/98, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 10; vom 12. Oktober 2000 - 3 StR 185/00, juris; vom 7. Januar 2003 - 3 StR 425/02, BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 18; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 177 Rn. 183). Der Senat ändert die betroffenen Schuldsprüche entsprechend dahin, dass der Angeklagte in zwei Fällen der sexuellen Nötigung, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II.2. der Urteilsgründe) und in dem anderen Fall in Tateinheit mit Körperverletzung (Fall II.3. der Urteilsgründe), schuldig ist. Die Regelung des § 265 StPO steht dem jeweils nicht entgegen, weil sich der die Tatvorwürfe bestreitende Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
c) Die in den genannten Fällen verhängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe haben Bestand.
Zwar reicht der sich aus § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB nach Milderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB ergebende Strafrahmen von drei Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe, so dass sich hinsichtlich der Mindeststrafe eine Differenz von drei Monaten ergibt. Es ist jedoch angesichts der verhängten Einzelstrafen von jeweils zwei Jahren und sechs Monaten, die ersichtlich deutlich oberhalb der jeweiligen Mindeststrafdrohung angesiedelt sind, auszuschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des zutreffenden Strafrahmens auf mildere Einzelstrafen erkannt hätte. Die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe weist ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
4. Angesichts des geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1392
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede