HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1391
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 165/24, Beschluss v. 09.07.2024, HRRS 2024 Nr. 1391
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. Januar 2024
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass er des Handeltreibens mit Cannabis schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die allgemeine Verfahrens- und Sachrüge gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel hat mit der Beanstandung der Verletzung materiellen Rechts in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Generalbundesanwalt hat zur Begründung seines Antrags das Folgende ausgeführt:
„I. Der Schuldspruch bedarf der Korrektur.
1. Das zum 1. April 2024 in Kraft getretene Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (CanG, BGBl. I Nr. 109) hat Cannabisprodukte dem Anwendungsbereich des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) entzogen (BT-Drs. 20/8704, S. 185) und hierfür eigene Regelwerke geschaffen; das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG; BGBl. I Nr. 109) sowie das Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken (MedCanG; BGBl. I Nr. 109). Um diesen gesetzgeberischen Vorgang kenntlich zu machen und darüber hinaus den Anforderungen des § 260 Abs. 4 StPO gerecht zu werden, sind die abgeurteilten Taten mangels Vorliegens einer Übergangsvorschrift neu zu bezeichnen, sofern die neue Regelung für den Angeklagten - wie hier - günstiger i.S.d. § 2 Abs. 3 StGB (§ 354 Abs. 1, § 354a StPO) ist. Die Ermittlung des mildesten Gesetzes erfolgt durch einen im konkreten Einzelfall vorzunehmenden Vergleich der nach beiden Gesetzen zulässigen Hauptstrafen (vgl. BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, 60. Ed. 1.2.2024, StGB § 2 Rn. 5; LK/Dannecker/Schuhr, 13. Auflage 2020, § 2 StGB Rn. 134).
Hieran gemessen ist vorliegend das Konsumcannabisgesetz das mildere Gesetz i.S.d. § 2 Abs. 3 StGB. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verurteilt und bei seiner Entscheidung den Regelstrafrahmen - einen minder schweren Fall i.S.v. § 29a Abs. 2 BtMG hat es abgelehnt - zu Grunde gelegt (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis 15 Jahre). Demgegenüber erweist sich das KCanG selbst bei Annahme eines besonders schweren Falles iSv § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren) als deutlich milder.
2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe bedarf der Schuldspruch im beantragten Umfang der Korrektur.
Der Angeklagte ist mithin des Handeltreibens mit Cannabis schuldig. Das Überschreiten der nicht geringen Menge - mit Beschluss vom 18. April 2024 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge Tetrahydrocannabinol auch im Anwendungsbereich des KCanG bei 7,5 Gramm verbleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24, juris) - wurde im Fall des Handeltreibens gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG zum Regelbeispiel herabgestuft, weshalb dies nach allgemeiner Dogmatik im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (vgl. hierzu etwa BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 5 StR 439/05, juris Rn. 2).
II. Der Strafausspruch kann indes keinen Bestand haben.
Die Kammer hat - seinerzeit zutreffend - ihrer Entscheidung den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (ein Jahr bis 15 Jahre Freiheitsstrafe) zugrunde gelegt, der durch das am 1. April 2024 in Kraft getretene KCanG allerdings keine Anwendung mehr für Straftaten findet, die den Umgang mit Cannabisprodukten betreffen (s.o. I.1.). Demgegenüber sieht § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG - ein Entfallen der Regelwirkung liegt angesichts der erheblichen Überschreitung der nicht geringen Menge nicht nahe - einen Strafrahmen für besonders schwere Fälle von drei Monaten Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.
In Anbetracht der erheblich divergierenden Strafrahmen kann nicht ausgeschlossen werden (§ 337 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht bei Anwendung des Strafrahmens aus § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG eine niedrigere Strafe verhängt hätte. Die Feststellungen können jedoch bestehen bleiben; Erwägungen, die unter Geltung des KCanG nicht mehr ohne Weiteres Berücksichtigung finden können (wie die Einordnung als sog. ,weiche Drogeʻ [s. UA S. 22 unten], die bereits im erheblich reduzierten Strafrahmen Niederschlag gefunden hat), betreffen allein Wertungsfragen.“
Dem schließt sich der Senat an.
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 1391
Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede