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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 996

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 139/24, Beschluss v. 29.05.2024, HRRS 2024 Nr. 996


BGH 3 StR 139/24 - Beschluss vom 29. Mai 2024 (LG Wuppertal)

Betäubungsmittelstrafrecht; Strafvorschriften nach dem BtMG; Strafvorschriften nach dem KCanG (Konkurrenzen); zeitliche Geltung von Strafgesetzen (lex mitior; milderes Gesetz).

§ 29 BtMG; § 34 KCanG; § 2 Abs. 3 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 30. November 2023, soweit es sie betrifft,

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Anbau von Cannabispflanzen und mit Besitz von Cannabis schuldig sind;

b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen sowie den Angeklagten P. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten und den Angeklagten Pre. zu einer solchen von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen betrieben beide Angeklagte eine bereits eingerichtete Cannabisplantage für unbekannt gebliebene Hintermänner, der Angeklagte P. von Februar 2023 bis zur Durchsuchung am 23. Mai 2023 und der Angeklagte Pr. seit Ende März 2023. Im Zeitpunkt der Durchsuchung waren die - noch nicht erntereifen - insgesamt 361 Pflanzen ca. 66-80 cm hoch mit einem Gesamtgewicht von 6.144 g und einer Wirkstoffmenge von 157,6 g THC. Die Angeklagten verfügten zudem in der Wohnung, in der sich die Plantage befand, über 18,9 kg Cannabiskraut in acht schwarzen Säcken mit einer Wirkstoffmenge von 3.232 g THC und eine Loseblattsammlung getrockneten Marihuanas mit einer Wirkstoffmenge von 50,3 g THC. Die Rauschmittel waren ausschließlich zum gewinnbringenden Verkauf vorgesehen.

2. Während die Feststellungen ohne Rechtsfehler getroffen sind, ist der Schuldspruch infolge einer Gesetzesänderung nach Urteilsverkündung zu ändern. Dies zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich.

a) Nach Einführung des mit Wirkung vom 1. April 2024 geltenden Straftatbestandes in § 34 Abs. 1 KCanG durch das Cannabisgesetz vom 27. März 2024 (BGBl. I Nr. 109), welches der Senat nach § 354a StPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat, sind die Angeklagten statt einer Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge einer Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Anbau von Cannabispflanzen und mit Besitz von Cannabis schuldig.

aa) Hinsichtlich der 361 Cannabispflanzen steht der Tatbestand des Anbaus von Cannabispflanzen (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 2 Abs. 1 Nr. 2 KCanG) in Tateinheit zu der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis. Ist beim Handeltreiben nur eine Beihilfe verwirklicht, besteht Tateinheit mit einer täterschaftlich begangenen anderen Begehungsweise, da eine bloße Verurteilung wegen Beihilfe (zum Handeltreiben) den Unrechtsgehalt der Tat nicht ausschöpfen würde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. März 1993 - 4 StR 69/93, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 36; vom 16. Juli 2013 - 4 StR 144/13, NStZ 2014, 163; vom 8. Mai 2018 - 2 StR 130/18, juris Rn. 9 jeweils zur Begehungsweise des Besitzes; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 859, 1402). Insoweit hat sich die konkurrenzrechtliche Bewertung gegenüber der bisherigen Rechtslage nicht geändert (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24, juris Rn. 5).

Der zugleich verwirklichte Besitz von Cannabis tritt hinter den Tatbestand des Anbaus zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 1990 - 1 StR 708/89, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Anbau 1; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 120 jeweils zu § 29 BtMG). Vor dem Hintergrund, dass § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht in das Konsumcannabisgesetz übernommen wurde, die nicht geringe Menge in § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Buchst. b KCanG vielmehr nunmehr als Regelbeispiel ausgestaltet ist, findet die Rechtsprechung, dass der Besitz, wenn er nicht geringe Mengen von Betäubungsmitteln umfasst, den einfachen Anbau verdrängt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2011 - 5 StR 555/10, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 6 Rn. 12; Urteile vom 16. Oktober 2014 - 3 StR 268/14, NStZ-RR 2015, 14, 15; vom 13. September 2017 - 2 StR 238/16, NStZ 2018, 226, 227; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 120), auf Straftaten, die Cannabis betreffen, keine Anwendung mehr.

bb) In Bezug auf das in den acht schwarzen Säcken befindliche Cannabiskraut und die Loseblattsammlung getrockneten Marihuanas haben sich die Angeklagten, da die Menge von 60 g Cannabis eindeutig überschritten ist, wegen Besitzes von Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG strafbar gemacht. Dieser Besitz steht in Tateinheit zu den anderen Straftaten nach dem Konsumcannabisgesetz. Da es sich um andere Rauschmittel handelt und eine Strafbarkeit wegen Anbaus nicht gegeben ist, tritt insoweit der Besitz nicht hinter den Tatbestand des Anbaus zurück.

b) Die in dem Konsumcannabisgesetz geregelten Straftatbestände der Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis, des Anbaus von Cannabispflanzen und des Besitzes von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 KCanG) stellen auch unter Berücksichtigung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle (§ 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG) die im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB gegenüber § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG mildere und daher für die Revisionsentscheidung nach § 354a StPO maßgebliche Regelung dar.

Der Senat kann den Schuldspruch auch mit Blick auf § 265 StPO entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ändern, weil sich die Angeklagten bei einem gerichtlichen Hinweis nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

c) Die Änderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge, da der nach § 34 Abs. 1 und 3 KCanG in Betracht kommende Strafrahmen deutlich geringer als der vom Landgericht zugrunde gelegte Rahmen des § 29a Abs. 1 BtMG und nicht auszuschließen ist, dass es bei Anwendung des nunmehr geltenden Rechts auf niedrigere Strafen erkannt hätte.

d) Die zur Urteilsaufhebung führenden Gesichtspunkte berühren nicht die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die bestehen bleiben können (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich.

3. Für die der neuen Hauptverhandlung vorbehaltene Strafzumessung weist der Senat darauf hin, dass eine nicht geringe Menge im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG ab 7,5 Gramm THC anzunehmen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24, juris Rn. 7; vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24, juris Rn. 11; vom 30. April 2024 - 6 StR 164/24, juris Rn. 6).

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 996

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede