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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 127

Bearbeiter: Fabian Afshar

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 310/23, Beschluss v. 30.11.2023, HRRS 2024 Nr. 127


BGH 3 StR 310/23 - Beschluss vom 30. November 2023 (LG Trier)

Sexualstrafrecht (Fehler bei Berechnung der Anzahl der Taten).

§ 174 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 24. Mai 2023

a) aufgehoben und der Angeklagte freigesprochen, soweit er in den Fällen II. 538 bis 547 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verurteilt worden ist; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 907 Fällen, davon in 172 Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und in weiteren 18 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 917 Fällen, davon in 172 Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und in weiteren 18 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie Führungsaufsicht angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I. Das Urteil ist aufzuheben und der Angeklagte freizusprechen, soweit er in den Fällen II. 538 bis 547 der Urteilsgründe wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verurteilt worden ist. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:

„1. … Allerdings ist der Strafkammer hinsichtlich der Fälle 1 bis 547 (UA Bl. 6) im Zeitraum 7. Oktober 2011 bis 6. Oktober 2014 bei der Berechnung der Anzahl der Taten ein Fehler unterlaufen. In diesen Fällen kam es in dem festgestellten Zeitraum ausweislich der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen jeden zweiten Tag zu sexuellen Handlungen zum Nachteil der Nebenklägerin F. (UA Bl. 15). Ausgehend von dem dreijährigen Tatzeitraum und einer Anzahl von 365 Tagen pro Jahr gelangt man (unter Nichtberücksichtigung dessen, dass das Jahr 2012 ein Schaltjahr war) zwar auf die angenommenen 547 Taten. Jedoch wurden hinsichtlich des Zeitraums zwischen dem 13. und 14. Geburtstag der Nebenklägerin ‚lediglich‘ 172 Fälle angeklagt, weshalb die Strafkammer - wie sie ausdrücklich dargelegt hat - auch nur von 172 statt von 182 Taten in diesem Zeitraum ausgegangen ist (UA Bl. 15). Ab dem 7. Oktober 2012, dem 14. Geburtstag der Nebenklägerin, bis zum Ablauf des 6. Oktober 2014 sind 730 Tage verstrichen. Ausgehend von sexuellen Handlungen an jedem zweiten Tag ergeben sich 365 Taten, mithin insgesamt in dem genannten dreijährigen Tatzeitraum nicht 547, sondern 537 Taten. Dass die Strafkammer davon ausgegangen sein könnte, ab dem 14. Lebensjahr der Nebenklägerin hätte sich die Tatfrequenz erhöht, ist den Urteilsgründen auch in ihrem Gesamtzusammenhang nicht zu entnehmen. Die Annahme von insgesamt 917 statt 907 Fällen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen ist daher nicht tragfähig belegt.

2. Der Schuldspruch bedarf daher teilweise der Aufhebung und Änderung.

a) Es kann ausgeschlossen werden, dass das Tatgericht, wäre ihm der Fehler bei der Berechnung der Anzahl der Taten nicht unterlaufen - ausgehend von seinen nicht zu beanstandenden Erwägungen zu den Tatfrequenzen in den jeweiligen Tatzeiträumen (s.o.) - zu einer höheren Gesamtanzahl an Taten gelangt wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 5 StR 551/00). Das Urteil ist daher aufzuheben, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 538 bis 547 wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verurteilt wurde und der Angeklagte insoweit freizusprechen (vgl. KK-StPO/Gericke, 9. Aufl. 2023, StPO § 354 Rn. 3 ff.; BeckOK StPO/Wiedner § 354 Rn. 9 ff.). Der Schuldspruch ist hierdurch bedingt dahin zu ändern, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 907 Fällen, davon in 172 Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und in weiteren 18 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen schuldig ist.

b) Im Übrigen hält der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung stand (UA Bl. 17 ff.).“

Dem schließt sich der Senat an.

II. Der Teilfreispruch zieht den Wegfall der für die Fälle II. 538 bis 547 verhängten Einzelfreiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren nach sich. Angesichts der Vielzahl der verbliebenen gleichförmigen Taten ist auszuschließen, dass dies Einfluss auf die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe hätte haben können, so dass diese bestehen bleiben kann.

III. Im Übrigen hat die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 127

Bearbeiter: Fabian Afshar