hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1212

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 270/22, Beschluss v. 05.10.2022, HRRS 2022 Nr. 1212


BGH 3 StR 270/22 - Beschluss vom 5. Oktober 2022 (LG Oldenburg)

Strafrahmen bei minder schwerem Fall der bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Sperrwirkung; Strafrahmenobergrenze; Strafrahmenuntergrenze); Erledigung des Vorwegvollzugs durch erlittene Untersuchungshaft.

§ 30a Abs. 3 BtMG; § 30 BtMG; § 67 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 13. Dezember 2021 dahin geändert, dass die ihn betreffende Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel entfällt.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten B. und die Revisionen der übrigen Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.

3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen unterschiedlicher Betäubungsmitteldelikte und teilweise anderer Straftaten zu Gesamtfreiheitsstrafen von zwei Jahren und sieben Monaten bis zu neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat Einziehungsentscheidungen getroffen, die Unterbringung des Angeklagten B. in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass von der gegen ihn verhängten Gesamtfreiheitsstrafe ein Monat vor der Maßregel zu vollziehen ist. Die Angeklagten beanstanden mit ihren Revisionen die Verletzung sachlichen Rechts, teils auch - ohne weitere Ausführungen - von Verfahrensrecht. Das Rechtsmittel des Angeklagten B. hat lediglich insofern Erfolg, als der Ausspruch über den Vorwegvollzug entfällt. Im Übrigen ist es ebenso wie die Revisionen der weiteren Angeklagten unbegründet.

1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat, von der Anordnung des Vorwegvollzugs abgesehen, keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten ergeben.

Dies gilt im Ergebnis auch, soweit das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten aller Angeklagter herangezogen hat, dass die Betäubungsmittel - abgesehen von den bei einer bestimmten Tat erworbenen - in den Verkehr gelangten. Die Erwägung ist zwar insofern bedenklich, als dieser Umstand den Normalfall des Handeltreibens darstellt (s. BGH, Urteil vom 3. August 2022 - 5 StR 203/22, juris Rn. 10 mwN). Indes ist angesichts der weiteren Ausführungen auszuschließen, dass die Strafen hierauf beruhen. Das Landgericht hat mehrere gewichtige Umstände bedacht und sich maßgeblich davon leiten lassen, dass die jeweils betroffenen Mengen - zwischen einem Kilogramm Kokain und 85 Kilogramm Marihuana - die nicht geringe Menge um ein Vielfaches überschritten.

Im Ergebnis ebenso ohne Folge für das Urteil ist geblieben, dass die Strafkammer bei dem Angeklagten B. hinsichtlich der bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat zu B. II. 1 der Urteilsgründe) einen unzutreffenden Strafrahmen angenommen hat. Bei einem minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG kommt dem hinter die bandenmäßige Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) zurücktretenden Tatbestand der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG eine Sperrwirkung lediglich hinsichtlich der Unter-, nicht auch der Obergrenze des Strafrahmens zu (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 4 StR 302/13, juris Rn. 7 mwN; Beschluss vom 1. September 2020 - 3 StR 469/19, BGHR BtMG § 30a Strafzumessung 5 Rn. 5). Dieser reicht also von zwei bis zehn, nicht von zwei bis 15 Jahren. Allerdings ist die insoweit unzutreffende Obergrenze bei der Einzelstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten ersichtlich ohne Belang gewesen.

2. Die den Angeklagten B. betreffende Anordnung, dass von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe ein Monat vor der Maßregel zu vollziehen ist, hat zu entfallen. Ein Vorwegvollzug nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB unterbleibt, wenn sich dieser - wie hier - zum Urteilszeitpunkt durch die von dem Angeklagten seit seiner Festnahme erlittene Untersuchungshaft bereits vollständig erledigt hat (s. BGH, Beschluss vom 6. März 2019 - 3 StR 594/18, juris Rn. 3 mwN).

3. Der Angeklagte B. hat ebenso wie die übrigen Angeklagten die Kosten seiner Revision zu tragen, da dies angesichts des lediglich geringen Erfolges seines Rechtsmittels nicht unbillig ist (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 1212

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede