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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 902

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 193/22, Beschluss v. 26.07.2022, HRRS 2022 Nr. 902


BGH 3 StR 193/22 - Beschluss vom 26. Juli 2022 (LG Duisburg)

Amphetamin als Betäubungsmittel von mittlerer Gefährlichkeit; Einziehung.

§ 29 BtMG; § 73 StGB; § 74 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 13. Dezember 2021 aufgehoben, soweit

1.795,01 Gramm Cannabiskraut, 52,45 Gramm Kokainzubereitung und eine Flasche mit 779,73 Gramm Amphetaminöl eingezogen worden sind, die Einziehung dieser Gegenstände entfällt;

die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von mehr als 21.600 € angeordnet worden ist; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung des Ausspruchs über die Einziehung des Wertes von Taterträgen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat die Strafkammer die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel und des Wertes von Taterträgen angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die nicht ausgeführte allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf insofern nur das Folgende:

Die Strafkammer hat sowohl bei der Prüfung des Vorliegens minder schwerer Fälle im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne schulderhöhend gewertet, dass es sich bei dem tatgegenständlichen Amphetamin um „ein jedenfalls nicht unterdurchschnittlich gefährliches Betäubungsmittel“ handelte. Diese Erwägung stößt auf rechtliche Bedenken. Denn Amphetamin ist ein Betäubungsmittel von mittlerer Gefährlichkeit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2022 - 1 StR 83/22, juris Rn. 4; vom 18. März 2019 - 5 StR 462/18, juris; vom 14. August 2018 - 1 StR 323/18, StV 2019, 339 Rn. 4; vom 23. Januar 2018 - 3 StR 586/17, juris Rn. 5; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 943, 946). Damit aber darf der Art des Betäubungsmittels bei Amphetamin für sich genommen keine schulderhöhende Wirkung beigemessen werden (BGH, Beschlüsse vom 18. März 2019 - 5 StR 462/18, juris; vom 23. Januar 2018 - 3 StR 586/17, juris Rn. 5; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1801; Weber/Kornprobst/ Maier, BtMG, 6. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 797, 945). Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil aber nicht. Angesichts der übrigen Strafzumessungserwägungen, der festgesetzten Einzelstrafen und der Höhe der Gesamtstrafe ist auszuschließen, dass die Strafkammer geringere Einzelstrafen und eine niedrigere Gesamtstrafe verhängt hätte, wenn sie den Umstand, dass die Taten Amphetamin betrafen, nicht als schulderhöhend angesehen hätte.

2. Die Einziehungsentscheidungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

a) Die Einziehung von 1.795,01 Gramm Cannabiskraut, 52,45 Gramm Kokainzubereitung und einer Flasche mit 779,73 Gramm Amphetaminöl hat zu entfallen. Denn nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurden diese Betäubungsmittel zwar anlässlich von Durchsuchungen der Wohnung des Angeklagten in dieser aufgefunden und sichergestellt. Sie standen jedoch in keinem Bezug zu den verfahrensgegenständlichen Taten; diese hatten den Transport von anderen Betäubungsmitteln durch den Angeklagten als Kurier für einen Dritten zum Gegenstand. Damit kommt eine Einziehung der vorgenannten Betäubungsmittel gemäß § 74 Abs. 2 StGB i.V.m. § 33 Satz 1 BtMG nicht in Betracht, weil sie keine Tatobjekte der abgeurteilten Taten waren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Mai 2022 - 3 StR 122/22, juris Rn. 27; vom 2. November 2021 - 3 StR 324/21, juris Rn. 5; vom 27. Januar 2021 - 3 StR 471/20, juris Rn. 4). Eine Einziehung im vorliegenden Verfahren nach § 76a StGB scheidet schon mangels eines hierauf gerichteten Antrags der Staatsanwaltschaft (§ 435 Abs. 1 StPO) 4 5 aus (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - 1 StR 83/21, NStZ 2022, 95 Rn. 17 mwN; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 33 Rn. 452).

b) Die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen ist, soweit diese in Höhe von mehr als 21.600 € angeordnet worden ist, nicht tragfähig begründet.

aa) Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte im Rahmen seiner Kuriertätigkeit Betäubungsmittel an einen Käufer lieferte und im Gegenzug die Kaufpreise in Höhe von insgesamt 21.600 € entgegennahm. Diese kehrte er an seinen Hintermann aus, der ihn jeweils direkt bei der Übergabe entlohnte. Insgesamt bekam der Angeklagte für seine Kurierfahrten von seinem Auftraggeber 3.300 €, wobei ihm ein Anteil in Höhe von 500 € mit der ausdrücklichen Bestimmung übergeben wurde, dieser solle der Erstattung von Auslagen für die Anmietung eines Kurierfahrzeuges dienen. Die Strafkammer ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte mit dem von ihm vereinnahmten Entgelt für die Betäubungsmittel in Höhe von 21.600 € sowie dem als Tatlohn und Auslagenerstattung erhaltenen Betrag in Höhe von 3.300 € insgesamt 24.900 € durch die urteilsgegenständlichen Taten erlangte. Dementsprechend hat sie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in dieser Höhe angeordnet, davon im Hinblick darauf, dass der Angeklagte das Entgelt für die übergebenen Betäubungsmittel an seinen Hintermann auskehrte, in Höhe von 21.600 € als Gesamtschuldner.

bb) Während die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 21.600 € keinen rechtlichen Bedenken unterliegt, hält die darüber hinausgehende Einziehung des als Tatlohn und Auslagenerstattung erlangten Betrages in Höhe von insgesamt 3.300 € der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Da der Angeklagte seinen Kurierlohn und die Auslagenerstattung jeweils nach der Ablieferung vereinnahmten Entgelts erhielt, liegt es nicht fern, dass er von seinem Auftraggeber aus dem Taterlös entlohnt wurde, den er diesem zuvor als vereinnahmtes Entgelt aus dem Betäubungsmittelverkauf übergeben hatte. In diesem Fall schiede eine Wertersatzeinziehung in Höhe des Kurierlohns und der Auslagenerstattung aus, weil es ansonsten zu einer nicht statthaften doppelten Abschöpfung vom Angeklagten im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangter Vermögenswerte käme (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 - 5 StR 130/19, juris Rn. 11; Beschluss vom 21. August 2018 - 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20 Rn. 15). Da die Urteilsgründe sich zu dieser Frage nicht verhalten, sind sie insofern durchgreifend lückenhaft. Soweit die Strafkammer die Einziehung des Wertes von Taterträgen hinsichtlich des vom Angeklagten erlangten Kurierlohns und der Auslagenerstattung in Höhe von zusammen 3.300 € angeordnet hat, bedarf die Sache daher der neuen Verhandlung und Entscheidung. Die bislang zur Wertersatzeinziehung getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO), weil sie lediglich zu ergänzen sind.

Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht wird gegebenenfalls zu prüfen haben, ob es sich bei der Auslagenerstattung in Höhe von 500 € um Spesengeld handelte, das kein für die Tat erlangter Tatertrag im Sinne des § 73 Abs. 1 Alternative 2 StGB (vgl. insofern BGH, Beschlüsse vom 9. November 2006 - 5 StR 453/06, NStZ 2007, 150; vom 12. Juli 2011 - 4 StR 278/11, juris Rn. 3), sondern Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 Alternative 2 StGB war (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2021 - 3 StR 131/21, juris Rn. 16 mwN; Beschlüsse vom 5. Juli 2012 - 3 StR 210/12, NStZ-RR 2012, 313, 314; Beschluss vom 23. Juli 2002 - 3 StR 240/02, BGHR StGB § 73 Erlangtes 3; s. auch BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - 2 StR 444/21, juris Rn. 21 f.; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 33 Rn. 62 f.; MüKoStGB/Nobis, 4. Aufl., § 3 BtMG Rn. 27). Sollte es sich bei den 500 € um Tatmittel gehandelt haben, käme eine Wertersatzeinziehung nur unter den - gegenüber § 73c StGB engeren - Voraussetzungen des § 74c Abs. 1 StGB in Betracht (s. hierzu BGH, 9 Urteil vom 18. November 2021 - 3 StR 131/21, juris Rn. 17; Beschluss vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 29 f.) und stünde die Entscheidung zudem im Ermessen des Tatgerichts.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 902

Bearbeiter: Christian Becker