HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 439
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 37/21, Beschluss v. 09.03.2021, HRRS 2021 Nr. 439
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 4. November 2020 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es den Anrechnungsmaßstab für eine in Spanien erlittene Auslieferungshaft festgelegt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.200 € angeordnet. Der Angeklagte wendet sich mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision gegen die Verurteilung. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Näherer Ausführungen bedarf allein die Bildung der Gesamtstrafe.
1. Das Landgericht hat für die beiden abgeurteilten Taten Einzelstrafen von sechs Jahren und sechs Monaten sowie fünf Jahren und sechs Monaten festgesetzt. Bei der Bemessung der Gesamtstrafe hat es berücksichtigt, dass der Angeklagte in Spanien aufgrund eines nach den hiesigen Taten begangenen Delikts zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe sowie einem „Bußgeld“ von 310.961,20 € „mit persönlicher Ersatzhaftung von 4 Monaten Freiheitsentzug im Falle der Nichtzahlung“ verurteilt worden war und die Gefängnisstrafe ebenso wie die „Ersatzfreiheitsstrafe“ in Spanien verbüßt hatte. Um die Härte auszugleichen, die sich aus der fehlenden Einbeziehungsmöglichkeit der spanischen Strafe in die Gesamtstrafe ergibt, hat die Strafkammer mit der ausländischen Strafe eine fiktive Gesamtstrafe von sieben Jahren gebildet und davon die in Spanien verbüßte Strafe, nicht aber zusätzlich den Freiheitsentzug von vier Monaten abgezogen.
2. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht bei der Bildung der fiktiven Gesamtstrafe und deren Reduzierung um die im Ausland verbüßte Haft den weiteren Freiheitsentzug von vier Monaten nicht mitberücksichtigt hat. Hierfür kann dahinstehen, inwieweit der Härteausgleich die Bildung einer fiktiven Gesamtstrafe oder eine sonstige konkrete Bezifferung des Nachteils erfordert (so - nicht tragend - BGH, Beschluss vom 23. April 2020 - 1 StR 15/20, BGHSt 65, 5 Rn. 18 ff.; demgegenüber unter Hinweis auf den zuvor von der Rechtsprechung praktizierten Härteausgleich BT-Drucks. 16/13673 S. 5). Denn selbst bei Beachtung dieser von der Strafkammer herangezogenen Maßstäbe ist die (weitere) Reduzierung der Gesamtstrafe um die anstelle des Bußgeldes vollzogene Haft nicht geboten.
Der Rahmenbeschluss 2008/675/JI des Rates vom 24. Juli 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren (ABl. L 220 S. 32 ff.), auf den das Gebot zu einer konkreten Bemessung des Härteausgleichs gestützt wird (s. BGH, Beschluss vom 23. April 2020 - 1 StR 15/20, BGHSt 65, 5 Rn. 18 ff.), geht nach seinem fünften und sechsten Erwägungsgrund davon aus, dass in anderen Mitgliedstaaten ergangene frühere Verurteilungen nur in dem Maße berücksichtigt werden müssen „wie im Inland nach innerstaatlichem Recht ergangene Verurteilungen“ und dass keine Verpflichtung zur Berücksichtigung besteht, „wenn die früher verhängte Sanktion dem innerstaatlichen Rechtssystem unbekannt ist“ (vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 5. Juli 2018 - C-390/16 - Lada - juris Rn. 42 f.). Da eine ausländische Strafe so zu berücksichtigen ist, wie sie von dem EU-Mitgliedstaat verhängt wurde, kommt eine - wie auch immer ausgestaltete - Transformation in das deutsche Recht nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2020 - 1 StR 15/20, BGHSt 65, 5 Rn. 27; s. allerdings zur Möglichkeit, eine frühere Entscheidung mit gleichwertigen Rechtswirkungen zu versehen, EuGH, Urteil vom 5. Juli 2018 - C-390/16 - Lada - juris Rn. 40 f., 44).
Demgemäß hat es bei der hypothetischen Gesamtstrafenbildung keiner Einbeziehung der „Geldbuße“ bedurft. Eine solche Rechtsfolge, die neben eine Freiheitsstrafe und an deren Stelle gegebenenfalls Freiheitsentzug tritt, sieht das deutsche Recht nicht vor. Im Übrigen ergäbe selbst eine Angleichung an die innerstaatliche Systematik keine Berücksichtigungspflicht. Zwar kann gemäß §§ 41, 43 StGB unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise eine Geldstrafe neben Freiheitsstrafe verhängt und im Folgenden eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. Mai 2020 - 5 StR 603/19, NStZ-RR 2020, 239 mwN). Allerdings erschließt sich angesichts der Höhe des festgesetzten Geldbetrages nicht, dass es sich um eine solche schuldbezogene Hauptstrafe handelt. Vielmehr kann stattdessen eine Zahlungspflicht neben einer Freiheitsstrafe eine Einziehungsentscheidung (§§ 73 ff. StGB) oder eine im deutschen Recht so nicht normierte Nebenstrafe oder Nebenfolge darstellen. In allen Fällen müsste die Sanktion nicht ohne weiteres in eine Gesamtfreiheitsstrafe einfließen. Während bei einer Geldstrafe gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 StGB eine Einbeziehung immerhin grundsätzlich möglich wäre (s. dazu BGH, Urteil vom 8. September 1992 - 1 StR 118/92, NJW 1993, 408, 409; OLG Celle, Beschluss vom 13. März 2013 - 32 Ss 41/13, juris Rn. 48 ff.), scheidet eine solche bei einer Maßnahme der Einziehung ebenso wie bei anderen - auch freiheitsentziehenden - Maßnahmen, Nebenstrafen oder Nebenfolgen aus (§ 55 Abs. 2 StGB); diese sind prinzipiell gesondert aufrechtzuerhalten.
Insgesamt hat danach das Landgericht der Härte, die mit der früheren Verurteilung sowie deren nicht möglicher Einbeziehung in die Gesamtstrafe einhergeht, durch das gewählte Vorgehen ausreichend Rechnung getragen.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 439
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 154
Bearbeiter: Christian Becker