HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 216
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 200/21, Beschluss v. 16.11.2021, HRRS 2022 Nr. 216
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 8. Juli 2020
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;
in den Aussprüchen über die Einzelstrafe in den Fällen II. 2.3 bis II. 2.5 der Urteilsgründe sowie über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen bestehen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ?in nicht geringer Menge? in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle II. 2.3 bis II. 2.5 der Urteilsgründe), wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle II. 2.1 und 2.2 der Urteilsgründe) und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II. 1 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Bewertung des konkurrenzrechtlichen Verhältnisses der drei Betäubungsmitteltaten in den Fällen II. 2.3 bis 2.5 der Urteilsgründe hält materiellrechtlicher Überprüfung nicht stand. Diese bilden eine Bewertungseinheit und damit eine einheitliche Tat im Rechtssinne.
Eine Bewertungseinheit kommt nicht nur in Betracht, wenn die Betäubungsmittel aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 2 StR 619/07, NStZ 2008, 470), sondern auch dann, wenn Drogen aus verschiedenen Erwerbsvorgängen zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint werden (BGH, Beschlüsse vom 24. Januar 2017 - 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712; vom 11. Januar 2012 - 5 StR 445/11, NStZ-RR 2012, 121, 122; vom 28. Juli 2011 - 3 StR 485/10, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Konkurrenzen 11).
So liegt der Fall hier. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte zum einen 250 Gramm Marihuana Mitte Februar 2019 (Fall II. 2.3 der Urteilsgründe) und zum anderen 10 g Kokain zwischen dem 15. und 17. Februar 2019 (Fall II. 2.4 der Urteilsgründe). Beide Mengen bot er im selben Café zum Verkauf an und nahm die nicht verkauften Restmengen an Marihuana und Kokain schließlich im März 2019 mit in seine Wohnung, in der sich auch ein Teleskopschlagstock und ein funktionsfähiger Elektroschocker befanden. Nach den Gesamtumständen führte der Angeklagte somit beide getrennt erworbenen Betäubungsmittel zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat zusammen und verband sie zu einer Bewertungseinheit.
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend (§ 354 Abs. 1 StPO anlog). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der geständige Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
2. Der Ausspruch über die Einzelstrafe betreffend die Fälle II. 2.3 bis II. 2.5 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer nach Annahme eines minder schweren Falles des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 3 BtMG dem - ebenfalls rechtsfehlerfrei nicht gemilderten - Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG eine umfassende Sperrwirkung zugesprochen. Nach inzwischen einhelliger Auffassung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs erstreckt sich die Sperrwirkung jedoch lediglich auf die Strafrahmenuntergrenze des § 29a Abs. 1 BtMG, nicht aber auf dessen Obergrenze (BGH, Beschlüsse vom 1. September 2020 - 3 StR 469/19, NJW 2021, 175 Rn. 5; vom 7. November 2017 - 1 StR 515/17, juris Rn. 3; vom 14. August 2013 - 2 StR 143/13, juris; vom 26. September 2019 - 4 StR 133/19, juris Rn. 7; Urteil vom 12. Februar 2015 - 5 StR 536/14, juris Rn. 5; jeweils mwN). Es ist nicht auszuschließen, dass die Festsetzung der Einzelstrafe von vier Jahren und sechs Monaten auf der fehlerhaften Annahme einer Strafrahmenobergrenze von 15 Jahren gemäß § 29a Abs. 1 BtMG statt zehn Jahren gemäß § 30a Abs. 3 BtMG beruht.
Die Aufhebung der genannten Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Hiervon unberührt bleiben die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind möglich.
HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 216
Externe Fundstellen: StV 2022, 588
Bearbeiter: Christian Becker