HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 770
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 51/20, Beschluss v. 28.04.2020, HRRS 2020 Nr. 770
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 4. September 2019 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des versuchten Mordes in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, schuldig ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der näheren Erörterung bedarf nur die vom Generalbundesanwalt beantragte Schuldspruchänderung in dem unter Ziff. II.2. der Urteilsgründe festgestellten Fall (im Folgenden: Fall 1). Hierzu hat er in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Indes tragen die Urteilsgründe im Fall 1 den Schuldspruch der tateinheitlich verwirklichten gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht. Das Urteil enthält keine Feststellungen zur Dauer und Stärke des Einwirkens mit dem Kissen auf das Gesicht der Geschädigten. Diesen Aspekten kommt beim Würgen und anderen Formen der Einwirkung auf die Fähigkeit des Opfers zu atmen jedoch entscheidende Bedeutung für die Bewertung zu, ob die Körperverletzungshandlung unter den konkreten Umständen generell geeignet ist, den Tod des Opfers herbeizuführen (BGHR StGB § 223a Abs. 1 Lebensgefährdung 7, 8; BGH Beschlüsse vom 10. April 2013 - 1 StR 112/13 und vom 12. März 2013 - 4 StR 42/13).“
Dem verschließt sich der Senat nicht. Er schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch weitergehende Feststellungen zu den konkreten Umständen des Falles getroffen werden können, die die Annahme einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB rechtfertigen könnten. Der Schuldspruch war daher wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich im Fall 1 auf versuchten Mord in Tateinheit mit Körperverletzung umzustellen.
Der Schuldspruchänderung steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der Generalbundesanwalt hat das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nach § 230 Abs. 1 StGB bejaht.
2. Der Strafausspruch wird von der Schuldspruchänderung nicht berührt. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„Das Landgericht hat zwar die tateinheitliche Verwirklichung der gefährlichen Körperverletzung als bestimmenden Strafschärfungsgesichtspunkt berücksichtigt. Aufgrund der Orientierung am unteren Strafrahmen und der Überschreitung dessen um lediglich drei Monate wird mit Blick auf die tateinheitlich verwirklichte Körperverletzung nach § 223 StGB auszuschließen sein, dass die Kammer ohne den Rechtsfehler zu einer noch milderen Einzelstrafe gelangt wäre.“
Dem stimmt der Senat zu.
3. Der geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 770
Bearbeiter: Christian Becker