HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 437
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 306/20, Beschluss v. 27.01.2021, HRRS 2021 Nr. 437
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Kammergerichts vom 24. Januar 2020 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Kammergericht hat den Angeklagten wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit Vorbereitung eines Explosionsverbrechens zu der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt.
Die durch die Sachrüge des Angeklagten veranlasste Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil aufgedeckt.
Der Strafsenat hat rechtsfehlerfrei die folgenden Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte war spätestens seit 2012 Anhänger eines radikalislamistischen Salafismus und befürwortete die terroristischen Aktivitäten der ausländischen terroristischen Vereinigung ISIS (später IS). Im Jahr 2016 gehörte er zum inneren Kreis des später verbotenen Moscheevereins“ " in Be. Bereits 2013 hatte er bei einem längeren Aufenthalt in Belgien den gesondert verfolgten französischen Staatsangehörigen B. kennengelernt, der als radikaler Islamist mit dem IS sympathisierte und Terroranschläge in Europa propagierte. Im Oktober 2016 kam B., der sich bereits 2015 unter falscher Identität vorübergehend in Deutschland aufgehalten hatte, nach Be., wo er mit A. in Kontakt stand, der später das Attentat auf dem Br. verübte. Um einen eigenen Beitrag im Rahmen des weltweiten Dschihad zu leisten, verfolgte B. zu diesem Zeitpunkt den Plan, zusammen mit A. einen Sprengstoffanschlag an einem öffentlich zugänglichen Ort in Be. zu verüben, um in Deutschland ein Klima der Verunsicherung und Angst zu erzeugen. Diese Tat, zu der er fest entschlossen war, sollte noch im Herbst 2016 auf ein vielbesuchtes Einkaufszentrum oder eine ähnliche Geschäftseinrichtung mit zufälligen Passanten in Be., möglicherweise auf das an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt des öffentlichen Nahverkehrs gelegene G., stattfinden.
B. weihte den Angeklagten in diese Pläne ein, die dieser befürwortete. Er ließ es deshalb zu, dass B., der damals vorübergehend bei ihm wohnte, in seiner Wohnung den für den Anschlag bestimmten Sprengstoff - zumindest mehrere hundert Gramm TATP - lagerte. Eine weitergehende Beteiligung des Angeklagten an dem geplanten Anschlag war nicht vorgesehen. Nachdem der Angeklagte, der präventivpolizeilich überwacht wurde, am 26. Oktober 2016 an seiner Wohnungstür einer polizeilichen Kontrolle unterzogen worden war, gab B. sein Vorhaben auf.
Der Schuldspruch begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
1. Der Angeklagte hat sich wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB strafbar gemacht, indem er als Mittäter die in Abs. 2 Nr. 2 der Vorschrift aufgeführte Tatvariante des Verwahrens erfüllte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 5. Juli 2017 - StB 14/17, BGHR StGB § 89 Abs. 2 Tathandlungen 2). Dabei ist es unerheblich, dass er die geplante schwere staatsgefährdende Gewalttat nicht selbst begehen wollte, sondern den Sprengstoff für einen Dritten verwahrte (MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 89a Rn. 45; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 89a Rn. 33).
2. Darüber hinaus hat das Landgericht zu Recht den Angeklagten auch wegen Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion nach § 310 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt.
Die Vorbereitungshandlung muss sich hier - insoweit enger als bei § 89a StGB (vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl., § 89a Rn. 20) - auf eine in der Vorstellung des Täters hinsichtlich des Angriffsziels und des Zeitpunkts ihrer Begehung konkretisierte Tat beziehen, die in ihren Grundzügen bereits Gestalt angenommen hat (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1976 - 3 StR 432/76, NJW 1977, 540; Beschluss vom 12. Oktober 1977 - 3 StR 333/77, juris Rn. 1; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Dezember 2011 - 2 Ws 157/11, NStZ 2012, 390 Rn. 4). Denn bereits der Gesetzeswortlaut enthält ein finales Element und legt ein auf eine bestimmte Straftat zielgerichtetes Handeln nahe. Hinzu kommt, dass der Verzicht auf das Erfordernis einer Konkretisierung der vorbereiteten Tat zu einem Wertungswiderspruch zu § 310 Abs. 1 Nr. 1 StGB führen würde. Diese Vorschrift stellt Vorbereitungshandlungen zur Herbeiführung einer Explosion durch Kernenergie bzw. zum Missbrauch ionisierender Strahlen gegenüber einer Vielzahl von Menschen nur dann unter Strafe, wenn es sich um ein bestimmtes Unternehmen im Sinne des § 307 Abs. 1 StGB oder § 309 Abs. 2 StGB handelt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Dezember 2011 - 2 Ws 157/11, NStZ 2012, 390 Rn. 4; vgl. schon BGH, Urteil vom 15. Dezember 1976 - 3 StR 432/76, NJW 1977, 540).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Sowohl der Zeitpunkt (Herbst 2016) als auch das Objekt (ein vielbesuchtes Einkaufsziel oder Ähnliches in Be.) der beabsichtigten Sprengstofftat hatten in der Vorstellung des B., der den Angeklagten in seine Pläne eingeweiht hatte, bereits konkrete Gestalt angenommen.
3. Rechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich die Annahme von Tateinheit zwischen den Straftaten nach § 89a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB und § 310 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Insbesondere tritt die Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion nach § 310 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht hinter die einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zurück. Letztgenannte kann - auch in der Variante des § 89a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 2 StGB - ebenso mit anderen Mitteln als Sprengstoff begangen werden. Zudem verlangt § 310 Abs. 1 StGB eine nähere Konkretisierung der geplanten Tat. Das Gesamtunrecht der Tat käme mithin bei einer Verurteilung nur nach einem Tatbestand nicht voll zum Ausdruck.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 437
Externe Fundstellen: NStZ 2021, 614; StV 2021, 578
Bearbeiter: Christian Becker