HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1338
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 195/20, Beschluss v. 29.09.2020, HRRS 2020 Nr. 1338
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 11. Februar 2020 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Rechtsfolgenausspruch hat indes insgesamt keinen Bestand.
1. Das Landgericht hat die verhängte Strafe dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG entnommen. Einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG hat es nach einer Gesamtwürdigung, bei der es auch den vertypten Milderungsgrund des § 27 StGB berücksichtigt hat, abgelehnt. Es hat aber nicht bedacht, dass der Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG im Hinblick darauf, dass der Angeklagte nur der Beihilfe zu dem Betäubungsmittelhandel schuldig ist, zwingend nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern gewesen wäre. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht den Angeklagten zu einer niedrigeren Strafe verurteilt hätte, wenn es seiner Strafbemessung den so gemilderten Strafrahmen zugrunde gelegt hätte.
2. Auch die Nichtanordnung der Maßnahme des § 64 StGB hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar einen Hang des Angeklagten, Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren, sowie seine Gefährlichkeit bejaht. Es fehle jedoch an dessen Therapiemotivation, weil er sich eine so lang andauernde Behandlung nicht vorstellen könne, aber bereit sei, eine Therapie „gem. § 35 BtMG“ zu absolvieren.
Dies trägt das Absehen von der Unterbringungsanordnung nicht. Die Unterbringung nach § 64 StGB geht der Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG vor (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 2013 - 3 StR 193/13, juris Rn. 5 mwN; vom 5. April 2016 - 3 StR 554/15, NStZ-RR 2016, 209 f.); ein „Wahlrecht“ des Angeklagten besteht insoweit nicht. Hinzu kommt, dass das Tatgericht zu prüfen hat, ob die konkrete Aussicht besteht, dass die Bereitschaft für eine Erfolg versprechende Behandlung während der Therapie geweckt werden kann (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 25. April 2013 - 5 StR 104/13, NStZ-RR 2013, 239, 240 mwN). Hierzu äußern sich die Urteilsgründe nicht. Diese stellen lediglich ohne nähere Erläuterung auf die Präferenz des Angeklagten für eine Therapie nach Zurückstellung der Strafe ab.
Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb unter erneuter Hinzuziehung eines - gegebenenfalls auch anderen - Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 StPO) neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362).
3. Der Senat hebt die den Rechtsfolgenausspruch betreffenden Feststellungen insgesamt auf (§ 345 Abs. 2 StGB), um dem neuen Tatgericht eine in sich stimmige Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1338
Bearbeiter: Christian Becker