HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 592
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 558/19, Beschluss v. 18.03.2020, HRRS 2020 Nr. 592
Auf die Revision des Angeklagten D. R. wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 30. Juli 2019
soweit es diesen betrifft
im Schuldspruch dahin geändert, dass er des Betruges in vier Fällen schuldig ist,
im gesamten Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten,
soweit es den Mitangeklagten A. R. betrifft,
im Schuldspruch dahin geändert, dass er des Betruges in acht Fällen schuldig ist,
in den Einzelstrafen in den Fällen II.7 bis II.31 der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten,
soweit es den Mitangeklagten M. R. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass er des Betruges in zehn Fällen schuldig ist,
soweit es den Angeklagten und die beiden Mitangeklagten betrifft, im Ausspruch über die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 14.022,60 € als Gesamtschuldner mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten D. R. wegen Betruges in 25 Fällen unter Einbeziehung einer weiteren Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Den Mitangeklagten A. R. hat es des Betruges in 29 Fällen schuldig gesprochen und unter Einbeziehung weiterer Strafen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten gegen ihn erkannt. Den Mitangeklagten M. R. hat die Strafkammer wegen Betruges in 31 Fällen unter Einbeziehung eines weiteren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Neben weiteren Einziehungsentscheidungen hat sie gegen alle drei Angeklagten die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 14.022,60 € als Gesamtschuldner angeordnet.
Die von dem Angeklagten D. R. auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat - gemäß § 357 StPO in unterschiedlichem Umfang auch zugunsten der Mitangeklagten - den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen schlossen sich die Angeklagten zusammen, um sich aus wiederholten Betrugstaten eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen. An den Fällen II.1 bis II.6 der Urteilsgründe war der Revisionsführer nicht beteiligt. Aufgrund eines jeweils zuvor entwickelten Plans begingen alle drei gemeinsam sodann die folgenden Taten:
Am 27. Juni 2016 überredeten sie einen in seiner geistigen Entwicklung zurückgebliebenen 18 Jahre alten Zeugen, mit seiner ec-Karte Waren für sie einzukaufen, indem sie ihm vorspiegelten, dass sie diese später mit Gewinn veräußern und ihn am erzielten Überschuss beteiligen würden. Der Geschädigte glaubte dies und ließ sich von den Angeklagten in zehn verschiedene Geschäfte führen. Dort kaufte er auf ihr Geheiß Gegenstände im Gesamtwert von 7.867,24 €, die er den Angeklagten übergab (Fälle II.7 bis II.16 der Urteilsgründe). In Wahrheit hatten diese zu keinem Zeitpunkt vor, ihm Geld zu erstatten oder ihn an Verkaufserlösen zu beteiligen.
Am 29. Juni 2016 überzeugten die Angeklagten den Geschädigten abermals wahrheitswidrig davon, dass er durch den Einkauf von Waren für sie einen Gewinn erzielen werde. An diesem und dem Folgetag erwarb er im Vertrauen auf ihr Versprechen in vier verschiedenen Läden Gegenstände im Gesamtwert von 906,37 € für die Angeklagten (Fälle II.17 bis II.20 der Urteilsgründe).
Nachdem die ec-Karte des Zeugen gesperrt worden war, wandten sich die Angeklagten am 1. Juli 2016 an einen anderen ebenfalls geistig zurückgebliebenen Förderschüler. Durch die Vorspiegelung, dass er nach dem Einkauf von Waren mittels seiner ec-Karte das Doppelte des Preises von ihnen erhalten werde, erreichten sie, dass er in drei verschiedenen Geschäften Waren im Gesamtwert von 5.505,98 € für sie erstand (Fälle II.21 bis II.23 der Urteilsgründe). Das im Hinblick auf den zugesagten Profit gutgläubige Tatopfer erhielt von ihnen 200 €.
Am 6. Juli 2016 kontaktierten die Angeklagten diesen Geschädigten ein weiteres Mal und gaben wieder das Versprechen ab, ihm das Doppelte des ausgegebenen Betrages zu erstatten, wenn er zum Erwerb diverser Waren seine ec-Karte zur Verfügung stellt. Im erneuten Glauben an diese Zusage kaufte er an diesem Tag in acht verschiedenen Geschäften für die Angeklagten ein und bezahlte ausweislich der acht Einzelsummen insgesamt 1.148,96 € (Fälle II.24 bis II.31 der Urteilsgründe). Das Landgericht hat insoweit - rechnerisch nicht nachvollziehbar, aber den Revisionsführer nicht beschwerend - einen Schaden in Höhe von 1.085,45 € festgestellt (UA S. 31).
Bei einer polizeilichen Durchsuchung kam es später zur Sicherstellung diverser Gegenstände aus den Taten, die bei den Ausführungen zur Strafzumessung näher bezeichnet, allerdings in ihrem Wert nicht beziffert sind (UA S. 54 f.).
1. Die rechtliche Würdigung der Strafkammer, die das Tatgeschehen als 25 Einzelfälle des gemeinschaftlichen Betruges in einem besonders schweren Fall gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 Alternative 1, § 25 Abs. 2 StGB gewertet und beim Angeklagten sowie dem Mitangeklagten A. R. mit einer entsprechenden Anzahl von Einzelstrafen geahndet hat, hält hinsichtlich der Anzahl der Taten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Führen ein einziger Tatentschluss und eine einzige Täuschung zu mehreren Vermögensverfügungen des Opfers, so liegt nur eine Tat vor (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2017 - 2 StR 102/17, juris Rn. 4 mwN). Die Feststellungen tragen demnach vier Betrugsdelikte, nicht 25. Denn die Angeklagten täuschten die beiden Geschädigten jeweils zu zwei Gelegenheiten. Diese entwickelten aufgrund der jeweils zwei Täuschungen einen Irrtum. Alle ihre diesen Irrtümern nachfolgenden Einkäufe beruhten auf den zugrundeliegenden insgesamt vier Täuschungshandlungen. Insoweit ist der Schuldspruch in den Fällen II.7 bis II.31 der Urteilsgründe zu ändern.
b) Der Angeklagte ist nicht dadurch beschwert, dass die Voraussetzungen des § 263 Abs. 5 StGB - gewerbsmäßiger Bandenbetrug - nach den getroffenen Feststellungen erfüllt sind, sich dieser Umstand aber in der rechtlichen Würdigung der Strafkammer nicht niederschlägt.
c) Die Änderung des Schuldspruchs von 25 auf vier Taten bedingt die Aufhebung der von der Strafkammer gegen den Revisionsführer verhängten 25 Einzelstrafen. Dies entzieht der Gesamtfreiheitsstrafe die Grundlage. Zwar weist die Strafzumessung des Landgerichts für sich genommen - einschließlich der nicht gewährten Strafaussetzung zur Bewährung - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens keinen Rechtsfehler auf. Jedoch ist es dem Revisionsgericht verwehrt, in der hier gegebenen Konstellation selbst neue Einzelstrafen und infolgedessen eine neue Gesamtstrafe festzusetzen. Die der Strafzumessung zugrundeliegenden Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
d) Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II.7 bis II.31 der Urteilsgründe ist gemäß § 357 StPO auf die beiden Mitangeklagten zu erstrecken. Der dargelegte Rechtsfehler betrifft sie gleichermaßen.
Beim Mitangeklagten A. R. bedingt dieser ebenfalls die Aufhebung der für ihn insoweit festgesetzten 25 Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe. Auch bei ihm wirkt sich der Rechtsfehler nicht auf die für die Strafzumessung bedeutsamen Feststellungen aus, weshalb diese aufrechterhalten bleiben.
Beim Mitangeklagten M. R. hat die Änderung des Schuldspruchs nicht die Aufhebung der gegen ihn ausgeurteilten Einheitsjugendstrafe zur Folge, weil dieser keine Einzelstrafen zugrunde liegen. Die veränderte konkurrenzrechtliche Bewertung der Straftaten berührt deren Unrechts- und Schuldgehalt nicht (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 9. März 2005 - 2 StR 544/04, NStZ-RR 2005, 199, 200; vom 7. Juli 2015 - 3 StR 190/15, juris Rn. 6 mwN) und ändert nichts an dem vom Landgericht festgestellten Erziehungsbedarf.
e) § 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung der Schuldsprüche nicht entgegen, weil die Angeklagten sich nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
2. Darüber hinaus kann die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 14.022,60 € keinen Bestand haben.
a) Dieser Betrag ist im Urteil nicht aufgeschlüsselt und deshalb revisionsrechtlich nicht überprüfbar (vgl. hierzu etwa BGH, Beschluss vom 21. August 2018 - 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20 Rn. 6 mwN). Es fehlt insbesondere an der Bezifferung des Werts der sichergestellten Gegenstände. Hierzu hätte Anlass bestanden, weil die Einziehung von Wertersatz gemäß § 73c Satz 1 StGB voraussetzt, dass die unmittelbare Einziehung des Erlangten nicht durchführbar ist (vgl. näher BGH, Beschluss vom 21. August 2018 - 2 StR 311/18, aaO, Rn. 9 mwN). Die Vorschrift kommt mithin vorliegend nur zum Tragen, soweit die von den Angeklagten betrügerisch erlangten Gegenstände nicht sichergestellt worden sind. Dies hat die Strafkammer im Ansatz auch erkannt, denn die von ihr angeordnete Wertersatzeinziehung weist eine Differenz zum festgestellten Gesamtschaden aus, die sich nur mit einem Abzug für die sichergestellten Gegenstände erklären lässt. Das Landgericht hat es allerdings versäumt, die Grundlagen seiner diesbezüglichen Berechnung offenzulegen. In den Fällen II.8, II.15, II.19 und II.23, aus denen ausweislich der Ausführungen zur Strafzumessung Teile der sichergestellten Waren stammten, kauften die Geschädigten weitgehend eine Vielzahl von Gegenständen. Die Urteilsgründe teilen aber nur den Gesamtpreis pro Einkauf mit, so dass ein Rückschluss auf die Preise der sichergestellten Waren ausscheidet. Es ist danach nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei einer nachvollziehbaren Berechnung zu einem geringeren Einziehungsbetrag gelangt wäre.
b) Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird Gelegenheit haben, bei der von ihr zu treffenden Einziehungsentscheidung den aufgezeigten Additionsfehler hinsichtlich des in den Fällen II.24 bis II.31 festgestellten Schadens - unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) - in den Blick zu nehmen. Entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts hat die Revision im Übrigen keine rechnerischen Unrichtigkeiten bei der Schadenshöhe aufgedeckt.
c) Auch die Aufhebung der Einziehungsanordnung ist gemäß § 357 StPO auf die beiden Mitangeklagten zu erstrecken. Von dem Rechtsfehler sind sie als Gesamtschuldner in gleicher Weise betroffen.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 592
Bearbeiter: Christian Becker