HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 109
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 222/19, Beschluss v. 13.11.2019, HRRS 2020 Nr. 109
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. September 2018, soweit es ihn betrifft,
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und der Beihilfe zum Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen schuldig ist,
im Ausspruch über die Gesamtstrafen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung von Strafen aus einem am 19. November 2013 gegen ihn ergangenen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum Besitz von Betäubungsmitteln in zwei Fällen unter Einbeziehung einer durch Urteil vom 17. Juni 2015 gegen ihn verhängten Strafe zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt; die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Das Landgericht hat den Angeklagten jedoch ersichtlich aufgrund eines Fassungsversehens trotz entsprechender zutreffender rechtlicher Würdigung (UA S. 55) und unter Anwendung der entsprechenden Vorschriften (UA S. 5) nicht wegen Beihilfe zum Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, sondern nur wegen Beihilfe zum Besitz von Betäubungsmitteln in zwei Fällen schuldig gesprochen. Der Senat berichtigt dieses offenkundige Versehen in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO.
2. Die Überprüfung des Strafausspruchs hat hinsichtlich der verhängten Einzelstrafen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 354 Abs. 1a StPO). Die Gesamtstrafen haben demgegenüber keinen Bestand.
a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beging der Angeklagte die nunmehr abgeurteilten Taten Ende 2012 oder Anfang 2013 (Fall 1 der Urteilsgründe), in der Zeit von Ende 2013 bis Mai 2014 (Fall 4 der Urteilsgründe), Ende Februar 2014 (Fall 7 der Urteilsgründe) und Anfang Mai 2014 (Fall 13 der Urteilsgründe). Zu den Vorstrafen des Angeklagten hat das Landgericht festgestellt:
Im Bundeszentralregister finden sich „vier Einträge“. „Unter anderem“ wurde der Angeklagte am 19. November 2013 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, die - wie sich den Ausführungen zur Strafzumessung entnehmen lässt - aus einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten und einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen gebildet worden war; das Urteil wurde am 1. Juni 2015 rechtskräftig. Außerdem wurde der Angeklagte - letztmals - am 17. Juni 2015 wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Beide Freiheitsstrafen wurden zur Bewährung ausgesetzt und sind bis heute nicht erlassen.
Das Landgericht ist von einer Zäsurwirkung des Urteils vom 19. November 2013 ausgegangen und hat aus den diesem Urteil zugrundeliegenden Einzelstrafen (Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie Geldstrafe von 50 Tagessätzen) und der nunmehr im Fall 1 der Urteilsgründe verhängten Freiheitstrafe von vier Monaten die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten gebildet. Der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr hat es die durch das Urteil vom 17. Juni 2015 verhängte Freiheitsstrafe von sieben Monaten und die nunmehr in den Fällen 4, 7 und 13 der Urteilsgründe verhängten Freiheitsstrafen von sechs Monaten, drei Monaten und zwei Monaten zugrunde gelegt.
b) Dies stößt auf durchgreifende rechtliche Bedenken. Eine revisionsgerichtliche Überprüfung der Gesamtstrafenbildung ist nicht möglich, weil die insoweit getroffenen Feststellungen unzureichend sind. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Zur Überprüfung, ob die Verurteilung vom 19. November 2013 auch Zäsurwirkung hinsichtlich der der Verurteilung vom 17. Juni 2015 zugrunde liegenden Tat entfaltet, hätte das Landgericht deren Tatzeit mitteilen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2011, 4 StR 373/11, Rn. 6, juris; BGH, NStZ-RR 1998, 103). Auch der Zeitpunkt zweier weiterer Verurteilungen sowie die Zeiten der in dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 19. November 2013 abgeurteilten Taten (vgl. UA S. 8, 66) ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht, sodass insoweit eine mögliche Zäsurwirkung ebenfalls nicht beurteilt werden kann. Bedenklich erscheint es überdies, dass die Strafkammer die Gesamtstrafen mit dem Gesamtbild der begangenen Taten und ihrem Verhältnis zueinander sowie dem Ausmaß der Verfehlungen und den Tatfolgen begründet (UA S. 66), ohne diese Umstände hinsichtlich der einzubeziehenden Taten näher darzulegen (vgl. Senat, NStZ 1987, 183).“
Dem schließt sich der Senat an.
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Gesamtstrafen. Der Senat verweist die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Von der Vorschrift des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO macht er keinen Gebrauch.
HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 109
Bearbeiter: Christian Becker