HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 798
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 530/18, Beschluss v. 03.04.2019, HRRS 2019 Nr. 798
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 7. September 2018 aufgehoben,
soweit der Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen Wohnungseinbruchdiebstahls verurteilt worden ist; insoweit bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten;
mit den zugehörigen Feststellungen im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls unter Einbeziehung mehrerer zuvor verhängter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten und wegen zweier weiterer Wohnungseinbruchdiebstähle zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen Wohnungseinbruchdiebstahls hält der materiellrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte brach mit einem gesondert abgeurteilten Mittäter in ein freistehendes Einfamilienhaus ein. Dort nahmen sie „tatplanmäßig“ eine Schatulle mit Modeschmuck mit, um sie für sich zu behalten. Als sie nach Verlassen des Anwesens feststellten, dass es sich „wider Erwarten“ um nahezu wertlosen Modeschmuck handelte, warfen sie die Schatulle nebst dem Schmuck weg.
b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen kann die Verurteilung wegen vollendeten Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 Abs. 1 StGB aF keinen Bestand haben; denn sie tragen nicht die Annahme, dass der Angeklagte und sein Mittäter bezüglich des Schmuckkoffers samt Modeschmuck die nach § 242 Abs. 1 StGB erforderliche Zueignungsabsicht hatten.
Enthält ein Behältnis, das der Täter in seinen Gewahrsam bringt, nicht die vorgestellte werthaltige Beute, auf die es ihm bei der Tat allein ankommt, und entledigt er sich - nachdem er dies festgestellt hat - deswegen des Behältnisses sowie des ggf. darin befindlichen, ihm nutzlos erscheinenden Inhalts, so kann er mangels Zueignungsabsicht bezüglich der erlangten Beute nicht wegen eines vollendeten, sondern nur wegen versuchten (fehlgeschlagenen) Diebstahls bestraft werden (BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 2016 - 3 StR 173/16, juris Rn. 5; vom 1. Februar 2000 - 4 StR 564/99, NStZ 2000, 531; vom 9. Juli 2013 - 3 StR 174/13, NStZ-RR 2013, 309; jeweils mwN; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 162).
So liegt es möglicherweise hier. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen nicht widerspruchsfrei, dass sich die konkrete Zueignungsabsicht des Angeklagten und seines Mittäters bei der Wegnahme auf den Schmuckkoffer an sich oder jegliche darin befindlichen Sachen bezog und somit ein vollendeter Diebstahl vorlag. Nach diesen nahmen die beiden Täter zwar einerseits die Schatulle mit dem Modeschmuck entsprechend ihrem Tatplan mit, was darauf hindeutet, dass sie sich diese ungeachtet ihres Inhalts zueignen wollten. Andererseits spricht aber die weitere Feststellung des Landgerichts, dass die beiden sich der Schatulle nebst dem Schmuck entledigten, als sie erkannten, dass es sich bei dem Inhalt des Koffers „wider Erwarten“ um nahezu wertlosen Modeschmuck handelte, dafür, dass sie den Schmuckkoffer wegwarfen, weil sich hierin nicht die nach ihren Vorstellungen bei der Tatbegehung erhoffte wertvolle Beute befand.
Das Urteil ist insoweit aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
2. Die Aufhebung des Schuldspruches in diesem Fall hat den Wegfall der hierfür bemessenen Einzelstrafe und damit die Aufhebung der - unter Einbeziehung weiterer Strafen aus vorangegangenen Entscheidungen gebildeten - Gesamtstrafe von einem Jahr und drei Monaten zur Folge. Diese Gesamtstrafe hat aber auch - ebenso wie die zweite verhängte Gesamtstrafe von zwei Jahren - aus anderen Gründen keinen Bestand.
Dem Landgericht ist, wie bereits der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, bei der Bildung der ersten Gesamtfreiheitsstrafe aus der für die Tat vom 10. November 2015 verhängten Einzelstrafe und den nicht vollstreckten Strafen aus Urteilen vom 20. November 2015, 8. Dezember 2015, 26. Juli 2016 und 30. August 2016 ein Rechtsfehler unterlaufen. Jedenfalls die am 26. Juli 2016 ausgesprochene Strafe für eine am 10. Juli 2016 begangene Tat hätte nicht einbezogen werden dürfen, weil diese Tat nicht vor den Vorverurteilungen vom 20. November und 8. Dezember 2015 begangen wurde. Darüber hinaus entzieht sich auch die Einbeziehung der übrigen genannten Strafen der revisionsgerichtlichen Überprüfung, weil hinsichtlich dieser Strafen weder das Datum der den Verurteilungen zugrundeliegenden Taten mitgeteilt wird noch ob und seit wann die Aburteilungen rechtskräftig sind.
Der Senat hebt beide verhängten Gesamtfreiheitsstrafen auf, weil wegen der oben erörterten mangelhaften Darlegung der für die Beurteilung der Gesamtstrafenbildung wesentlichen Daten hinsichtlich der früher verhängten Strafen nicht ausgeschlossen werden kann, dass insgesamt eine oder mehrere andere Gesamtstrafen hätten gebildet werden müssen.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 798
Externe Fundstellen: NJW 2019, 2868
Bearbeiter: Christian Becker