HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 331
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 517/18, Beschluss v. 11.12.2018, HRRS 2019 Nr. 331
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 22. Juni 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner Revision, die er auf die nicht näher ausgeführte Rüge der Verletzung formellen Rechts stützt und mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
I. Nach den Urteilsfeststellungen leidet der Beschuldigte seit Jahren an einer psychotischen Störung aus dem Formenkreis der Schizophrenie (ICD-10: F20.0); zudem ist er von Cannabinoiden und Amphetaminen abhängig. Deswegen war er unfähig, das Unrecht seiner Taten einzusehen. Im Zustand der Schuldunfähigkeit beging der Beschuldigte im Zeitraum von Dezember 2016 bis 12. Februar 2017 mehrere strafbare Handlungen; vor allem brach er in eine Wohnung seines Vermieters R. und in eine Berufsschule sowie zweimal in Wohnwagen ein und entwendete Gegenstände. Der Beschuldigte fühlte sich von R. wegen der Miethöhe übervorteilt. Er beleidigte R. und Polizeibeamte. In einem Fall zündete der Beschuldigte in der Wohnung seines Vermieters mit einem Feuerzeug eine Gardine, eine Fahne sowie Heu im Kaninchenstall aus Wut an, um das Wohngebäude niederzubrennen, das er für heruntergekommen und nicht mehr sanierungsfähig hielt. Dabei wusste er, „dass das eine schlimme Straftat sei“.
II. Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zwar eingangs der Sachverhaltsfeststellungen vor den Einzeltaten ausgeführt, dass der Beschuldigte aufgrund seiner psychotischen Störung schuldunfähig (§ 20 StGB) war und infolge dieser krankhaften seelischen Störung die Anlasstaten beging. Indes hat es dies bei den Einzelfällen weder zum Eingangsmerkmal des § 20 StGB noch zum symptomatischen Zusammenhang mit Tatsachen belegt:
Bereits die eigene Einschätzung der gewichtigsten Tat, der versuchten schweren Brandstiftung (§ 306a Abs. 1 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB), durch den Beschuldigten als „schlimme Straftat“ lässt sich nicht mit der vom Landgericht angenommenen Unrechtseinsicht vereinbaren. Wenn es dem Beschuldigten tatsächlich an der Fähigkeit, das Unrecht der versuchten Brandstiftung einzusehen, gefehlt hätte, wäre eine solche Erkenntnis jedenfalls nicht ohne weitere Begründung erklärlich.
Im Übrigen hat das Landgericht Beweggründe wie insbesondere Wut über das Erhöhen der Miete festgestellt, die nicht auf wahnhaftes Erleben und ein dadurch motiviertes Handeln schließen lassen. Der Generalbundesanwalt hat hierzu zutreffend ausgeführt:
"1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. Der erforderliche symptomatische Zusammenhang besteht, wenn der festgestellte, für die Schuldfähigkeit bedeutsame Zustand des Täters für die Anlasstat kausal geworden ist, wobei Mitursächlichkeit genügt (BGH NStZ-RR 2017, 272, 273; BGH, Beschluss vom 30. August 2018 - 4 StR 296/18 -, juris Rn. 5). In den Urteilsgründen ist dazulegen, wie sich die festgestellte psychische Störung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsicht- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlasstaten auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 30. August 2018 - 4 StR 296/18 -, juris Rn. 5; Beschluss vom 30. Mai 2018 - 1 StR 36/18 -, juris Rn. 20, jeweils mwN).
2. Diesen Darlegungsanforderungen wird das Urteil des Landgerichts nicht gerecht.
a) Die (Einbruchs-)Diebstahls- und Beleidigungstaten sind im Grundsatz Delikte der allgemeinen Kriminalität, bei denen auch im Falle einer Psychose die Annahme einer aufgehobenen oder erheblich verminderten Schuldfähigkeit nicht unbedingt auf der Hand liegt. Wie vorliegend etwa das Entwenden von Batterien, DVDs, eines Fernglases, einer Kabeltrommel oder des Buches 'Kamasutra' mit einem (nicht näher ausgeführten) Wahnerleben in Verbindung stehen soll, erschließt sich nicht ohne nähere Erörterung. Dies gilt bzgl. Fallakte 2b Fall 6 (UA S. 8) selbst im Hinblick darauf, dass der Beschuldigte befürchtet haben soll zu 'explodieren', falls er zu Hause festgenommen werde. Auch insoweit fehlt es an Ausführungen dazu, weshalb der Beschuldigte nicht erkannt haben soll, dass das Einsteigen in einen fremden Wohnwagen Unrecht ist. Gleiches gilt für den Diebstahl aus seiner Berufsschule (Fallakte 1, Fall 4 [UA S. 11]). Selbst die nicht näher belegte Feststellung, der Beschuldigte habe die wahnhafte Idee gehabt, Missstände zu offenbaren, würde nicht erklären, weshalb es dem Beschuldigten erlaubt sein sollte, Bargeld, Getränke und Essen zu stehlen.
b) Im Zusammenhang mit dem (versuchten) Inbrandsetzen der Wohnung seines Vermieters ist ein kausaler Zusammenhang mit der psychischen Erkrankung des Beschuldigten ebenfalls nicht belegt. Selbst wenn der Beschuldigte Wahnvorstellungen auch im Hinblick auf seinen Vermieter (Spionage und Nachstellen von Fotographien [UA S. 17]) entwickelt haben sollte, läge ein entsprechender Zusammenhang nicht auf der Hand. Die Strafkammer hat zur Motivation des Beschuldigten festgestellt, er sei zum einen wütend auf seinen Vermieter und zum anderen der Auffassung gewesen, das Haus sei heruntergekommen und nicht zu sanieren (UA S. 9, 12). Dass diese Motivation indessen krankheitsbedingt sein soll, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, zumal die Kammer die Angaben des Beschuldigten zum Grund für seine Wut, sein Vermieter habe absprachewidrig statt 250 Euro plötzlich 350 Euro Miete verlangt (UA S. 12), weder für widerlegt erachtet noch überhaupt erkennbar geprüft hat. Vielmehr wurden die Angaben des Beschuldigten zu seiner Motivation für nachvollziehbar und glaubhaft befunden (UA S. 12).“
III. Die Frage der Unterbringung bedarf deshalb der erneuten Prüfung und Entscheidung.
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 331
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 106
Bearbeiter: Christian Becker