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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 793

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 448/18, Urteil v. 10.01.2019, HRRS 2019 Nr. 793


BGH 3 StR 448/18 - Urteil vom 10. Januar 2019 (LG Hannover)

Rechtsfehlerhafte Strafzumessungsentscheidung im Betäubungsmittelstrafrecht (Strafrahmenwahl; minder schwerer Fall; Gesetzeskonkurrenz; Sperrwirkung hinsichtlich der Mindeststrafe).

§ 29a BtMG

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. Mai 2018, soweit es den Angeklagten M. betrifft, im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer wirksam auf den Strafausspruch beschränkten und mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründeten Revision, die auch auf die Aufhebung der zugehörigen Feststellungen gerichtet ist.

Das Rechtsmittel hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.

I.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen brachte der Angeklagte zwei Päckchen Heroin mit einem Gesamtgewicht von 983 Gramm und einem Wirkstoffgehalt von insgesamt 624 Gramm HHCI, die unbekannte Personen auf Veranlassung des Mitangeklagten Z. im Motorraum seines PKW versteckt hatten, aus den Niederlanden kommend über die Grenze nach Deutschland. Dabei wusste er, dass er eine große Menge Heroin nach Deutschland transportierte, wo es, wie ihm ebenfalls bekannt war, von dem Mitangeklagten gewinnbringend verkauft werden sollte. Hierzu kam es aufgrund der Festnahme der beiden Angeklagten nach der Einreise nicht.

Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet und die Strafe dem Strafrahmen des § 30 Abs. 2 BtMG entnommen, da ein minder schwerer Fall der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorliege.

II.

Die Strafzumessung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Die Wahl des Strafrahmens, dem das Landgericht die verhängte Strafe entnommen hat, weist Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten auf.

1. Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB ist bei tateinheitlicher Begehung mehrerer Delikte die Strafe dem Gesetz zu entnehmen, das die schwerste Strafe bestimmt. Vorliegend hat sich der Angeklagte zweier tateinheitlicher Delikte - der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge - schuldig gemacht. Während das Landgericht hinsichtlich der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge einen minder schweren Fall angenommen hat, verhält sich das Urteil nicht dazu, ob auch die Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als ein minder schwerer Fall nach § 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG zu werten ist. Damit stellt sich der für die Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge anzuwendende, nach §§ 27, 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG als der schwerere Strafrahmen dar. Denn während § 30 Abs. 2 BtMG - ebenso wie § 29a Abs. 2 BtMG - für den minder schweren Fall einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, ermäßigt sich im Falle der Milderung nach §§ 27, 49 Abs. 1 StGB die Mindeststrafe des § 29a Abs. 1 BtMG zwar auf ebenfalls drei Monate, die Höchststrafe beträgt jedoch nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB drei Viertel der angedrohten Höchststrafe, also elf Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe.

2. Darüber hinaus hat das Landgericht nicht bedacht, dass der Angeklagte, der das Rauschmittel in seinem Fahrzeug transportierte, sich damit auch des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig gemacht hat. Zwar tritt der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Auffangtatbestand konkurrenzrechtlich hinter die gleichzeitig verwirklichte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurück (Weber, BtMG, 5. Aufl., § 30 Rn. 285 mwN). Jedoch entfaltet bei Gesetzeskonkurrenz das zurücktretende Delikt grundsätzlich eine Sperrwirkung jedenfalls hinsichtlich der Mindeststrafe (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02, NJW 2003, 1679, 1680 mwN). Somit darf bei Anwendung des minder schweren Falles nach § 30 Abs. 2 BtMG die Strafe nicht milder sein als nach dem Strafrahmen der verdrängten Vorschrift des § 29a Abs. 1 BtMG, sofern nicht auch insoweit die Voraussetzungen eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG gegeben sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR 349/02, aaO).

3. Das Urteil kann im Strafausspruch schon deshalb keinen Bestand haben. Auf die übrigen Beanstandungen der Strafzumessung kommt es daher nicht mehr an. Die insoweit getroffenen Feststellungen erweisen sich indes als rechtsfehlerfrei und können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie dem rechtskräftig Festgestellten nicht widersprechen.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 793

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 250; StV 2020, 388

Bearbeiter: Christian Becker