HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 582
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 4/18, Beschluss v. 28.05.2018, HRRS 2018 Nr. 582
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 29. September 2017 im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels, zu treffen ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten im zweiten Rechtsgang - nachdem der Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes bereits rechtskräftig geworden war - unter Einbeziehung der Strafen aus zwei Strafbefehlen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die nach Aufhebung des Strafausspruchs durch Beschluss des Senats vom 13. Juni 2017 (3 StR 106/17, juris) erforderliche erneute Festsetzung der Einzelfreiheitsstrafe wegen besonders schweren Raubes ist - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat - im Ergebnis rechtsfehlerfrei.
2. Der Gesamtstrafenausspruch kann indes keinen Bestand haben. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:
„a) Im Urteil der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg vom 29. November 2016 war u.a. festgestellt worden, dass das Amtsgericht Hamburg den Angeklagten am 4. November 2015 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt hatte (vgl. dort UA S. 6); u. a. diese Strafe war in den mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2017 (3 StR 106/17) aufgehobenen Strafausspruch unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen einbezogen worden (vgl. auch UA S. 7 im verfahrensgegenständlichen Urteil vom 29. September 2017). Da die von der teilweisen Aufhebung im Revisionsrechtszug nicht betroffenen Teile des Ersturteils auch dann ihre eigenständige Bedeutung für das weitere Verfahren behalten, wenn sie in dem nach der Zurückverweisung über weitere Urteilselemente entscheidenden neuen tatrichterlichen Urteil keine Erwähnung finden (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 260, 261), war die Verurteilung des Amtsgerichts Hamburg vom 4. November 2015 ungeachtet des Umstandes zu berücksichtigen, dass diese - abgesehen von der nur beiläufigen Aufzählung auf UA S. 7 - im Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 29. September 2017 keine Erwähnung mehr findet.
Der Senat hatte in der aufhebenden Revisionsentscheidung vom 13. Juni 2017 (3 StR 106/17) bezüglich des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 4. November 2015 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zur revisionsrechtlichen Überprüfung der Gesamtstrafenbildung insoweit noch Feststellungen zum Zeitpunkt der dieser Verurteilung zugrunde liegenden Tat sowie zum Vollstreckungsstand getroffen werden müssen (BGH aaO.). Hierzu finden sich im verfahrensgegenständlichen Urteil indes jedoch keine Ausführungen.
b) Aus den - insoweit aufrecht erhaltenen und weiterhin zu berücksichtigenden - Feststellungen des Urteils der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Lüneburg vom 29. November 2016 (dort UA S. 6) ergibt sich des Weiteren, dass zum damaligen Zeitpunkt die Verurteilungen des Amtsgerichts Hamburg vom 24. April 2015 und des Amtsgerichts Bad Gandersheim vom 28. August 2015, aus deren Strafen im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 14. Dezember 2015 eine Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätzen gebildet wurde, noch nicht vollständig vollstreckt waren. Soweit das Landgericht im verfahrensgegenständlichen Urteil vom 29. September 2017 ausführt, dass nunmehr eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB mit den Strafen aus den beiden vorgenannten Verurteilungen des Amtsgerichts Hamburg vom 24. April 2015 und des Amtsgerichts Bad Gandersheim vom 28. August 2015 ausgeschlossen sei, weil 'zum Zeitpunkt der erneuten Verhandlung vor der 10. Großen Strafkammer die Strafen … bereits vollstreckt' seien (UA S. 15; vgl. auch UA S. 16: 'mittlerweile vollständig vollstreckt'), hält dies der rechtlichen Prüfung nicht stand. Denn nach Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht hat die (erneute) Bildung einer Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 StGB grundsätzlich nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung zu erfolgen. Dies gilt nicht nur in dem Fall, in dem die Urteilsaufhebung gerade wegen fehlerhaft unterbliebener nachträglicher Gesamtstrafenbildung erfolgt ist. Vielmehr ist so regelmäßig auch in anderen Fällen der Aufhebung des Strafausspruchs zu verfahren (BGH Beschluss vom 22. August 2013 - 3 StR 141/13).
c) Die vorgenannten Rechtsfehler zwingen jedoch nicht zur Zurückverweisung der Sache gemäß § 354 Abs. 2 S. 1 StPO. Die neu zu treffende Entscheidung über die Gesamtstrafe kann gemäß § 354 Abs. 1b S. 1 StPO dem Beschlussverfahren nach den §§ 460, 462 StPO überlassen werden; denn abweichend von dem der Entscheidung des Senats vom 29. November 2011 (3 StR 358/11) zugrunde liegenden Sachverhalt verbleibt nicht lediglich eine - möglicherweise erledigte - Einzelstrafe.
Sollte die Geldstrafe aus der Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg vom 4. November 2015, zu der Feststellungen fehlen [siehe vorstehend 3. a)], zwar gesamtstrafenfähig, aber bereits erledigt sein, kann der gegebenenfalls dann erforderliche Härteausgleich im Verfahren nach §§ 460, 462 StPO durchgeführt werden (BGH NStZ-RR 2015, 20). Bei einer erneuten nachträglichen Gesamtstrafenbildung wird zudem - nach Auflösung der mit Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Gandersheim vom 22. September 2015 festgesetzten Gesamtgeldstrafe - auch die noch nicht erledigte (UA S. 6) Einzelgeldstrafe für die erste in diesem Strafbefehl genannte Tat (Tatzeit 28. März 2015, UA S. 6) ebenso zu berücksichtigen sein wie die Zäsurwirkung der Verurteilung des Amtsgerichts Hamburg vom 24. April 2015 (UA S. 5; vgl. zur Zäsurwirkung - die entgegen der Auffassung des Landgerichts aus den vorgenannten Gründen allerdings nicht weggefallen ist - (UA S. 15), die eine Einbeziehung von Strafen für Taten, die nach diesem Zeitpunkt begangen wurden, ausschließt.“
Dem stimmt der Senat zu.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 582
Bearbeiter: Christian Becker