HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 493
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 270/18, Beschluss v. 18.12.2018, HRRS 2019 Nr. 493
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 22. Februar 2018 wird
das Verfahren bezüglich der Fälle 176, 177 und 182 der Urteilsgründe eingestellt; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last;
das vorgenannte Urteil
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Betruges in 173 Fällen und der falschen uneidlichen Aussage in vier Fällen schuldig ist;
in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen 91 und 112 der Urteilsgründe aufgehoben; diese Einzelstrafen entfallen;
zu Fall 49 der Urteilsgründe dahin ergänzt, dass der Angeklagte in diesem Fall zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Angeklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 175 Fällen, davon in 17 Fällen jeweils in zwei tateinheitlichen Fällen und in drei Fällen in drei tateinheitlichen Fällen, sowie wegen uneidlicher Falschaussage in sieben Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus zwei anderweitigen Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 280.127,24 € angeordnet. Die gegen die Verurteilung gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Nach den Urteilsfeststellungen durfte der Angeklagte als nichtärztlicher Psychotherapeut Heilkunde berufsmäßig ausüben, und zwar nach einer Zusatzausbildung unter der Bezeichnung „psychologischer Berater“. Spätestens Ende 2004 entschloss er sich, den akademischen Grad „Diplom-Psychologe“ etwa in Anschreiben, Rechnungen oder an der Eingangstür zu seiner Praxis zu führen, obwohl er - wie er wusste - mangels universitärer Ausbildung hierzu nicht berechtigt war. Um sich eine weitere Einnahmequelle zu erschließen, trat der Angeklagte an das Familiengericht Idar-Oberstein heran und bot an, Aufträge als Sachverständiger in Kindschaftssachen zu übernehmen. Dabei legte er nicht offen, dass er nicht über einen universitären Abschluss verfügte. In der Folgezeit ließ er sich von Familiengerichten mit Gutachten in Kindschaftssachen beauftragen und verwendete in seinen Schriftstücken sowie Gutachten den akademischen Grad „Diplom-Psychologe“.
1. Gegenüber den jeweiligen Anweisungsbeamten der Familiengerichte ließ der Angeklagte nach der Würdigung des Landgerichts im Zeitraum vom 11. März 2010 bis zum 18. März 2014 in 175 Fällen nach Erstatten der Gutachten, die verwertet wurden, seine Sachverständigenvergütung über das R. - Institut der Zeugin K. abrechnen, und zwar zum Stundensatz von 85 €. Dabei ging die Zeugin davon aus, dass der Angeklagte den Grad eines Diplom-Psychologen erworben habe. Das Institut stellte in 20 Fällen zwei und in drei Fällen drei Rechnungen jeweils am selben Tag aus. Im Innenverhältnis zum Institut entlohnte K. den Angeklagten als freien Mitarbeiter mit 45 € pro Stunde. Insgesamt ließ sich das R. -Institut von den verschiedenen Amtsgerichten rund 760.000 € überweisen; hiervon leitete es 280.127,24 € auf das Konto des Angeklagten weiter. Die Kassenbeamten überwiesen die Sachverständigenvergütungsbeträge im Glauben, dass der Angeklagte über die berufliche Qualifikation eines Diplom-Psychologen verfügte. Hätten sie gewusst, dass dies nicht der Fall war, hätten sie entweder selbst oder nach Rücksprache mit den zuständigen Richtern die Auszahlung verweigert.
2. Am 10. Mai 2010 (Fall 176), am 2. Mai 2011 (Fall 177), am 31. Juli 2012 (in zwei verschiedenen Verfahren), am 4. März 2013 und am 24. März 2013 erklärte der Angeklagte, nachdem seine bisherige Tätigkeit in dem betreffenden Verfahren jeweils bereits abgerechnet worden war, in familiengerichtlichen Verhandlungen in seiner Vernehmung als Sachverständiger auf die Frage nach seinem Beruf wahrheitswidrig, er sei Diplom-Psychologe. Ihm war bewusst, dass er die Wahrheit zu sagen hatte und seine Angaben insoweit unzutreffend waren (Fälle 176 bis 181). Ebenso bekundete der Angeklagte am 8. Dezember 2011, als Zeuge über die strafrechtlichen Folgen einer wahrheitswidrigen Aussage belehrt, in einer wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen geführten strafgerichtlichen Hauptverhandlung, er sei von Beruf Diplom-Psychologe (Fall 182).
Die Revision hat nur einen geringen Erfolg.
1. Bezüglich der Fälle 176, 177 und 182 der Urteilsgründe, die jeweils den Straftatbestand der falschen uneidlichen Aussage (§ 153 StGB) betreffen und mit Einzelfreiheitsstrafen von acht (Fälle 176 und 177) bzw. von sechs Monaten (Fall 182) geahndet worden sind, ist nach den dem Senat vorliegenden Akten nicht zu beurteilen, ob die Verjährung vor Ablauf der Frist unterbrochen worden ist (§ 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4, § 78a Satz 1, § 78c StGB). Der in den Hauptakten befindliche Durchsuchungsbeschluss vom 14. März 2014 erfasst diese Taten seinem Wortlaut nach jedenfalls nicht. Dies hat Anlass zur Verfahrensteileinstellung (§ 154 StPO) gegeben.
2. Der Schuldspruch hält in den verbliebenen Fällen mit Ausnahme einer geringfügigen Änderung der Konkurrenzverhältnisse und dem hierdurch bedingten Entfallen zweier Einzelstrafen der sachlich-rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Dies gilt zunächst für den jeweiligen Schuldspruch wegen Betruges.
aa) Der Angeklagte rief im Rahmen der Abrechnung seiner Sachverständigentätigkeit bei den Anweisungsbeamten der Familiengerichte eine Fehlvorstellung über den erfolgreichen Abschluss eines universitären Psychologiestudiums hervor; dazu bediente er sich der gutgläubigen K. als Tatmittlerin (§ 25 Abs. 1 Alternative 2 StGB). Zwar hat das Landgericht keine näheren Feststellungen zum Inhalt der Rechnungen des R. -Instituts getroffen; indes gingen die Kassenbeamten jedenfalls aufgrund der Bezugnahme auf die bei den Akten befindlichen Gutachten davon aus, dass der Angeklagte zum Führen des akademischen Grads „Diplom-Psychologe“ berechtigt war. Aufgrund dieses Irrtums wiesen sie die jeweiligen Sachverständigenvergütungsbeträge an.
bb) Das Bundesland Rheinland-Pfalz sowie in einem Fall das Bundesland Nordrhein-Westfalen, jeweils vertreten durch die Landesjustizkasse, erlitten in Höhe des jeweiligen Auszahlungsbetrags einen Vermögensschaden. Denn der Angeklagte hatte trotz Leistungserbringung seinen Anspruch auf das Honorar (§ 30 Abs. 1 FamFG, § 413 ZPO, § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 9 JVEG) und auf Ersatz von Auslagen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 JVEG) in entsprechender Anwendung des § 654 BGB verwirkt. Die Zahlungen auf eine Nichtschuld bewirken einen Schaden in entsprechender Höhe (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 591/11, NJW 2013, 401, 403); sie sind vom Leistungsempfänger aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (BGH, Beschluss vom 6. November 2013 - XII ZB 86/13, NJW 2014, 1007, 1008; KG, Beschluss vom 10. September 2015 - 1 Ws 47/15, juris Rn. 8; vgl. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1, § 818 Abs. 2 BGB) zurückzugewähren. Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Verwirkung des Vergütungsanspruchs eines Insolvenzverwalters (§ 63 Abs. 1 Satz 1 InsO) durch unerlaubtes Führen eines Diplomgrads (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 130 ff.) und des Vergütungsanspruchs eines Zwangsverwalters (§ 152a ZVG iVm §§ 18, 21 ZwVwV) durch unerlaubtes Führen eines akademischen Doktorgrads (BGH, Beschluss vom 10 23. September 2009 - V ZB 90/09, NJW-RR 2009, 1710) sind auch auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation anzuwenden. Der Angeklagte erwies sich wegen der schwerwiegenden Pflichtverletzungen, die gar den Straftatbestand des Missbrauchs von „Titeln“ erfüllten (§ 132a Abs. 1 Nr. 1 StGB), als persönlich ungeeignet, und hätte daher nicht zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt werden dürfen (§§ 151, 30 Abs. 1 FamFG, § 404 ZPO). Im Einzelnen:
(1) Nach gefestigter Rechtsprechung enthält § 654 BGB den allgemeinen Rechtsgedanken, dass ein Dienstverpflichteter einen an sich bestehenden Vergütungsanspruch verwirken kann, wenn das Dienstverhältnis besondere Treuepflichten begründet und er gegen diese in schwerwiegender, insbesondere strafrechtlich relevanter Weise verstößt. In solchen Fällen besteht ein Bedürfnis für eine von dem Entstehen eines ersatzfähigen Schadens unabhängige Sanktionierung mit Ausschluss des Anspruchs (BGH, Beschluss vom 23. September 2009 - V ZB 90/09, NJW-RR 2009, 1710). Dieser Grundgedanke ist nicht nur auf privatrechtliche Dienstverhältnisse (BGH, Urteile vom 5. Mai 1976 - IV ZR 53/75, WM 1976, 771, 772: Testamentsvollstrecker; vom 15. Januar 1981 - III ZR 19/80, NJW 1981, 1211, 1212: Rechtsanwalt; BayObLG, Beschluss vom 11. Juli 1991 - BReg. 3 Z 79/91, BayObLGZ 1991, 272, 275: Vormund) anzuwenden, sondern auch auf öffentlich-rechtliche wie bei der Bestellung eines gerichtlichen Sachverständigen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 1975 - X ZR 52/73, NJW 1976, 1154, 1155). Da der Sachverständige einen gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verbürgten Anspruch auf eine seiner Qualifikation und Tätigkeit angemessene Vergütung hat, gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allerdings eine enge Begrenzung der Fälle, in denen unwürdiges Verhalten des Dienstleistenden mit einer Verwirkung seines Anspruchs zu sanktionieren ist (BGH, Beschluss vom 6. Mai 2004 - IX ZB 349/02, BGHZ 159, 122, 132).
(2) An diesen Grundsätzen gemessen sind dem Angeklagten seine Ansprüche auf sein Honorar und auf Ersatz seiner Auslagen zu versagen. Seine Stellung als gerichtlich bestellter Sachverständiger ist in den entscheidungsrelevanten Punkten der Stellung eines Zwangsverwalters oder Insolvenzverwalters vergleichbar: Der Angeklagte übernahm als „Gehilfe des Richters“ (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 1975 - X ZR 52/73, NJW 1976, 1154, 1155) eine zentrale Rolle bei Entscheidung der Kindschaftssachen. Auf die Entscheidungsfindung konnte er wegen seiner Stellung wesentlichen Einfluss nehmen. Deshalb war nicht nur seine fachliche, sondern auch seine persönliche Eignung von entscheidender Bedeutung. Wer wie der Angeklagte sich Gerichtsaufträge durch Täuschung über seine berufliche Qualifikation erschleicht, gefährdet damit die Belange der Parteien des Rechtsstreits und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Lauterkeit des Gerichtsverfahrens erheblich. Diese Verstöße hatten so großes Gewicht, dass ein Ausschluss der Vergütungsansprüche verhältnismäßig ist.
(3) Der Heranziehung der seit dem 1. August 2013 geltenden und auf eine Befangenheitskonstellation (§ 30 Abs. 1 FamFG, §§ 406, 42 ZPO) zugeschnittenen Vorschrift § 8a Abs. 1 JVEG bedarf es nicht. Nach dieser Vorschrift entfällt der Vergütungsanspruch vollständig, wenn der Sachverständige es (von Anfang an) unterlässt, der heranziehenden Stelle unverzüglich solche Umstände anzuzeigen, die zu seiner Ablehnung durch einen Beteiligten berechtigen, es sei denn, er hat die Unterlassung nicht zu vertreten. Bei Einfügen des § 8a JVEG durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts hat sich der Gesetzgeber „an der für die Sachverständigenvergütung ausgewogenen Rechtsprechung“ orientiert (BT-Drucks. 17/11471, S. 259). Damit sind die Fälle der erfolgreichen Ablehnung eines Sachverständigen (§ 30 Abs. 1 FamFG, §§ 406, 42 ZPO) gemeint. § 8a JVEG soll die Fälle der nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung regeln. Die hier vorliegende Fallkonstellation, dass der Sachverständige durch den Missbrauch eines Titels seinen Anspruch verwirkt hat, wird mithin nicht von § 8a Abs. 1 JVEG erfasst.
(4) Der Verwirkung steht nicht entgegen, dass der Abschluss eines universitären Studiums mit dem Grad des Diplom-Psychologen nicht zwingende Voraussetzung für die Bestellung war (dazu unter [4.1]) und die Gutachten verwertet wurden (dazu unter [4.2]).
(4.1) § 163 FamFG aF enthielt (noch) keine Vorgaben für die Qualifikation des Sachverständigen in Kindschaftssachen; die nunmehr seit dem 5. Oktober 2016 geltenden Anforderungen (vgl. auch BT-Drucks. 18/6985, S. 17) dürfte der Angeklagte sogar erfüllen. Die Voraussetzung für die Bestellung war jedoch gerade dadurch entfallen, dass der Angeklagte mit dem unberechtigten Führen eines akademischen Grads eine Sachkunde in Anspruch nahm, die er nicht hatte. Bei Kenntnis dieser Umstände hätten ihn die Familiengerichte nicht zum Sachverständigen bestellen dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2009 - V ZB 90/09, NJWRR 2009, 1710, 1712). Denn nicht die fachliche Eignung stand in Frage, sondern die persönliche Zuverlässigkeit und Integrität. In diesem Sinne ist es nicht entscheidungserheblich, ob die Familienrichter den Angeklagten auch als „psychologischen Berater“ beauftragt hätten. Bei einer gerichtlichen Entscheidung nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 JVEG hätten sie dem Angeklagten seine Honoraransprüche in entsprechender Anwendung des § 654 BGB absprechen müssen.
(4.2) Die Vorschrift § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG nF, wonach die Leistungen als verwertbar gelten und damit zu vergüten sind, soweit das Gericht die Leistung berücksichtigt, ist auf die hier zu entscheidende Fallkonstellation nicht entsprechend anzuwenden. § 8a JVEG soll, wie ausgeführt, die Fälle der nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung regeln. § 8a Abs. 2 Satz 2 JVEG soll den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz (etwa KG, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 18 UF 145/06, 19 AR 2/09, MDR 2010, 719; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Juni 1992 - 11 WF 13/91, MDR 1992, 912, 913) normieren, dass im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht (erneut) über die Mangelhaftigkeit des Gutachtens gestritten werden soll; daher ist es zu vergüten, soweit das erkennende Gericht es verwertet hat (vgl. BT-Drucks. 17/11471, S. 260). Hier geht es indes nicht um die Mangelhaftigkeit der erstatteten Gutachten, sondern um die Verwirkung mit Strafcharakter (§ 654 BGB) wegen eines schwerwiegenden Pflichtenverstoßes. Mit seiner persönlichen Ungeeignetheit entwertete der Angeklagte seine Gutachten; in diesem Sinne war er für die Parteien der familiengerichtlichen Streitigkeiten „untragbar“.
b) Die Annahme von jeweils zwei Betrugstaten (§ 53 Abs. 1 StGB) in den Fällen 89 und 91 sowie 111 und 112 der Urteilsgründe erweist sich als rechtsfehlerhaft.
aa) Bei diesen Taten hat das Landgericht, in Abweichung von seiner sonstigen Einordnung, die es im Übrigen auf Grund eines Zählversehens im Tenor nicht richtig zum Ausdruck gebracht hat, nicht bedacht, dass in diesen Fällen das R.-Institut die Rechnungen jeweils am selben Tag, nämlich am 6. März 2013 bzw. 23. Mai 2013, erstellte. Das übereinstimmende Rechnungsdatum legt nahe, dass K. nach entsprechender Veranlassung durch den Angeklagten nach jeweiliger Gutachtenerstellung die Rechnungen am selben Tag zusammen absandte. Dann ist aber wegen der (Teil-) Identität der objektiven Ausführungshandlung eine tateinheitliche Verknüpfung der Betrugstaten anzunehmen (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB; BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 4 StR 398/14, wistra 2015, 146). Zumindest ist mit den Erwägungen des Landgerichts von einer natürlichen Handlungseinheit auszugehen (BGH, Beschluss vom 24. März 2015 - 4 StR 52/15, wistra 2015, 269, 270).
bb) Der Senat ändert den Schuldspruch insoweit jeweils auf eine Tat des Betrugs (§ 52 Abs. 1 StGB) in zwei tateinheitlich begangenen Fällen ab. Damit entfallen die für die Fälle 91 und 112 verhängten Einzelstrafen (Freiheitsstrafe von elf Monaten bzw. Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 €). Die jeweils andere Einzelfreiheitsstrafe von elf Monaten (Fälle 89 und 111) bleibt unter jeweiliger Einbeziehung des gleichartig verwirklichten Falles bestehen. Der Senat schließt aus, dass sich der geständige Angeklagte gegen diese Änderung des Konkurrenzverhältnisses wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Mit Blick auf die Klarheit und Verständlichkeit der Urteilsformel sieht der Senat gemäß § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO davon ab, in den betreffenden 23 Fällen, in denen der Angeklagte zwei- bzw. dreifach gegen § 263 Abs. 1 StGB verstieß, diese gleichartige Tateinheit (§ 52 Abs. 1 Alternative 2 StGB) im Tenor zum Ausdruck zu bringen (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2015 - 4 StR 38/15, wistra 2016, 70).
c) Die - nach teilweiser Verfahrenseinstellung verbleibende - Verurteilung wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB) in vier Fällen erweist sich ebenfalls als rechtsfehlerfrei. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
Die vom Angeklagten als Sachverständigen im familiengerichtlichen Verfahren gemachten Angaben zu seiner Person - und damit auch die zu seiner beruflichen Stellung (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 395 Rn. 2; BeckOK ZPO/Scheuch, § 395 Rn. 1) - unterfallen § 153 StGB. Zwar wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, der Vernehmungsgegenstand des Sachverständigen sei durch die Formulierung des Gutachtenauftrags begrenzt, weshalb Angaben zu seiner Person nicht Teil seiner Aussage i.S.d. § 153 StGB seien (NKStGB/Vormbaum, 5. Aufl., § 153 Rn. 13 f.). Dieser Ansatz berücksichtigt allerdings nicht, dass nach § 30 Abs. 1 FamFG, §§ 402, 395 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch die Angaben zur Person Teil der Vernehmung des Sachverständigen sind. Damit sind sie von der Wahrheitspflicht umfasst (vgl. Schönke/Schröder/Bosch/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., vor § 153 Rn. 13, § 153 Rn. 4). Dem steht nicht entgegen, dass sich der Sachverständigeneid nach § 410 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht auf die Angaben zur Person des Sachverständigen bezieht (vgl. RG, Urteil vom 17. Februar 1890 - 143/90, RGSt 20, 235 zur damals geltenden Rechtslage; LK/Ruß, StGB, 12. Aufl., § 153 Rn. 3). Denn § 153 StGB schließt auch den Teil der Vernehmung ein, der nicht von einer etwaigen Eidesleistung umfasst ist.
3. Der Strafausspruch enthält mit Ausnahme des durch die Änderung des Schuldspruchs bedingten Entfallens zweier Einzelstrafen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
a) Das Landgericht hat seiner Strafzumessung in den Betrugsfällen einen zutreffenden Schuldumfang zugrunde gelegt. Es durfte rechtsfehlerfrei auf die durch die Einzelauszahlungen zu Lasten der beiden Bundesländer unmittelbar bewirkten Vermögensschäden abstellen; denn der Angeklagte hatte seine Honorar- und Auslagenersatzansprüche in voller Höhe verwirkt (§ 654 BGB). Unter den hier gegebenen Umständen ist nicht ersichtlich, dass ihm eine Entlohnung außerhalb des Vergütungsfestsetzungsverfahrens aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen, etwa § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1, § 818 Abs. 2 BGB, zustehen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2009 - V ZB 90/09, NJW-RR 2009, 1710, 1712); andernfalls wäre der Sanktionscharakter des § 654 BGB nicht effektiv (Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 654 Rn. 3; MüKoBGB/Roth, 7. Aufl., § 654 Rn. 15; Jäger in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPKBGB, 8. Aufl., § 654 Rn. 11). Auch sonst sind keine besonderen materiellen Vorteile erkennbar, welche etwa nach berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) oder nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) auszugleichen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2009 - V ZB 90/09, NJWRR 2009, 1710, 1712).
b) Das Landgericht hat bezüglich des Falles 49 der Urteilsgründe keine Einzelstrafe festgesetzt. Indes ist den Strafzumessungserwägungen zu entnehmen, dass es ab einer Schadenssumme von 500 € einen besonders schweren Fall des Betrugs mit einer Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe (§ 263 Abs. 3 Satz 1 StGB) angenommen hat. Der Senat setzt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO in diesem Fall die geringste Strafe aus dem Strafrahmen für besonders schwere Fälle von sechs Monaten Freiheitsstrafe fest.
c) Der Wegfall von fünf Einzelstrafen lässt den Gesamtstrafenausspruch unberührt. Angesichts einer Einsatzfreiheitsstrafe von elf Monaten und 83 weiteren Strafen mit gleichem Strafmaß sowie der weiteren Vielzahl der Fälle ist auszuschließen, dass das Landgericht ohne die entfallenen fünf Einzelstrafen auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
4. Auch die Einziehungsentscheidung (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) lässt keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten erkennen. Der Marktwert seiner Gutachten ist nicht aufgrund der Rückausnahmeregelung bei Austauschverhältnissen nach § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 StGB von den vereinnahmten Honorargeldern abzuziehen. Denn wegen der Verwirkung entsprechend § 654 BGB sind die Gutachten wirtschaftlich wertlos und die Leistungen des Angeklagten mit „Null“ anzusetzen.
5. Der Durchsuchungsbeschluss vom 14. März 2014 hat die Verjährung der ersten Betrugstaten vor Ablauf von fünf Jahren unterbrochen (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4, §§ 78a, 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB; dazu BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05, NStZ 2007, 213, 214 f.).
HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 493
Externe Fundstellen: NStZ 2019, 462 ; StV 2020, 756
Bearbeiter: Christian Becker