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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 594

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 658/17, Beschluss v. 03.05.2018, HRRS 2018 Nr. 594


BGH 3 StR 658/17 - Beschluss vom 3. Mai 2018 (LG Trier)

Körperlich schwere Misshandlung bei der besonders schweren Vergewaltigung (hohe Anforderungen; Verhältnis zur schweren Körperverletzung und zur rohen Misshandlung; gravierende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität und des körperlichen Wohlbefindens; erhebliche Schmerzen).

§ 177 Abs. 4 StGB aF; § 177 Abs. 8 StGB nF

Leitsatz des Bearbeiters

Da § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a StGB aF (§ 177 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. a StGB nF) einerseits die zu verhängende Mindeststrafe im Vergleich zu § 177 Abs. 1 StGB aF wie zu § 177 Abs. 2 StGB aF in beträchtlichem Umfang erhöht, andererseits nach der gesetzlichen Unrechtsbewertung mit der Verursachung einer tatbedingten konkreten Todesgefahr im Sinne des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB aF auf einer Stufe steht, dürfen die insoweit zu stellenden Anforderungen nicht zu niedrig angesetzt werden. Die körperliche Integrität bzw. das körperliche Wohlbefinden des Opfers müssen in gravierender, mit erheblichen Schmerzen verbundenen Weise beeinträchtigt sein. Ein Erfolg im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB muss zwar nicht eintreten, eine rohe Misshandlung im Sinne von § 225 Abs. 1 StGB reicht aber nicht aus.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 14. September 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Vergewaltigung“ in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung einer Strafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten und zwei Wochen verurteilt. Das auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung.

1. Nach den Feststellungen vereinbarte der Angeklagte in einem Bordell mit der der Prostitution nachgehenden Geschädigten die Ausübung des Geschlechtsverkehrs. Nachdem er mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzogen hatte, war jedenfalls aus seiner Sicht der abgesprochene Zeitraum noch nicht ausgeschöpft, weshalb die Geschädigte ihm eine Massage anbot, während er ein weiteres Mal die Ausübung des Geschlechtsverkehrs verlangte. Dies lehnte die Geschädigte zunächst ab, erklärte sich aber, da der Angeklagte zunehmend aggressiv auftrat, letztlich doch dazu bereit. Dennoch begann dieser die Geschädigte so heftig zu würgen, dass sie Todesangst verspürte. Dann drückte er die Beine der Geschädigten auseinander und versuchte, ungeschützt in sie einzudringen. Ihrer Bitte, wenigstens ein Kondom zu benutzen, begegnete er mit verstärktem Würgen, so dass sie zunehmend schwächer wurde und ihre Abwehrbemühungen einstellen musste, was sie ihm mit einem „Okay“ signalisierte. Obwohl dem Angeklagten der entgegenstehende Wille der Geschädigten bewusst war, drang er nun ungeschützt in sie ein, wobei er seinen Würgegriff lockerte, sie aber an den Armen festhielt. Nach Beendigung des Geschlechtsverkehrs gelang es der Geschädigten, ihn von sich wegzuschubsen, weshalb er von ihr abließ.

2. Das Landgericht hat das Vorgehen des Angeklagten - was es im Schuldspruch nicht zum Ausdruck gebracht hat - als besonders schwere Vergewaltigung nach § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a StGB aF gewertet. Die Feststellungen tragen diese rechtliche Würdigung indes nicht.

Die Qualifikation des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a StGB aF (§ 177 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. a StGB nF) setzt voraus, dass der Täter das Opfer bei der Tat körperlich schwer misshandelt. Erforderlich ist danach eine gravierende Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens; ein Erfolg im Sinne der schweren Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 StGB braucht indes nicht einzutreten. Andererseits reicht eine rohe Misshandlung im Sinne von § 225 Abs. 1 StGB oder eine „nicht nur unerhebliche“ Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit nicht aus. Die körperliche Integrität des Opfers muss vielmehr in einer Weise, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist, beeinträchtigt sein (BGH, Urteile vom 13. September 2000 - 3 StR 347/00, NJW 2000, 3655; vom 9. Dezember 2014 - 5 StR 422/14, BGHSt 60, 89, 91 f.). Da der Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a StGB aF einerseits die zu verhängende Mindeststrafe im Vergleich zu dem Grundtatbestand des § 177 Abs. 1 StGB aF wie zu den besonders schweren Fällen des § 177 Abs. 2 StGB aF in beträchtlichem Umfang erhöht, andererseits nach der gesetzlichen Unrechtsbewertung mit der Verursachung einer tatbedingten konkreten Todesgefahr im Sinne des § 177 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b StGB aF auf einer Stufe steht, dürfen die insoweit zu stellenden Anforderungen nicht zu niedrig angesetzt werden.

Nach diesen Maßstäben belegen die bisher getroffenen Feststellungen eine körperlich schwere Misshandlung nicht. Danach würgte der Angeklagte die Geschädigte zwar heftig, so dass sie Todesangst verspürte und schließlich „schwächer“ wurde. Das Landgericht hat aber weder dargelegt, dass diese Behandlung für die Geschädigte in besonderer, eine „einfache“ Körperverletzung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB deutlich übersteigender Weise schmerzhaft war, noch hat es festgestellt, dass sie zu Verletzungen führte, die die körperliche Integrität schwer beeinträchtigten. Die Zeugin, die die Geschädigte unmittelbar nach der Tat sah, bemerkte lediglich Rötungen an deren Hals, die in den Urteilsgründen nicht näher beschrieben werden.

Das Urteil kann danach insgesamt keinen Bestand haben. Der Senat hat auch die an sich rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, die jedenfalls einen Schuldspruch wegen Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB aF tragen, aufgehoben, um der neu entscheidenden Strafkammer Gelegenheit zu geben, insgesamt stimmige Sachverhaltsfeststellungen - auch zu den Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB (zur lebensgefährdenden Behandlung durch Würgen vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 224 Rn. 31 mwN) - zu treffen.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 594

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 243

Bearbeiter: Christian Becker