HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 145
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 466/17, Beschluss v. 28.11.2017, HRRS 2018 Nr. 145
Auf die Revisionen der Angeklagten R. und D. wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 15. Juli 2016, soweit es diese Angeklagten betrifft,
in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass schuldig ist
der Angeklagte R. der Beihilfe zum Computerbetrug,
der Angeklagte D. der Beihilfe zum zweifachen Computerbetrug,
im jeweiligen Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen Computerbetrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten und den Angeklagten D. wegen Computerbetrugs in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen unter Einbeziehung einer früher gegen ihn verhängten Strafe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, zehn Monaten und zwei Wochen verurteilt. Dagegen richten sich die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gehörten die nicht revidierenden Mitangeklagten K. und T. einer Gruppe von Personen an, die sich zusammengeschlossen hatten, um die Bankkonten von Kunden der Postbank „leerzuräumen“, die mittels des sog. mTAN-Verfahrens am Online-Banking teilnahmen. Bei diesem Verfahren loggt sich der Bankkunde mit seinem Passwort auf der Webseite der Bank ein und gibt dann die für eine Überweisung notwendigen Angaben (insbesondere Kontonummer des Empfängers und Betrag) in die Eingabemaske ein. Anschließend wird ihm seitens der Bank automatisch per SMS eine Transaktionsnummer (TAN) auf sein Handy gesendet. Wenn der Bankkunde den Überweisungsauftrag durch Eingabe dieser Nummer bestätigt, wird die Überweisung automatisch ausgeführt.
Den Mitgliedern der Bande gelang es mittels Spyware in Form von sog. Trojanern, Kenntnis von den Konto- und Handydaten der betroffenen Bankkunden zu erlangen. Durch Aktivierung neuer SIM-Karten auf die Namen der Bankkunden waren sie anschließend in der Lage, von deren Konten Geld auf Bankkonten von Personen zu überweisen, die sie dafür angeworben hatten, ihnen ihr Konto zu diesem Zweck zur Verfügung zu stellen. Diesen Personen wurde in der Regel vorgetäuscht, dass ihr Bankkonto benötigt werde, damit ausländische Bekannte, die in Deutschland ein Fahrzeug kaufen wollten, Geld hierhin transferieren könnten. Dafür, dass sie ihr Konto als „Zielkonto“ zur Verfügung stellten, wurden sie finanziell entlohnt.
Schließlich vereinbarten die Bandenmitglieder mit den Inhabern der Zielkonten einen Termin, an dem die Gelder auf deren Konten überwiesen und so schnell wie möglich abgehoben werden sollten. Dazu begab man sich bevorzugt in Großstädte, weil es dort viele Bankfilialen gab, bei denen Geld ohne vorherige Ankündigung abgehoben werden konnte, und weil im Hinblick auf die Höhe der betreffenden Beträge sowie der nur in beschränktem Maße bei den Filialen vorhandenen Bargeldbestände mehrere Abhebungen bei verschiedenen Filialen erforderlich waren. Bei den Abhebungen wurde der Inhaber des Zielkontos jeweils von einem oder mehreren Bandenmitgliedern begleitet.
Während K. vor allem die Aufgabe hatte, die benötigten SIM-Karten zu beschaffen, für deren Aktivierung zu sorgen und die eingehenden TAN-Nummern sowie die abgehobenen Gelder an die Hintermänner weiterzuleiten, welche die Überweisungen durchführten, oblag es T., Personen ausfindig zu machen, die bereit waren, ihr Konto als Zielkonto zur Verfügung zu stellen und diese bei der Abhebung der Gelder zu begleiten. Nachdem T. im Sommer 2013 die Angeklagten kennengelernt hatte, erläuterte er ihnen das „Geschäftsmodell“ sowie den Ablauf der Taten und schlug ihnen vor, sich daran zu beteiligen, indem sie entweder ein eigenes Bankkonto als Zielkonto zur Verfügung stellten oder ihrerseits Personen an ihn vermittelten, die dazu bereit waren; er stellte ihnen dafür eine Provision in Aussicht, deren Höhe von derjenigen des durch die jeweilige Tat erlangten Betrages abhängig sein sollte.
Der Angeklagte R. beabsichtigte daraufhin, seinen langjährigen Bekannten W. dazu zu bewegen, sein Bankkonto zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck suchte er W. in Begleitung von T. auf. T. spiegelte W. sodann vor, dass dessen Konto benötigt werde, weil Litauer in Deutschland Autos kaufen wollten, und stellte ihm eine Belohnung in Aussicht. T. und R. versicherten W. auf dessen Nachfrage, dass alles legal sei; R. sagte W. überdies wahrheitswidrig, dass er „es“ schon mit seinem „eigenen Konto versucht“, dies aber „nicht geklappt“ habe. Da er R. schon lange kannte und ihm vertraute, erklärte sich W. daraufhin bereit, sein Konto zur Verfügung zu stellen. In der Folgezeit wurden ca. 70.000 € auf das Konto von W. überwiesen. W. hob das Geld bei verschiedenen Bankfilialen ab; dabei wurde er von T. und K. begleitet. Für die Vermittlung von W. erhielt R. schließlich 4.000 € von T. .
Der Angeklagte D. vermittelte einen Kontakt zwischen seinem Bekannten S. und T., weil er wusste, dass S. an einer Tatbeteiligung interessiert war. T. erläuterte daraufhin auch S. den Ablauf der Taten und S. sagte ihm zu, Personen ausfindig zu machen, die bereit wären, ein Zielkonto zur Verfügung zu stellen. In der Folgezeit warb S. unter anderem die Zeuginnen Re. und Si. zu diesem Zweck an. Am 26. August 2013 sollte sodann eine Tat unter Nutzung des Kontos von Re. durchgeführt werden. S. holte die Zeugin an diesem Tag an ihrem Wohnort in G. ab und fuhr mit ihr nach Hamburg, wo sie sich mit T. und D. trafen. T. und D. spiegelten der Zeugin dort nochmals vor, dass ihr Konto für die Abwicklung eines Fahrzeugkaufs benötigt werde; zu diesem Zweck gaben sich T. als ausländischer Fahrzeugkäufer und D. als Dolmetscher aus. Anschließend begaben sich alle vier zu einer Bankfiliale, weil sie annahmen, dass schon Geld auf das Konto von Re. überwiesen worden sei, was indes nicht gelungen war.
Am nächsten Tag setzte T. S. davon in Kenntnis, dass am 28. August 2013 ein erneuter Versuch unter Nutzung des Kontos von Re. unternommen werden sollte. Zu diesem Zweck holten S., T. und der nicht revidierende Mitangeklagte So. die Zeugin am Morgen des 28. August 2013 in G. ab und fuhren mit ihr nach Frankfurt am Main, wo sie K. trafen. Auf das Konto von Re. waren zwischenzeitlich 55.000 € überwiesen worden. In Begleitung von T. und K. gelang es ihr, 22.000 € von ihrem Konto abzuheben, bevor es gesperrt wurde, weil die Manipulation entdeckt worden war. D. war an diesem Tag nicht vor Ort; T. gab ihm schließlich einen Beuteanteil in unbekannter Höhe.
Im Oktober 2013 erbeutete die Bande unter Nutzung des Kontos der von S. vermittelten Zeugin Si. einen Betrag in Höhe von 74.000 €. An der Abwicklung dieser Tat war D. nicht beteiligt. Er erhielt wiederum einen Beuteanteil in unbekannter Höhe.
2. Das Landgericht hat die von der Bande um K. und T. begangenen Taten zu Recht jeweils als Computerbetrug (§ 263a Abs. 1 StGB) gewertet. Die Annahme der Strafkammer, dass sich die Angeklagten R. und D. daran als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) beteiligt haben, hält rechtlicher Überprüfung dagegen nicht Stand.
a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Frage, ob ein Beteiligter eine Tat als (Mit-)Täter oder Gehilfe begeht, nach folgenden Kriterien zu beurteilen ist: Mittäterschaft ist gegeben, wenn ein Tatbeteiligter mit seinem Beitrag nicht bloß fremdes tatbestandsverwirklichendes Tun fördern will, sondern dieser Beitrag im Sinne arbeitsteiligen Vorgehens Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein soll. Dabei muss der Beteiligte seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Der gemeinschaftliche Tatentschluss kann durch ausdrückliche oder auch durch konkludente Handlungen gefasst werden. Ob ein Beteiligter ein derart enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Beurteilung können der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille hierzu sein, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 23. März 1994 - 3 StR 664/93, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 16). Die Annahme von Mittäterschaft erfordert allerdings nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen; es kann sogar ein Beitrag im Vorbereitungsstadium des unmittelbar tatbestandlichen Handelns (BGH, Beschluss vom 19. August 2014 - 3 StR 326/14, juris Rn. 7; Urteil vom 8. Januar 1992 - 3 StR 391/91, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 12) und ein solcher im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung der Tat (BGH, Beschluss vom 14. Juni 1989 - 3 StR 156/89, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 5) genügen.
Daran gemessen sind die Tatbeiträge der Angeklagten R. und D. indes nicht als Mittäterschaft zu bewerten.
In Bezug auf den Angeklagten R. reicht es insoweit entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht aus, dass ihm „bei der Anwerbung des Zeugen W. eine entscheidende Rolle“ zukam, die Bereitstellung von dessen Konto „ein für die Tatbegehung wesentlicher Aspekt“ war und R. „ein eigenes Interesse an der Tat“ hatte, weil er einen Teil der Beute erlangen wollte. Denn der Tatbeitrag von R. erschöpfte sich in der Vermittlung von W. als Inhaber eines Bankkontos, das die Bande als Zielkonto nutzen konnte. R. leistete diesen Beitrag weit im Vorfeld der Tat und war in deren unmittelbare Ausführung in keiner Weise eingebunden; dementsprechend hatte er insoweit auch keinerlei Tatherrschaft.
Bei wertender Betrachtung hat R. durch die Vermittlung von W. deshalb nur einen Beitrag geleistet, der fremdes tatbestandliches Tun gefördert hat und nicht im Sinne arbeitsteiligen Vorgehens als Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit erscheint. Da er den Feststellungen zufolge selbst nicht Mitglied der Bande war, lässt sich auch daraus nicht herleiten, dass er durch die von ihm ausgeübte Vermittlungstätigkeit in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Tatausführung eingebunden war (vgl. dazu in Fällen einer Kuriertätigkeit beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 223 f.). Schließlich führt mangels jedweder Tatherrschaft in Bezug auf den unter Nutzung des Bankkontos von W. begangenen Computerbetrug auch die von R. erstrebte „Vermittlungsprovision“ zu keiner anderen Beurteilung.
Gleiches gilt im Hinblick auf den Angeklagten D., dessen Mittäterschaft die Strafkammer aufgrund entsprechender Erwägungen wie bei R. bejaht hat. Der Tatbeitrag von D., der ebenso wie R. kein Mitglied der Bande war, erschöpfte sich ebenfalls im Wesentlichen darin, der Bande weit im Vorfeld der Taten Kontakt zu dem gesondert verfolgten S. zu vermitteln, der seinerseits bereit war, Inhaber von Zielkonten anzuwerben. Darüber hinaus war D. lediglich vor Ort, als am 26. August 2013 der erfolglose Versuch unternommen wurde, eine Tat unter Nutzung des Bankkontos der Zeugin Re. auszuführen. Seine Anwesenheit bei dieser Gelegenheit begründete indes keine Tatherrschaft. Sie diente den Feststellungen zufolge im Wesentlichen dazu, die Zeugin, die sich geweigert hatte, ihre Online-Banking-Daten preiszugeben, in ihrem Glauben zu bestärken, dass ihr Konto für die Abwicklung eines Fahrzeugkaufs benötigt werde.
b) Danach haben sich R. und D. aufgrund der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nur wegen Beihilfe zum Computerbetrug (R.) bzw. wegen Behilfe zum zweifachen Compterbetrug (D.) strafbar gemacht. Der Senat hat die Schuldsprüche entsprechend geändert, weil auszuschließen ist, dass weitere Feststellungen getroffen werden können, welche die Annahme von Mittäterschaft tragen (§ 354 Abs. 1 analog StPO).
3. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der Strafaussprüche. Die diesen zugrunde liegenden Feststellungen bleiben von dem Rechtsfehler indes unberührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 145
Bearbeiter: Christian Becker