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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 134

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 371/17, Beschluss v. 03.11.2017, HRRS 2018 Nr. 134


BGH 3 StR 371/17 - Beschluss vom 3. November 2017 (LG Lüneburg)

Betrug (Vermögensschaden beim Finanzierungsleasing; Eingehungsbetrug; Kaufpreiszahlung; wirtschaftlich und rechtlich aufeinander bezogene Geschäfte; Dreiecksverhältnis; Leasingnehmer; Leasinggeber; Leasingraten).

§ 263 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Wird der Leasinggeber im Rahmen eines Finanzierungsleasings darüber getäuscht, dass er an dem zu finanzierenden (Leasing-)Gegenstand Eigentum erwirbt, entsteht ein Vermögensschaden durch die Zahlung des Kaufpreises unabhängig von etwaigen Ansprüchen gegen den Leasingnehmer (insbesondere auf Zahlung der Leasingraten). Obwohl es sich in solchen Fällen bei Leasing- und Kaufgeschäft um wirtschaftlich und rechtlich aufeinander bezogene Geschäfte handelt, ist das entstehende leasingtypische Dreiecksverhältnis mit zwei verschiedenen Leistungsbeziehungen auch bei der strafrechtlichen Beurteilung zu beachten.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 3. April 2017 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, denn die umfassende Überprüfung des Urteils hat auch unter Berücksichtigung der Revisionsrechtfertigung im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich die von dem Angeklagten als Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer betriebene Gesellschaft P. GmbH (im Folgenden: P.), die sich unter anderem mit dem Vertrieb, der Einrichtung und der Wartung von Telefonanlagen befasste, seit den Jahren 2008/2009 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Um der Gesellschaft die benötigte Liquidität zuzuführen, entschloss sich der Angeklagte spätestens ab Ende des Jahres 2009 dazu, Kunden, denen er bereits eine von einer Leasinggesellschaft bezahlte und von den Kunden geleaste Telefonanlage geliefert hatte, anzubieten, die Anlage über einen neuen Leasingvertrag „umzufinanzieren“. Durch die Zahlung der neuen Leasingrate sollten angeblich nicht mehr nur die Kosten für die Anlage, sondern auch die an seine Gesellschaft zu entrichtenden Entgelte für die laufende Wartung und die anfallenden Telekommunikationsgebühren im Rahmen einer Pauschale abgegolten sein. Da dies seinen Kunden günstiger erschien, waren sie zum Abschluss entsprechender Verträge bereit. Der Angeklagte beantragte daraufhin bei Leasinggesellschaften, die mit den Kunden bislang noch keine Geschäftsbeziehung unterhalten hatten, jeweils eine Finanzierung für eine angeblich komplett neu zu liefernde Anlage, also eine Leasing-Kredit-Zusage an den jeweiligen Kunden, der auch Vertragspartner der Leasinggesellschaft werden sollte. Die Zusage wurde zu Händen des Angeklagten ausgestellt, der als Lieferant unmittelbar die Darlehensvaluta - aus Sicht der Leasinggesellschaften als Kaufpreis - erhalten sollte, nachdem er den Nachweis über die Lieferung der Anlage erbracht hatte. Um dies zu bewerkstelligen, erklärte er seinen Kunden, Voraussetzung für die „Umschuldung“ sei die schriftliche Bestätigung der Übernahme der (Alt-)Anlage. Da sie dies für eine Formalie hielten, unterschrieben die Kunden - außer in einem Fall, in dem der Angeklagte das Dokument anderweitig beschaffte - daraufhin die ihnen von dem Angeklagten vorgelegten Übernahmebestätigungen, die dieser bei den Leasinggesellschaften einreichte. Die P. erhielt daraufhin den gesamten Kaufpreis ausgezahlt; der Angeklagte verwendete das Geld umgehend - wie geplant - zur Stützung der von ihm betriebenen Gesellschaft. Die Leasinggesellschaften gingen irrtümlich davon aus, der Angeklagte habe an die jeweiligen Kunden in allen Fällen eine neue Telefonanlage geliefert, die sie finanzieren wollten und hinsichtlich derer sie auch nach der Vorstellung des Angeklagten annahmen, zur Sicherung der Ansprüche aus den jeweiligen Leasingverträgen Eigentum erworben zu haben.

Gegenüber den Kunden verpflichtete der Angeklagte seine Gesellschaft zur Ablösung der Altverträge, zur Erbringung von Serviceleistungen und zur Übernahme der Telefonkosten; diese Verpflichtungen erfüllte die P. bis zu ihrer Insolvenz im Januar 2014 jedenfalls zum Teil. Dem Angeklagten war bewusst, dass er im Sinne eines „Schneeballsystems“ zur Deckung des jeweils aktuellen Kapitalbedarfs für seine Gesellschaft erhebliche Verpflichtungen einging, deren Erfüllung aufgrund der prekären wirtschaftlichen Situation der P. ausgesprochen fraglich war.

In den elf zur Verurteilung gelangten Fällen vereinnahmte die P. jeweils den vollen Rechnungsbetrag für die - tatsächlich nicht gelieferten - Anlagen, insgesamt mehr als eine Million €. Nach Auffassung der Strafkammer seien die Schäden indes - entgegen der Anklageschrift, die sich ebenfalls an den jeweils vereinbarten Kaufpreisen, also den Rechnungsbeträgen, orientiert hat - deutlich geringer gewesen, weshalb sie zu Gunsten des Angeklagten diese niedrigeren Schadensbeträge zugrunde gelegt habe. In der Schilderung der jeweiligen Fälle hat sie - nicht näher erläuterte - Schadensbeträge bei den Leasinggesellschaften und den Kunden addiert und ist auf einen Gesamtschaden von gut 570.000 € gelangt. Die angenommenen addierten Schadensbeträge liegen jeweils - teilweise sehr deutlich - unter den Rechnungsbeträgen, außer im Fall II. 5. der Urteilsgründe, in dem der angenommene Schaden geringfügig größer ist, als die Leasingsumme.

2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen erweist sich der Schuldspruch wegen Betruges in elf Fällen als zutreffend.

a) Indem der Angeklagte jeweils eine Finanzierung für eine neu zu liefernde Anlage beantragte und später die Übernahmebescheinigungen für die Anlagen vorlegte, täuschte er die handelnden Personen bei den Leasinggesellschaften über die tatsächlich mit seinen Kunden getroffenen abweichenden Vereinbarungen. Die getäuschten Leasinggeber gingen deshalb irrtümlich von der Lieferung neuer Anlagen aus, an denen sie nach Leistung der Kaufpreiszahlung an den Angeklagten - wie beim Finanzierungsleasing üblich - Eigentum erwerben würden. Aufgrund dieses Irrtums verfügten sie über ihr Vermögen, indem sie die in Rechnung gestellten Kaufpreise für die - vermeintlich neuen - Anlagen an die Firma des Angeklagten, die P., zahlten. Dass der Angeklagte nach den Feststellungen auch seine Kunden täuschte, ist insoweit ohne Belang.

b) Aufgrund dieser Zahlungen entstand bei den Leasinggesellschaften ein Schaden in Höhe der jeweils gezahlten Kaufpreise, denn sie erhielten die dafür vorgesehene Gegenleistung - das Eigentum an den Anlagen - nicht, weil der Angeklagte ihnen dieses nicht verschaffen konnte: Es wurden keine neuen Anlagen geliefert, an denen das Eigentum hätte übertragen werden können; das Eigentum an den Altanlagen lag bei den Leasinggesellschaften, die die Anlagen finanziert hatten, als die P. sie ursprünglich an die Kunden geliefert hatte.

c) Anders als die Strafkammer angenommen hat, waren etwaige von den Kunden geleistete Leasingraten oder sonstige von ihnen an die Leasinggesellschaften gezahlte Beträge nicht von den Rechnungsbeträgen abzuziehen. Zwar sind bei einem Betrug, bei dem der Geschädigte zum Abschluss eines Vertrags verleitet wird, bei der für die Schadensbestimmung erforderlichen Gesamtsaldierung der Geldwert des erworbenen Anspruchs gegen den Vertragspartner und der Geldwert der eingegangenen Verpflichtung miteinander zu vergleichen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. März 2017 - 1 StR 350/16, NStZ 2017, 413, 414 mwN). Bei diesem Vergleich der unmittelbar aus den Verträgen zwischen der vom Angeklagten betriebenen P. und den Leasinggesellschaften resultierenden wechselseitigen Verpflichtungen haben hier aber die von den Leasinggesellschaften gegen die jeweiligen Leasingnehmer erworbenen Ansprüche aus den Leasingverträgen außer Betracht zu bleiben. Der Umstand, dass es sich bei den vorliegenden Leasing- und Kaufgeschäften um wirtschaftlich und rechtlich aufeinander bezogene Geschäfte handelte, führt zu keiner anderen Bewertung: Zwischen der P., den Leasinggesellschaften und den Kunden bestand durch die jeweiligen Vertragsschlüsse ein Dreiecksverhältnis, bei dem die Leasinggesellschaften mit der P. und damit einem vom Leasingnehmer unterschiedlichen Verkäufer jeweils einen Kaufvertrag schlossen, um den Leasinggegenstand zu erwerben, den sie benötigten, um ihre durch die Leasingverträge mit den Kunden begründeten Gebrauchsüberlassungspflichten erfüllen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - VIII ZR 178/13, NJW 2014, 1519, 1520). Dieses leasingtypische Dreiecksverhältnis mit zwei verschiedenen Leistungsbeziehungen ist auch bei der strafrechtlichen Beurteilung zu beachten (BGH, Beschluss vom 9. März 2017 - 1 StR 350/16, NStZ 2017, 413, 414 f. mwN). In dem Leistungsverhältnis zwischen der P. und den Leasinggesellschaften bleibt es deshalb dabei, dass letztere für die Bezahlung des Kaufpreises von der P. keine Gegenleistung erhielten, weil ihnen das geschuldete Eigentum nicht übertragen wurde.

d) Umgekehrt waren - worauf die Revision im Ansatz zutreffend hingewiesen hat - die bei den Kunden als Leasingnehmern entstandenen Schäden nicht zu den bei den Leasinggesellschaften entstandenen Schäden hinzu zu addieren, denn insoweit fehlt es an dem für die Bereicherungsabsicht erforderlichen Merkmal der Stoffgleichheit (vgl. zu diesem Merkmal LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 256 ff. mwN): Der von dem Angeklagten erstrebte Vorteil lag in der Zahlung der Kaufpreise der Leasinggesellschaften an die P. Dieser Vorteil stellt sich nicht als unmittelbare Folge der bei den Kunden entstandenen Schäden in Gestalt von deren Zahlungen an die Leasinggesellschaften dar; auf ihn bezog sich mithin die - im Übrigen rechtsfehlerfrei festgestellte - Absicht des Angeklagten, sich bzw. die von ihm betriebene P. rechtswidrig zu bereichern, nicht.

3. Auch der Strafausspruch hat trotz der von der Strafkammer vorgenommenen rechtsfehlerhaften Schadensberechnung im Ergebnis Bestand.

Dies gilt zunächst für die Fälle II. 1. bis 4. und 6. bis 11. der Urteilsgründe, weil die Strafkammer insoweit durchweg von unter den Kaufpreisen liegenden Schadensbeträgen ausgegangen ist. Der Angeklagte ist mithin durch die unzutreffende Berechnung begünstigt worden und nicht beschwert.

Aber auch im Fall II. 5. der Urteilsgründe, in dem der angenommene Schaden mit 35.985,60 € um 2.665,60 € über dem Rechnungsbetrag lag, kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Schadensberechnung auf eine geringere Einzelstrafe als die verhängte von acht Monaten Freiheitsstrafe erkannt hätte: In den Fällen II. 1., 2. und 4. der Urteilsgründe, in denen die Strafkammer von (addierten) Schadensbeträgen von 19.756,06 € (Fall II. 1.), 23.176,41 € (Fall II. 2.) und 30.759,24 € (Fall II. 4.) ausgegangen ist, hat sie auch jeweils eine Freiheitsstrafe von acht Monaten ausgeurteilt; angesichts dessen ist nicht anzunehmen, dass sie bei Zugrundelegung der zutreffenden Schadenssumme von 33.320 € eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 134

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2018, 77

Bearbeiter: Christian Becker