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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 1008

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 299/17, Beschluss v. 22.08.2017, HRRS 2017 Nr. 1008


BGH 3 StR 299/17 - Beschluss vom 22. August 2017 (LG Düsseldorf)

Anforderungen an die Feststellungen zu einem fehlgeschlagenen Versuch bei Eingreifen eines Dritten (subjektives Scheitern der Tat; physische Unmöglichkeit; freiwillige Abstandnahme).

§ 24 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Hält er dagegen die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten.

2. Wird der Täter durch eine andere Person von der Tatbegehung abgehalten, bedarf es für die Annahme eines nicht mehr rücktrittsfähigen fehlgeschlagenen Versuchs Feststellungen dazu, dass der Handelnde sein Vorgehen aufgrund des Einschreitens des Dritten als gescheitert ansieht oder dass ihm die Tatbegehung hierdurch anderweitig unmöglich wird. Dagegen bleibt ein Rücktritt möglich, wenn der Täter das Eingreifen der anderen Person zum Anlass für eine freiwillige Abstandnahme von der Tat nimmt.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 21. Dezember 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

im Schuldspruch, soweit der Angeklagte wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist,

im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf zwei Verfahrensbeanstandungen sowie die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verfahrensrügen dringen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.

2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit er wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt worden ist. Der Schuldspruch wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung begegnet demgegenüber durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte dazu, die auf dem Fahrersitz ihres Pkw sitzende Zeugin E. mit einem Messer anzugreifen. Er griff mit einer Hand durch das geöffnete Fenster der Fahrertür in die Haare der Zeugin, versuchte daran zu ziehen und führte mit einem Messer, das er in seiner anderen Hand hielt, eine Stichbewegung in Richtung ihres Halses aus, um sie dort zu treffen. Bevor es zu einer Verletzung kam, packte ihn der Mitangeklagte am Arm und zog ihn von dem Fahrzeug weg. Anschließend entfernten sich beide mit ihrem Pkw vom Tatort.

Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat die Strafkammer ausgeführt, dass der Angeklagte nicht gemäß § 24 Abs. 1 StGB mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch zurückgetreten sei, weil er „die Tatausführung nicht freiwillig aufgegeben“ habe, sondern von dem Mitangeklagten daran „gehindert“ worden sei.

b) Diese Bewertung wird von den Feststellungen nicht getragen, weil sich daraus nichts über das Vorstellungsbild des Angeklagten nach der von ihm vorgenommenen Tatausführungshandlung ergibt. Insoweit gilt:

aa) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn die Tat nach dem Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Hält er dagegen die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12, juris Rn. 4).

bb) Hier ist nicht ersichtlich, dass der Mitangeklagte den Angeklagten, nachdem er ihn am Arm gepackt und von dem Fahrzeug der Zeugin weggezogen hatte, auch weiterhin physisch daran hinderte, diese abermals mit dem Messer anzugreifen. Da sich beide sodann mit ihrem Fahrzeug entfernten, erscheint es vielmehr möglich, dass der Mitangeklagte den Angeklagten zwischenzeitlich losgelassen hatte, so dass diesem die weitere Tatausführung objektiv nicht unmöglich war. Die Feststellungen belegen auch nicht, dass der Angeklagte sein Vorhaben durch das Einschreiten des Mitangeklagten als gescheitert ansah; gleichermaßen möglich ist, dass ihn dies dazu veranlasste, die weitere Tatausführung freiwillig aufzugeben.

c) Die Sache bedarf deshalb insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung führt zum Wegfall der dafür verhängten Freiheitsstrafe von zehn Monaten und bedingt die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 1008

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2017, 335

Bearbeiter: Christian Becker