HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 126
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 233/17, Urteil v. 24.08.2017, HRRS 2018 Nr. 126
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. Januar 2017 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sieben Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
a) Die am 28. November 2003 geborene Nebenklägerin, die Nichte der Ehefrau des Angeklagten, unterhielt zu diesem eine sehr vertrauensvolle Beziehung. Sie hielt sich häufig im Haushalt seiner Familie auf und übernachtete mehrfach dort. Im Zeitraum von Sommer 2015 bis zum 15. Juli 2016 nahm der Angeklagte während solcher Übernachtungsbesuche im Wohnzimmer oder im getrennten Schlafzimmer der Ehefrau siebenmal sexuelle Handlungen an der - damals elf- bzw. zwölfjährigen - Nebenklägerin vor:
In sämtlichen Fällen streichelte er die schlafende Nebenklägerin unter dem Schlafanzug an der Brust sowie im Genitalbereich und drang mit dem Finger in ihre Vagina ein. In drei der Fälle zog er - zusätzlich - im Anschluss daran ihre Schlafanzughose ein Stück herunter und leckte an ihrer Scheide. Im zeitlich letzten Fall vollzog er mit ihr - nach dem Einführen des Fingers - den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss. Die Nebenklägerin wurde stets vor Beendigung der sexuellen Handlungen wach, stellte sich jedoch, vom Angeklagten unbemerkt, weiter schlafend.
b) Nach Bekanntwerden der Taten noch am 15. Juli 2016 wurde der Angeklagte für 48 Tage in Untersuchungshaft genommen; mit der Außervollzugsetzung des Haftbefehls am 1. September 2016 wurde er angewiesen, keine Verbindung zu der Nebenklägerin aufzunehmen. Deren Vater, der selbst die Verbindung zur Familie des Angeklagten abbrach, untersagte auch der Nebenklägerin jeglichen Kontakt.
Mit Schreiben vom 13. September 2016 wandte sich der Angeklagte über seinen Verteidiger an den Vater der Nebenklägerin und führte aus, er bereue das Geschehene und ihm sei bewusst, dass seine Taten unentschuldbar seien und einen groben Missbrauch des Vertrauens innerhalb der Familie und gegenüber der Nebenklägerin darstellten. Zugleich bot er eine Entschädigungszahlung von 5.000 € an. Mit Verteidigerschreiben vom 12. Januar 2017 bekundete der Angeklagte nochmals, dass ihm die Taten leidtäten, und machte ein Angebot über ein weiteres Schmerzensgeld von 5.000 €. Beide Beträge wurden gezahlt. Im Hauptverhandlungstermin am 23. Januar 2017 schlossen der Angeklagte und die von ihren Eltern vertretene Nebenklägerin einen Vergleich, in dem er sich verpflichtete, ihr über die bereits geleisteten 10.000 € hinaus sämtliche zukünftigen tatbedingten materiellen oder immateriellen Schäden zu ersetzen und ihre vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie die Kosten des Adhäsionsverfahrens zu übernehmen.
2. Das Landgericht hat auf Grund folgender Wertungen die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB bejaht:
Der Angeklagte, der sich in der Hauptverhandlung geständig eingelassen und reuig gezeigt habe, habe Verantwortung für seine Taten übernommen und die „Opfersituation“ der Nebenklägerin anerkannt. Im Abschluss des Vergleichs einschließlich der geleisteten Zahlungen sei „eine Maßnahme von friedensstiftender Wirkung“ zu sehen. Einem nachhaltigen Streben nach Wiedergutmachung stehe nicht entgegen, dass es einen unmittelbaren Kontakt zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin, etwa im Sinne einer Aussprache oder ihr persönlich gegenüber erklärten Entschuldigung, nicht gegeben habe. Eine direkte Kontaktaufnahme sei dem Angeklagten schon auf Grund des in dieser Sache ergangenen Haftverschonungsbeschlusses untersagt und darüber hinaus auch vom Vater der Nebenklägerin „nicht gewünscht“ gewesen. Die Möglichkeiten des Angeklagten seien daher von vornherein auf „einen indirekten Kontakt“ über seinen Verteidiger und „ein Handeln finanzieller Art“ beschränkt gewesen. In dem Geschehen sei ein „kommunikativer Prozess“ zu erblicken.
Infolgedessen hat das Landgericht die Einzelstrafen dem nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten) entnommen. Zwar hat es nach einer Gesamtschau aller strafzumessungsrelevanten Umstände - erst - unter Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 46a Nr. 1 StGB minder schwere Fälle nach § 176a Abs. 4 Alternative 2 StGB angenommen, indes nach einer Gesamtabwägung den dort normierten Strafrahmen (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) nicht angewandt. Denn die jeweilige Einzelstrafe sei eher am unteren Rand des zur Verfügung stehenden Strafrahmens auszurichten; insoweit sei die Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB für den Angeklagten günstiger.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Rechtsfolgenausspruchs auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil oder zum Nachteil (vgl. § 301 StPO) des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedürfen lediglich die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB und die - hierauf beruhende - Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB:
1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB werden durch die Feststellungen hinreichend belegt.
a) Im rechtlichen Ausgangspunkt gilt:
Ob das Tatgericht die Voraussetzungen des § 46a StGB annimmt, hat es in wertender Betrachtung zu entscheiden (vgl. nur BGH, Urteil vom 6. Februar 2008 - 2 StR 561/07, NStZ 2008, 452). Die - vorrangig den Ausgleich immaterieller Tatfolgen betreffende - Alternative des § 46a Nr. 1 StGB macht die Milderungsmöglichkeit davon abhängig, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Tatopfer zu erreichen, die Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder dieses Ziel jedenfalls ernsthaft erstrebt hat. Das erfordert - in beiden Varianten - grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, im Rahmen dessen das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung ist und das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein (BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 576/16, NStZ-RR 2017, 198, 199; Beschluss vom 28. Januar 2016 - 3 StR 354/15, NStZ 2016, 401, 402, jew. mwN). Bloß einseitige Bemühungen des Täters ohne den Versuch einer Einbindung des Opfers sind dagegen nicht ausreichend (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 142 f. mwN; vom 28. Mai 2015 - 3 StR 89/15, juris Rn. 11).
Demnach ist ein kommunikativer Prozess grundsätzlich auch erforderlich, soweit es § 46a Nr. 1 StGB genügen lässt, dass der Täter die Wiedergutmachung seiner Tat ernsthaft erstrebt. Auch für diese Variante des Täter-Opfer-Ausgleichs kommt es darauf an, inwieweit der Täter das Opfer an diesem beteiligt und es sich auf freiwilliger Grundlage hierzu bereitfindet (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 2005 - 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276; vom 28. Mai 2015 - 3 StR 89/15, aaO, Rn. 13; Beschluss vom 8. Juli 2014 - 1 StR 266/14, NStZ-RR 2014, 304, 305). Lässt sich der Verletzte auf einen kommunikativen Prozess nicht ein, so hat dies der Täter - trotz der herabgesetzten Anforderungen an einen erfolgreichen Ausgleich - prinzipiell hinzunehmen; denn ohne Zustimmung des Opfers fehlt bereits die Basis für seine Bemühungen. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung des Verfahrens für die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs - zumindest im Grundsatz - nicht angenommen werden. Allein auf die Sicht „eines vernünftigen Dritten“ kommt es nicht an (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, aaO, S. 142 f.; vom 26. August 2003 - 1 StR 174/03, NStZ-RR 2003, 363; vom 7. Dezember 2005 - 1 StR 287/05, aaO; vom 28. Mai 2015 - 3 StR 89/15, aaO, Rn. 13; einschränkend, indes nicht tragend BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02, NJW 2002, 3264, 3265).
Deshalb hat das Tatgericht regelmäßig insbesondere Feststellungen dazu zu treffen, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat (vgl. BGH, Urteile vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04, juris Rn. 9; vom 28. Mai 2015 - 3 StR 89/15, aaO, Rn. 11). Im Hinblick auf Erfolg oder Misserfolg des Täter-Opfer-Ausgleichs sind dabei insbesondere ein Wille des Verletzten zur Versöhnung und eine für ihn erzielte Genugtuung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, aaO, S. 140 mwN). So können eine geständige Einlassung des Täters und seine Entschuldigung in der Hauptverhandlung, deren Annahme durch das Opfer sowie die Übergabe eines vergleichsweise geringen Geldbetrages für einen erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich ausreichend sein (so BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 - 1 StR 576/16, aaO), wohingegen ein reumütiges Geständnis des Täters und die bloße Annahme dessen Schmerzensgeldangebots durch den Verletzten - für sich gesehen - noch kein ausreichendes Indiz für einen kommunikativen Prozess sein müssen, das sachlich-rechtlich zur Erörterung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB in den Urteilsgründen zwingt (so BGH, Urteil vom 3. November 2011 - 3 StR 267/11, NStZ-RR 2002, 43 f.).
b) Nach alledem war für einen Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB die persönliche Beteiligung der Nebenklägerin erforderlich. Sie war auch nicht deswegen - ausnahmsweise - entbehrlich, weil bei den Vergleichsverhandlungen und dem Vergleichsschluss die Eltern in ihrem Namen handelten und sie über die gegenständlichen Missbrauchstaten nicht sprechen wollte:
aa) Dass die Eltern als gesetzliche Vertreter an dem Zustandekommen der Einigung mitwirkten, kann eine Einbeziehung der Nebenklägerin in den Täter-Opfer-Ausgleich nicht ersetzen.
Zwar setzt der kommunikative Prozess keine persönliche Begegnung des Täters mit seinem Opfer voraus. Eine Verständigung über vermittelnde Dritte, etwa - wie hier - den Verteidiger und die gesetzlichen Vertreter, genügt (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2005 - 1 StR 287/05, aaO; Beschluss vom 8. Juli 2014 - 1 StR 266/14, aaO; MüKoStGB/Maier, 3. Aufl., § 46a Rn. 29) und wird bei schwerwiegenden Sexualdelikten, wie vorliegend abgeurteilt, vielfach als opferschonendes Vorgehen ratsam sein (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02, aaO). Jedoch ist ein solcher vermittelter kommunikativer Prozess nicht gegeben, wenn die Erklärungen des Täters das Opfer erst gar nicht erreichen.
Allein der Umstand, dass es sich bei der Nebenklägerin um eine Minderjährige handelt, die im Rechtsverkehr von ihren Eltern gesetzlich vertreten wird, lässt keine abweichende Wertung zu. Die Vorschrift des § 46a StGB will einen Anreiz für Bemühungen um einen friedensstiftenden Ausgleich seitens des Täters mit dem Ziel schaffen, dem durch die Straftat Geschädigten Genugtuung zu gewähren (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, aaO, S. 137 f.; vom 7. Dezember 2005 - 1 StR 287/05, aaO). Adressat dieser Bemühungen - gleichviel, ob durch Vermittlung eines Dritten oder unvermittelt - kann daher grundsätzlich nur das Tatopfer selbst sein. Dabei kann es nicht auf die zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit ankommen; dies folgt nicht nur aus dem Zweck des § 46a StGB, sondern auch aus den Regelungen der § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 45 Abs. 2 Satz 2 JGG, die den Täter-Opfer-Ausgleich im Jugendstrafrecht für Jugendliche vorsehen und an denen sich der Gesetzgeber bei dessen erstmaliger Normierung im Erwachsenenstrafrecht orientiert hat (vgl. BT-Drucks. 12/6853, S. 21; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, aaO, S. 137, 139). Hiervon unberührt bleibt, dass es - umgekehrt - regelmäßig nicht angezeigt sein wird, die Kommunikation gleichsam über die Köpfe der gesetzlichen Vertreter hinweg zu führen.
Inwieweit anderes zu gelten hat, wenn das Opfer nicht über die notwendige Verstandesreife für einen Täter-Opfer-Ausgleich verfügt, kann hier dahinstehen. Dass die zur Zeit der Hauptverhandlung 13-jährige Nebenklägerin keine genügende Vorstellung von dem seitens des Angeklagten beabsichtigten Ausgleich hatte und nicht imstande war, einen gegenüber den Bemühungen des Angeklagten befürwortenden oder ablehnenden Willen zu bilden, ist gerade nicht festgestellt.
bb) Dass die Nebenklägerin Gesprächen über die gegenständlichen Missbrauchstaten ablehnend gegenüberstand, führt nicht dazu, dass von ihrer Einbindung in den kommunikativen Prozess gänzlich abgesehen werden durfte. Die Strafkammer hat in der Hauptverhandlung die Überzeugung gewonnen, dass die Nebenklägerin über die Taten „nicht reden will und sie dies augenscheinlich sehr belastet“ (UA S. 17). So haben ihre Eltern etwa ausgesagt, auch sie hätten mit ihr weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart darüber gesprochen (UA S. 10).
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte eine Strafrahmenmilderung gemäß § 46a Nr. 1 StGB nicht ausgeschlossen sein, wenn „die Geschädigten eine für einen Ausgleich erforderliche Mitwirkung verweigern“ (BT-Drucks. 12/6853, S. 21; s. BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02, aaO), soweit - auch in diesen Fällen - unter „Anleitung eines Dritten ... eine Lösung des der Tat zugrundeliegenden Gesamtkonflikts“ erstrebt wird (BT-Drucks. 12/6853, S. 22). In der Literatur wird zu einer vom Tatopfer abgelehnten Mitwirkung vertreten, dessen Einbeziehung sei nicht zwingend erforderlich, wenn sich seine Weigerung nicht mehr als Wahrnehmung rechtlich schützenswerter Interessen darstelle (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 46a Rn. 10d; Schädler, NStZ 2005, 366, 368 f.) oder bei objektiver Wertung als nicht billigenswert erscheine (vgl. Meier, JuS 1996, 436, 440; kritisch ["zu weitgehend bzw. zu pauschal"] MüKoStGB/Maier aaO, Rn. 28).
Inwieweit derartige Einschränkungen anzuerkennen sind, braucht der Senat freilich für den vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Insbesondere kommt es auch nicht darauf an, ob die Regelung des § 155a Satz 3 StPO, wonach gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten die Eignung eines Verfahrens für den Täter-Opfer-Ausgleich nicht angenommen werden „darf“, ausnahmslos auf das materielle Strafrecht übertragbar ist (in diesem Sinne allerdings BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, aaO, S. 142; vom 26. August 2003 - 1 StR 174/03, aaO). Im Hinblick auf die Schwere der im Schuldspruch rechtskräftig abgeurteilten Taten sowie der durch diese hervorgerufenen, anhaltenden erheblichen psychischen Belastungen für die Nebenklägerin liegt eine solche ausnahmebegründende Fallkonstellation hier völlig fern.
c) Die Annahme des Landgerichts, es habe der für den Täter-Opfer-Ausgleich erforderliche „kommunikative Prozess“ zwischen Angeklagtem und Nebenklägerin stattgefunden (UA S. 15) und der Vergleich habe friedensstiftende Wirkung gehabt (UA S. 14), hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Aus dem Verhalten des Angeklagten während des Verfahrens, insbesondere der frühzeitigen geständigen Einlassung und dem Verzicht auf die Einvernahme der Nebenklägerin, den beiden Entschuldigungsschreiben, den nicht unbeträchtlichen Schmerzensgeldzahlungen sowie dem Zustandekommen des - umfassenden - Vergleichs über künftigen materiellen und weiteren immateriellen Schadensersatz durfte die Strafkammer auf einen Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB einschließlich des durch Übernahme von Verantwortung geprägten kommunikativen Prozesses und einer gewissen Akzeptanz auf Seiten der Nebenklägerin schließen.
aa) Es begründet keinen Rechtsfehler, dass die Strafkammer nicht explizit festgestellt hat, der Inhalt der Entschuldigungsschreiben, die Schmerzensgeldzahlungen und das Vergleichsangebot seien der Nebenklägerin zur Kenntnis gelangt. Die Strafkammer ist generalisierend von einem „indirekten Kontakt“ ausgegangen (UA S. 15). Eine Kenntnisnahme liegt auch auf der Hand. Aus dem Umstand, dass die Nebenklägerin wegen der damit einhergehenden psychischen Belastungen - nachvollziehbar - keine Gespräche über die Missbrauchstaten führen wollte, lässt sich nicht schließen, dass, was lebensfremd wäre, die Eltern ihr sämtliche hiermit in irgendeinem Zusammenhang stehenden Geschehnisse verschwiegen und sie über ihr Geldvermögen betreffende Vorgänge im Unklaren gelassen hätten. Zu derartigen - gegebenenfalls knapp gefassten - Mitteilungen bedurfte es keines Gedankenaustauschs über die Taten selbst.
bb) Ebenso wenig begegnet es hier durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht davon abgesehen hat, ausdrückliche Feststellungen zu den Vorstellungen der Nebenklägerin in Bezug auf die Wiedergutmachungsbemühungen des Angeklagten zu treffen.
Die Strafkammer hat zunächst ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass, anders als der Generalbundesanwalt meint, die Eltern aus freien Stücken die Zahlungen akzeptierten und den Vergleich schlossen. Für eine durch Zwang und Druck geprägte Motivlage besteht kein Anhalt. Weder war zu befürchten, dass ohne die Einigung in finanzieller Hinsicht eine Vernehmung der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung erforderlich werden würde, noch dass vom Angeklagten ansonsten keine oder nur unzureichende Ersatzleistungen zu erwarten gewesen wären (s. hierzu BGH, Urteil vom 6. Februar 2008 - 2 StR 561/07, aaO, S. 453; ferner BGH, Urteile vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02, aaO; vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, aaO, S. 146 f.). Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren ein umfassendes Geständnis abgelegt (UA S. 14). Die Zahlungen wurden ebenfalls bereits vor der Hauptverhandlung geleistet; die Initiative hierzu ging vom Angeklagten aus. Erst auf dieser Grundlage wurde der Vergleich geschlossen.
Bei dieser Art des Zustandekommens des Vergleichs war das Landgericht darüber hinaus von Rechts wegen nicht gehindert, auf eine friedensstiftende Wirkung, mithin eine Anerkennung der Verantwortungsübernahme und eine partiell erzielte Genugtuung nicht nur auf Seiten der Eltern, sondern auch der Nebenklägerin zu schließen. Findet Kommunikation statt, äußert sich das Opfer indes nicht zu einem vereinbarten Ausgleich oder Bemühungen des Täters, so kann daraus nicht in jedem Fall, insbesondere nicht im Rahmen von persönlichen Beziehungen, auf eine Zurückweisung durch das Opfer mit der Konsequenz eines nicht erfolgreichen Ausgleichs geschlossen werden. Vielmehr kommt es darauf an, ob das Schweigen des Verletzten als eine solche inhaltliche Ablehnung zu beurteilen ist (s. auch BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02, aaO, S. 144 f.; Schädler, aaO, S. 368). Das Landgericht hat dies rechtsfehlerfrei verneint und ist letztlich von einer jedenfalls annähernd gelungenen Konfliktlösung ausgegangen. Hierbei hat es berücksichtigen dürfen, dass eine direkte Kontaktaufnahme des Angeklagten zur Nebenklägerin von ihrem Vater nachdrücklich abgelehnt wurde und ihm vom Haftgericht untersagt war.
Auch ein Erörterungsmangel liegt nicht vor. Da - wie oben dargelegt - ausgeschlossen werden kann, dass die Nebenklägerin im Hinblick auf die Bemühungen des Angeklagten uninformiert geblieben ist, war die Strafkammer sachlich-rechtlich nicht gehalten, weitere Feststellungen zu den Vorstellungen der Nebenklägerin zu treffen. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts stellt es keinen auf die Sachrüge zu beachtenden Rechtsfehler dar, dass das Landgericht nicht über die Eltern der Nebenklägerin - gegebenenfalls auch unter Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe - deren Willen erforscht hat. Ihr ablehnender Wille liegt weder auf der Hand, noch finden sich hierfür zureichende Anhaltspunkte. Eine Aufklärungsrüge mit dem Ziel, festzustellen, der Ausgleich habe für die Nebenklägerin keine friedensstiftende Wirkung gehabt, ist nicht erhoben (s. auch BGH, Beschlüsse vom 2. August 2012 - 3 StR 276/12, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 10; vom 28. Januar 2016 - 3 StR 354/15, aaO).
2. Die Strafkammer hat weiterhin ermessensfehlerfrei von der durch § 46a StGB eröffneten Möglichkeit der Strafrahmenmilderung nach § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht.
Ohne Erfolg rügt die Beschwerdeführerin, die Strafkammer habe rechtsfehlerhaft von der Anwendung des Sonderstrafrahmens des § 176a Abs. 4 Alternative 2 StGB für minder schwere Fälle abgesehen und ohne Gesamtabwägung bereits deshalb eine - den Angeklagten besser stellende - Strafrahmenverschiebung (§ 49 Abs. 1 StGB) vorgenommen, weil die jeweilige Einzelstrafe am unteren Rand des zur Verfügung stehenden Strafrahmens auszurichten sei.
a) Das Vorgehen der Strafkammer entspricht gefestigter Rechtsprechung:
Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falls vor und ist zugleich ein vertypter Milderungsgrund gegeben, so ist vorrangig der minder schwere Fall zu prüfen. Im Rahmen der dabei gebotenen Gesamtwürdigung aller strafzumessungserheblichen Umstände kann auch der vertypte Milderungsgrund - zu festgestellten sonstigen Milderungsgründen hinzutretend oder auch für sich - einen minder schweren Fall begründen. Erst wenn das Tatgericht die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes nicht für gerechtfertigt hält, darf es seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen dieses Milderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2015 - 1 StR 629/14, NStZ 2015, 696; vom 3. März 2015 - 3 StR 612/14, juris Rn. 7; vom 4. April 2017 - 3 StR 516/16, NStZ 2017, 524 mwN). Ist der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen für den Angeklagten günstiger als derjenige des minder schweren Falls, ist dies in die Gesamtwürdigung miteinzubeziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. August 1987 - 3 StR 341/87, BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Strafrahmenwahl 4; vom 17. Juni 2010 - 5 StR 206/10, NStZ-RR 2010, 305; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 50 Rn. 5).
b) Zu Unrecht beanstandet die Revision, die Strafkammer habe keine Gesamtabwägung vorgenommen.
In den Urteilsgründen sind die einerseits für eine Anwendung des Sonderstrafrahmens und die andererseits für eine Strafrahmenverschiebung sprechenden Umstände im Einzelnen dargestellt. Die Strafkammer hat sie sämtlich in ihre Gesamtwürdigung eingestellt (UA S. 15 f.), wobei sie es für ausschlaggebend erachtet hat, dass der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB für den Angeklagten günstiger ist als derjenige des § 176a Abs. 4 Alternative 2 StGB (UA S. 16). Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 126
Externe Fundstellen: StV 2019, 534
Bearbeiter: Christian Becker