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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 961

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 196/17, Urteil v. 27.07.2017, HRRS 2017 Nr. 961


BGH 3 StR 196/17 - Urteil vom 27. Juli 2017 (LG Düsseldorf)

Anordnung der Sicherungsverwahrung bei mit objektiv ungefährlichen Scheinwaffen begangenen Banküberfällen als Prognosetaten (Erheblichkeit der Prognosetat; schwere räuberische Erpressung; gesetzgeberische Wertung; schwere seelische oder körperliche Schäden für das Opfer; Gesamtwürdigung im Einzelfall; strengerer Maßstab aufgrund der sog. „Weitergeltungsanordnung“).

§ 66 StGB; § 249 StGB; § 250 StGB; § 253 StGB; § 255 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Verbrechen der schweren räuberischen Erpressung nach §§ 249, 250 Abs. 1, 253, 255 StGB sind schon mit Blick auf die Mindeststrafdrohung von drei Jahren Freiheitsstrafe und die für die Tatopfer mit der Tatbegehung regelmäßig verbundenen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als erhebliche Straftaten anzusehen. Das gilt auch, wenn bei einem Banküberfall nur mit einer ungeladenen Schreckschusspistole oder einer Waffenattrappe gedroht wird. Ein etwaig strengerer Maßstab in der Phase der sog. „Weitergeltungsanordnung“ (vgl. BVerfG HRRS 2011 Nr. 488) ist nach dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung“ vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I 2425) nicht mehr maßgeblich.

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. Juni 2016, soweit es den Angeklagten L. betrifft, im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt; von Maßregelanordnungen hat es abgesehen. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf das Unterbleiben der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beschränkten und auf eine Verfahrensbeanstandung sowie die Sachrüge gestützten Revision. Die auf die in allgemeiner Form erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten wendet sich insgesamt gegen seine Verurteilung. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg; die Revision des Angeklagten erweist sich hingegen als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I. Nach den Feststellungen des Landgerichts gewann der vielfach vorbestrafte Angeklagte, der bereits im Jahr 1999 wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und im Jahr 2003 wegen schwerer räuberischer Erpressung in sieben Fällen sowie versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt worden war, im Herbst des Jahres 2014 - nur wenige Monate nach seiner letzten Haftentlassung - die Mitangeklagten S. und K. unabhängig voneinander dazu, gemeinsam mit ihm Raubüberfälle auf Banken zu begehen. Nach dem vereinbarten Tatplan sollte der Angeklagte das Fluchtfahrzeug fahren und in diesem warten, während einer der beiden Mitangeklagten in der Bank den eigentlichen Überfall durchführte. Der Angeklagte besorgte zudem die bei den Überfällen verwendeten, wie echte Waffen aussehenden Spielzeugpistolen bzw. Attrappen von Handgranaten und stellte sie dem tatausführenden Mitangeklagten zur Verfügung. Für die Überfälle wurde - teils gemeinsam, teils durch den Angeklagten allein - Kleidung gekauft, die nach den Taten vernichtet wurde. Die Spielzeugwaffen bzw. ungeladenen Waffen sollten den Opfern jeweils nur gezeigt und nicht gegen deren Kopf oder deren Körper gerichtet werden. Der in der Bank agierende Mitangeklagte sollte sich möglichst ruhig verhalten und eine von dem Angeklagten vorher verfasste handschriftliche Notiz überreichen, die - regelmäßig unter Androhung, andernfalls von der Waffe Gebrauch zu machen - die Bankmitarbeiter zur Geldzahlung aufforderte. Die Beute wurde - unter Abzug von Aufwendungen - geteilt; dies führte in der Regel der Angeklagte durch, der sich mitunter größere Beträge nahm, als ihm nach den getroffenen Vereinbarungen zustanden.

Auf die beschriebene Art und Weise beging der Angeklagte in der Zeit vom 8. Oktober 2014 bis zum 23. April 2015 zehn Banküberfälle, in sechs Fällen gemeinsam mit dem Mitangeklagten S. und in vier Fällen gemeinsam mit dem Mitangeklagten K. Die Gesamtbeute betrug über 70.000 €. In zwei der Fälle holte der Mitangeklagte S. die Waffe nicht hervor, sondern nestelte nur an oder in seiner Jackentasche herum, um - jeweils mit Erfolg - deutlich zu machen, dass er tatsächlich bewaffnet war. In den übrigen Fällen zog er die Spielzeugpistole und hielt in drei Fällen den Lauf auch in Richtung der Bankmitarbeiter, ohne die Waffe allerdings gezielt gegen Körperteile oder den Kopf zu richten. Der Mitangeklagte K. zog in einem Fall die Plastikwaffe und hielt in den drei anderen Fällen eine Handgranatenattrappe in Händen. Die Bankmitarbeiter hielten die Waffen für echt bzw. konnten dies nicht ausschließen. Einige der Mitarbeiter hatten während der Überfälle Todesangst. Überwiegend haben sie die Überfälle gut verkraftet, wobei ein Teil der Zeugen psychologische Hilfe in Anspruch nehmen musste. Alle können weiter in ihrem Beruf arbeiten, zwei Zeuginnen sind wegen der Überfälle allerdings nicht mehr im Servicebereich tätig, weil sie sich dort nicht mehr sicher fühlen. Mehrere Zeuginnen denken immer noch - gelegentlich oder regelmäßig - an die Überfälle; einige entwickeln dabei auch Angstgefühle bzw. sind schreckhafter oder achtsamer geworden.

Das Landgericht, das für die zehn Taten gegen den Angeklagten jeweils auf Einzelstrafen zwischen sieben Jahren und acht Jahren Freiheitsstrafe erkannt hat, hat von dessen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgesehen, weil die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB nicht vorlägen. Dabei hat es bereits das Vorhandensein eines Hangs im Sinne der Vorschrift für zweifelhaft gehalten; gleichwohl ist es in Übereinstimmung mit dem gehörten Sachverständigen davon ausgegangen, dass der Angeklagte nach seiner Entlassung aus der Strafhaft mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten wie die im vorliegenden Verfahren abgeurteilten begehen wird. Diese seien in der konkreten Tatausführung allerdings gegenüber den Taten, die den früheren Verurteilungen zugrunde lagen, weniger schwerwiegend, weil vereinbarungsgemäß immer nur ungefährliche Scheinwaffen verwendet worden seien und die Mitangeklagten mit diesen „nicht konkret auf [die Opfer] gezielt“ hätten. Selbst wenn danach ein Hang, Taten wie die abgeurteilten zu begehen, angenommen werden könnte, handele es sich bei diesen mit Blick darauf, dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung nur als ultima ratio in Betracht komme und § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB deshalb restriktiv auszulegen sei, nicht um erhebliche Straftaten, denn keiner der Bankangestellten habe schwere seelische oder körperliche Schäden erlitten; es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich „bei den vorliegenden Delikten in der konkreten Art und Weise der Tatausführung um solche [handele], die typischer Weise mit schweren seelischen Schädigungen“ einhergingen.

II. Die wirksam auf die Nichtanordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung beschränkte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die gleichfalls erhobene Verfahrensbeanstandung kommt es danach nicht mehr an.

Das Landgericht hat das Vorliegen der formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 3 StGB rechtsfehlerfrei festgestellt. Die Begründung, mit der es die materiellen Voraussetzungen der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB verneint hat, hält hingegen revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Nach dieser Vorschrift erfordert die Unterbringungsanordnung eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten, die ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Ein Hang in diesem Sinne ist gegeben bei einem eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt; der Zustand muss gegenwärtig sein und ist aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festzustellen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 - 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271, 272 mwN). Bezugspunkt eines solchen Hanges sind erhebliche Straftaten, also solche, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2017 - 5 StR 572/16, juris Rn. 13 mwN; LK/Rissing-van Saan/Peglau, 12. Aufl., § 66 Rn. 148; MüKoStGB/Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern, 3. Aufl., § 66 Rn. 99).

Kriterien für die Erheblichkeit in diesem Sinne ergeben sich zunächst aus den gesetzgeberischen Wertungen, die maßgeblich für die Normierung der formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung geworden sind (LK/Rissing-van Saan/Peglau aaO, § 66 Rn. 149, 154; SSWStGB/Jehle/Harrendorf, 3. Aufl., § 66 Rn. 26 mwN; vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2002 - 5 StR 334/02, NStZ-RR 2003, 73, 74). Als erhebliche Straftaten kommen danach vornehmlich solche in Betracht, die in den Deliktskatalog von § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a) bis c) StGB fallen (SSWStGB/Jehle/Harrendorf aaO) und die - wie Vorverurteilungen im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB - im konkreten Fall mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe zu ahnden wären, ohne dass letzteres allein zur Annahme der Erheblichkeit ausreicht (BGH, Beschluss vom 28. November 2002 - 5 StR 334/02, NStZ-RR 2003, 73, 74; LK/Rissing-van Saan/Peglau aaO, § 66 Rn. 154; S/S/Stree/Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 66 Rn. 33).

Ein weiterer entscheidender Maßstab zur Bestimmung der Erheblichkeit ergibt sich aus der Hervorhebung der schweren seelischen oder körperlichen Schädigung der Opfer in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB (MüKoStGB/Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern aaO, § 66 Rn. 98, 103 f.; LK/Rissing-van Saan/Peglau aaO, § 66 Rn. 149; SSWStGB/Jehle/Harrendorf aaO), wobei das Gesetz durch die Verwendung des Wortes „namentlich“, welches der Wortbedeutung und dem Sinne nach wie „beispielsweise“ oder „vor allem“ zu verstehen ist, zum Ausdruck gebracht hat, dass mit der Nennung solcher Folgen keine abschließende Festlegung verbunden ist; damit sollen vielmehr lediglich Straftaten von geringerem Schweregrad ausgeschieden werden (BGH, Urteile vom 18. Mai 1971 - 4 StR 100/71, BGHSt 24, 153, 154 f.; vom 17. Dezember 1985 - 1 StR 539/85, NStZ 1986, 165; vom 9. Oktober 2001 - 5 StR 360/01, NStZ-RR 2002, 38; vom 18. Februar 2010 - 3 StR 568/09, NStZ-RR 2010, 172; S/S/Stree/Kinzig aaO; LK/Rissing-van Saan/Peglau aaO). Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Streichung des weiteren Beispiels des schweren wirtschaftlichen Schadens in § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF durch das „Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen“ vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I, S. 2300) eine stärkere Konzentration auf Delikte gegen grundlegende höchstpersönliche Rechtsgüter, insbesondere gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung erreichen wollte, ohne damit aber den Gesichtspunkt schwerer wirtschaftlicher Schäden ganz auszublenden; die Berücksichtigung wirtschaftlicher Schäden, zum Beispiel bei den ausweislich der expliziten Nennung der Delikte des 20. Abschnitts des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB weiterhin erfassten Raub- und Erpressungsdelikten, sollte nicht ausgeschlossen sein (BT-Drucks. 17/4062, S. 14; so auch S/S/Stree/Kinzig aaO Rn. 36; SSWStGB/Jehle/Harrendorf aaO Rn. 28).

Bei der Beurteilung, ob die von dem Angeklagten hangbedingt zu erwartenden Taten in diesem Sinne „erheblich“ sind, kommt es danach auf die Umstände des Einzelfalles an, die im Wege einer sorgfältigen Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten in den Blick zu nehmen sind (BGH, Urteile vom 18. Februar 2010 - 3 StR 568/09, NStZ-RR 2010, 172; vom 18. Mai 1971 - 4 StR 100/71, BGHSt 24, 153, 155). Bei dieser Gesamtwürdigung können neben der Schwere der zu erwartenden Taten und den genannten - auch nur potentiell bzw. typischerweise eintretenden (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2010 - 2 StR 10/10, NStZ-RR 2010, 239, 240; vom 9. Oktober 2001 - 5 StR 360/01, NStZ-RR 2002, 38) - Folgen für die Opfer auch die Tathäufigkeit oder die Rückfallgeschwindigkeit ins Gewicht fallen (BGH, Urteile vom 12. Juli 1988 - 1 StR 280/88, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 2; vom 26. Juni 1991 - 3 StR 186/91, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 3).

2. Nach den genannten Grundsätzen erweisen sich die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es das Vorliegen eines Hangs des Angeklagten zur Begehung erheblicher Straftaten abgelehnt hat, als rechtsfehlerhaft.

Insoweit ist es - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - bereits bedenklich, dass die Strafkammer - einen Hang des Angeklagten relativierend - darauf abgestellt hat, die konkrete Ausführung der abgeurteilten Taten zeige gegenüber denjenigen, die den Verurteilungen aus den Jahren 1999 und 2003 zugrunde lagen, „eine deutlich abmildernde Entwicklung“ auf. Die fehlende Steigerung oder die Abnahme von Gewalt bzw. der Massivität der Drohung mit dieser spricht nicht gegen eine intensive Neigung zu Rechtsbrüchen. Einen Hang kann auch haben, wer mit abnehmender Intensität Straftaten begeht (BGH, Urteil vom 6. April 2016 - 2 StR 478/15, juris Rn. 16).

Jedenfalls die Verneinung der Erheblichkeit der von dem Angeklagten infolge des Hangs begangenen und - auch nach der Einschätzung des Landgerichts mit hoher Wahrscheinlichkeit - nach seiner Haftentlassung zukünftig zu erwartenden Straftaten im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Insoweit gilt:

Die hier in Rede stehenden Verbrechen der schweren räuberischen Erpressung gemäß § 249, § 250 Abs. 1, §§ 253, 255 StGB sind schon mit Blick auf die Mindeststrafdrohung von drei Jahren Freiheitsstrafe und die für die Tatopfer mit der Tatbegehung regelmäßig verbundenen psychischen Auswirkungen grundsätzlich als erhebliche Straftaten anzusehen; dies gilt auch, wenn bei einem Banküberfall nur mit einer ungeladenen Schreckschusspistole oder einer Waffenattrappe gedroht wird (BGH, Beschluss vom 4. August 2011 - 3 StR 235/11, juris Rn. 6; Urteil vom 26. April 2017 - 5 StR 572/16, juris Rn. 13 f.). Aber auch die konkrete Schwere der Taten spricht für ihre Wertung als erheblich: Das Landgericht hat in jedem der zehn abgeurteilten Fälle eine Einzelstrafe von mindestens sieben Jahren Freiheitsstrafe verhängt und dabei straferschwerend insbesondere die Vielzahl der erheblichen und auch einschlägigen Vorstrafen, die hohe Rückfallgeschwindigkeit, die professionelle Vorgehensweise und das routinemäßige Handeln, das seinen Ausdruck auch in der Vielzahl der Taten gefunden habe, berücksichtigt. All diese Umstände weisen nach den oben genannten Grundsätzen indes in aller Regel Straftaten als erheblich aus.

Jedenfalls hätte die Strafkammer aber diese Umstände im Rahmen der Maßregelentscheidung in eine Gesamtwürdigung des Angeklagten und seiner Taten einstellen müssen. Dies hat sie unterlassen und stattdessen allein auf die eingetretenen oder typischerweise zu erwartenden Folgen der Taten für die Opfer - die Bankangestellten - abgestellt. Auf den Erfolg allein kommt es bei der Beurteilung der Erheblichkeit aber nicht an (BGH, Urteile vom 17. Dezember 1985 - 1 StR 539/85, NStZ 1986, 165; vom 9. Oktober 2001 - 5 StR 360/01, NStZ-RR 2002, 38). Insoweit ist zudem bedenklich, dass das Landgericht maßgeblich auch darauf abgestellt hat, dass das Bankpersonal für die Situation eines Banküberfalls geschult sei; eine solche Schulung kann - wie auch die Fälle 2., 3., 5., 6., 7. und 10. der Urteilsgründe zeigen, in denen die Bankangestellten schockiert waren oder Todesangst hatten - den Opfern die Angst, bei einem Überfall verletzt oder getötet zu werden, nicht nehmen und bietet auch keine Gewähr dafür, dass ein Überfall tatsächlich ohne erhebliche psychische Folgen für ein Opfer bleibt (BGH, Urteil vom 26. April 2017 - 5 StR 572/16, juris Rn. 14). Einige der Opfer haben immer noch - wenn auch beherrschbare - Ängste und haben infolge der Überfälle zum Teil ihr Verhalten geändert bzw. bankintern ihre Stelle gewechselt. Dass die Strafkammer gleichwohl insgesamt von der Unerheblichkeit der auch nur potentiellen Folgen der von dem Angeklagten zu erwartenden Taten ausgegangen ist, lässt besorgen, dass sie - mit Blick auf den mehrfach zitierten Ultima ratio-Charakter der Sicherungsverwahrung - von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist und nur besonders schwere seelische Schäden als ausreichend angesehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2001 - 5 StR 360/01, NStZ-RR 2002, 38).

3. Dem unter 2. gefundenen Ergebnis steht Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen. Zwar haben sowohl der 2. Strafsenat (Urteil vom 19. Oktober 2011 - 2 StR 305/11, juris Rn. 13) als auch der 5. Strafsenat (Beschluss vom 11. Dezember 2012 - 5 StR 431/12, BGHSt 58, 62, 70) entschieden, dass Verbrechen des schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB, bei denen als Drohmittel lediglich objektiv ungefährliche ungeladene Schreckschuss- oder Scheinwaffen eingesetzt werden, als Prognosetaten für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht ausreichen sollen. Diese Entscheidungen bezogen sich aber auf den Rechtszustand nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Sicherungsverwahrung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 u.a., BVerfGE 128, 326). Nach der von diesem damals getroffenen Weitergeltungsanordnung durfte § 66 StGB nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung weiter angewandt werden (vgl. BVerfG aaO, S. 406, Rn. 172); Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose waren deshalb zu erwartende schwere Gewalt- und/oder Sexualstraftaten.

Diese erhöhten Anforderungen finden auf den vorliegenden Fall keine Anwendung, weil die Taten ab Oktober 2014 und damit nach dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung“ vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I 2425) am 1. Juni 2013 begangen wurden. Mit diesem Gesetz wurde den Bedenken des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen, die sich ohnehin nur auf die Ausgestaltung der Unterbringung der Sicherungsverwahrung und den vorhergehenden Strafvollzug, nicht aber auf die formellen und materiellen Anordnungsvoraussetzungen des § 66 StGB bezogen. Nach dessen Inkrafttreten bestehen gegen die Gültigkeit und die Verfassungsmäßigkeit von § 66 Abs. 1 StGB keine Bedenken mehr (BGH, Urteile vom 24. Oktober 2013 - 4 StR 124/13, NJW 2013, 3735, 3736; vom 7. Januar 2015 - 2 StR 292/14, NStZ 2015, 208, 209; vom 26. April 2017 - 5 StR 572/16, juris Rn. 12). Es besteht bei Taten, die nach der Gesetzesänderung begangen wurden, auch kein Anlass, die erhöhten Voraussetzungen aus Vertrauensschutzgesichtspunkten weitergelten zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2017 - 5 StR 572/16, aaO mwN).

III. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet, weil die umfassende Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 961

Bearbeiter: Christian Becker