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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 769

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 171/17, Beschluss v. 24.07.2018, HRRS 2018 Nr. 769


BGH 3 StR 171/17 - Beschluss vom 24. Juli 2018 (LG Osnabrück)

Verwerfung der Anhörungsrüge als unbegründet (Beseitigung anderer verfassungsrechtlicher Mängel bei Entscheidung über die Anhörungsrüge; keine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör bei Verwerfung der Revision durch unbegründeten Beschluss; Antragsschrift der Staatsanwaltschaft; Gegenerklärung; faires Verfahren).

§ 349 StPO; § 356a StPO; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 103 Abs. 1 GG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Das Revisionsgericht muss bei seiner Entscheidung nach § 356a StPO zugleich andere verfassungsrechtliche Mängel beseitigen, die mit dem geltend gemachten Gehörsverstoß nicht notwendig in Zusammenhang stehen müssten Voraussetzung einer solchen neuen Revisionsentscheidung ist aber, dass überhaupt ein Fall des § 356a StPO gegeben und die Anhörungsrüge begründet ist. Dies setzt voraus, dass das Gericht bei der Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

2. Dem Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist im Verfahren nach § 349 Abs. 2 StPO durch die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Übermittlung der mit Gründen versehenen Antragsschrift der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht (§ 349 Abs. 3 Satz 1 StPO) sowie durch die Möglichkeit einer Gegenerklärung (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) Genüge getan. Um bei diesem Verfahrensstand nach § 349 Abs. 2 StPO entscheiden zu können, muss sich das Revisionsgericht nur im Ergebnis, nicht aber auch in allen Teilen der Begründung dem Antrag der Staatsanwaltschaft anschließen.

Entscheidungstenor

Die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 13. Juli 2018 gegen den Senatsbeschluss vom 12. Juni 2018 wird verworfen.

Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 19. Mai 2016 mit Beschluss vom 12. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Dagegen wendet sich der Verurteilte mit der durch seinen Verteidiger erhobenen Anhörungsrüge (§ 356a StPO).

Der Rechtsbehelf ist unbegründet. Der Senat hat über die Revision des Angeklagten unter Berücksichtigung der Gegenerklärung seines Verteidigers vom 25. September 2017 zu dem ausführlich begründeten Antrag des Generalbundesanwalts vom 1. September 2017 beraten und auf der Grundlage dieser Beratung dem genannten Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO entschieden. Dabei hat der Senat weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen.

2 Dass der Senat der Rechtsauffassung der Revision auch unter Berücksichtigung ihrer Ausführungen in der Gegenerklärung vom 25. September 2017 nicht gefolgt ist, begründet ebenso wenig eine Gehörsverletzung, wie der Umstand, dass die Entscheidung durch nicht näher begründeten Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO ergangen ist. Dem Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist im Verfahren nach § 349 Abs. 2 StPO durch die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Übermittlung der mit Gründen versehenen Antragsschrift der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht (§ 349 Abs. 3 Satz 1 StPO) sowie durch die Möglichkeit einer - hier auch umfänglich wahrgenommenen - Gegenerklärung (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) Genüge getan (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2007 - 2 BvR 746/07, juris Rn. 22 mwN). Um bei diesem Verfahrensstand nach § 349 Abs. 2 StPO entscheiden zu können, muss sich das Revisionsgericht nur im Ergebnis, nicht aber auch in allen Teilen der Begründung dem Antrag der Staatsanwaltschaft anschließen. Daraus, dass sich die Gründe des Beschlusses vom 12. Juni 2018 nicht mit allen Verfahrensrügen und dem Inhalt der Gegenerklärung ausdrücklich auseinandersetzen, kann der Verurteilte mithin nicht schließen, der Senat habe sein Vorbringen übergangen, denn eine Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidungen besteht nicht (BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 2 BvR 496/07, juris Rn. 15 mwN). Art. 103 Abs. 1 GG zwingt die Gerichte nicht dazu, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, aaO; siehe auch etwa BGH, Beschluss vom 2. Juli 2013 - 2 StR 99/13, juris Rn. 3).

Soweit der Verurteilte darüber hinaus in der Verfahrensweise des Landgerichts Osnabrück, wie sie in einigen seiner Verfahrensrügen beschrieben ist, und im Umgang des Senats mit diesen Rügen eine Verletzung seines Rechts auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) erblickt, wiederholt er damit im Ergebnis seine diesbezüglichen Revisionsrügen. Dies verhilft der Anhörungsrüge ebenfalls nicht zum Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in einer Kammerentscheidung zur Frage der Rechtswegerschöpfung als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Verfassungsbeschwerde ausgeführt, das Revisionsgericht habe bei seiner Entscheidung nach § 356a StPO zugleich andere verfassungsrechtliche Mängel zu beseitigen, die mit dem geltend gemachten Gehörsverstoß nicht notwendig in Zusammenhang stehen müssten (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2005 - 2 BvR 658/05, juris Rn. 8 mwN). Voraussetzung einer solchen neuen Revisionsentscheidung ist aber, dass überhaupt ein Fall des § 356a StPO gegeben und die Anhörungsrüge begründet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2015 - 4 StR 24/15, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Beschluss 6). Dies setzt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 356a Satz 1 StPO indes voraus, dass das Gericht bei der Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, und ist - wie dargelegt - hier nicht der Fall. Nach Eintritt der formellen Rechtskraft eines Beschlusses nach § 349 Abs. 2 StPO kann dieser auch auf eine unabhängig von einer Gehörsverletzung behauptete, bereits im Revisionsverfahren geltend gemachte Grundrechtsverletzung nicht wieder aufgehoben werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 1988 - 3 StR 579/87, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Beschluss 2; vom 4. April 2006 - 5 StR 514/04, wistra 2006, 271).

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 769

Bearbeiter: Christian Becker