HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 746
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 154/16, Beschluss v. 28.06.2016, HRRS 2016 Nr. 746
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 17. November 2015 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwölf Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen verurteilt ist.
Für den unter II.1. der Urteilsgründe festgestellten sexuellen Missbrauch eines Kindes wird eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten festgesetzt.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 13 Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der Sachrüge lediglich den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes hält im Fall II.1. der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen küsste der Angeklagte in diesem Fall das Kind auf den Mund, wobei seine Zunge ein Stück weit in den Mund eindrang, und berührte es - auch unter der Bekleidung - im Brust- und Intimbereich. Diese Feststellungen belegen die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB, nicht aber das Vorliegen des Qualifikationstatbestandes des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB. Ein Zungenkuss stellt keine dem Beischlaf ähnliche sexuelle Handlung dar und erfüllt damit den Tatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes nicht (BGH, Beschluss vom 14. April 2011 - 2 StR 65/11, BGHSt 56, 223, 225). Der Senat hat deshalb den Schuldspruch geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
2. Damit entfällt die für den Fall II.1. der Urteilsgründe verhängte, dem Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB entnommene Einzelfreiheitsstrafe. Der Senat setzt für den in diesem Fall festgestellten sexuellen Missbrauch gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog die in § 176 Abs. 1 StGB vorgesehene Mindeststrafe von sechs Monaten fest. Es ist in einer Gesamtschau der in den anderen Fällen rechtsfehlerfrei zugemessenen Einzelstrafen auszuschließen, dass das Landgericht, das in allen abgeurteilten Fällen das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 176a Abs. 3 StGB oder § 176 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung vom 18. November 1998 verneint hat, in Fall II.1. der Urteilsgründe einen minder schweren Fall des sexuellen Missbrauchs angenommen hätte. Angesichts der weiteren Einzelstrafen von zwei Jahren und drei Monaten, zwei Jahren, sieben Mal einem Jahr und neun Monaten, drei Mal einem Jahr und drei Monaten und drei Mal neun Monaten schließt der Senat ebenfalls aus, dass die Strafkammer bei einer für Fall II.1. der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten - statt von einem Jahr - auf eine niedrigere Gesamtstrafe als die verhängte erkannt hätte.
3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen sowie die den Nebenklägerinnen entstandenen notwendigen Auslagen teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 746
Externe Fundstellen: StV 2017, 42
Bearbeiter: Christian Becker