hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 865

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 105/16, Beschluss v. 14.07.2016, HRRS 2016 Nr. 865


BGH 3 StR 105/16 - Beschluss vom 14. Juli 2016 (LG Koblenz)

Nicht tragfähige Beweiswürdigung zur Drohung bei der Verurteilung wegen Erpressung; kein Vermögensschaden bei gutgläubigem Eigentumserwerb (kein Abhandenkommen bei auf Täuschung oder Nötigung beruhendem Einverständnis mit dem Sachverlust).

§ 253 StGB; § 263 StGB; § 261 StPO; § 932 BGB; § 935 BGB

Leitsatz des Bearbeiters

Ein gutgläubiger Eigentumserwerb nach den §§ 929, 932 BGB ist gemäß § 935 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, wenn die Sache dem früheren Eigentümer abhandengekommen war. Unter einem Abhandenkommen in diesem Sinne ist der unfreiwillige Verlust des unmittelbaren Besitzes zu verstehen. Der für die Freiwilligkeit bestimmende Wille ist allerdings nicht rechtsgeschäftlicher, sondern tatsächlicher Natur. Deshalb führt die Besitzaufgabe aufgrund einer Täuschung oder als Folge einer Drohung nicht zu einem Abhandenkommen, es sei denn, der psychische Zwang kommt einer unwiderstehlichen Gewalt gleich.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 14. Dezember 2015, auch soweit es den Mitangeklagten S. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten M. der Erpressung sowie des Betrugs, jeweils in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, schuldig gesprochen, eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor dem Ablauf eines Jahres keine Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen zu erteilen. Den Mitangeklagten S. hat es wegen Erpressung und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten M. hat Erfolg. Die Aufhebung des Urteils ist auf den Mitangeklagten S. zu erstrecken.

I. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen begehrten die Angeklagten während der Fahrt in einem Auto, das der sich nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis befindende Angeklagte M. führte, von der Zeugin H. die Zahlung von insgesamt 5.300 €. Mit der Drohung, andernfalls eine Anzeige wegen Diebstahls bei der Polizei zu erstatten und den Arbeitgeber der Zeugin entsprechend zu informieren, veranlassten sie die Zeugin, ihnen ein Handy, Schmuck und weitere Gegenstände zu übergeben sowie einen Schuldschein zu unterschreiben.

Sodann fuhren sie zu einem An- und Verkaufsgeschäft. Dort verkauften sie das Handy zum Preis von 95 € an die Inhaberin des Ladens, wobei der Angeklagte M. vorgab, Eigentümer des Mobiltelefons zu sein.

Das Landgericht hat dieses Geschehen im ersten Sachverhaltskomplex als Erpressung, im zweiten als Betrug, jeweils in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, gewertet.

II. Der Schuldspruch hält materiellrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Im ersten Sachverhaltskomplex beruhen die die Strafbarkeit nach § 253 StGB begründenen Feststellungen nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung. In deren Rahmen hat die Strafkammer ausgeführt, sie sei von der Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten und der Aussage der Zeugin H. überzeugt, soweit die jeweiligen Angaben übereinstimmten. Dies ist indes etwa nicht der Fall, soweit es die Motivation der Zeugin bezüglich der Herausgabe der Gegenstände betrifft. Während sich der Angeklagte insoweit dahin eingelassen hat, die Zeugin habe zugegeben, ihm zuvor 2.500 € gestohlen zu haben, und sodann insbesondere das Mobiltelefon freiwillig übergeben, hat die Zeugin demgegenüber bekundet, der Angeklagte habe sie bedroht und ihr das Handy weggenommen, nachdem sie es ausgeschaltet habe. Diesen Widerspruch hat die Strafkammer nicht nachvollziehbar aufgelöst. Die Urteilsgründe enthalten weitgehend keine Würdigung der erhobenen Beweise, sondern - von UA S. 18 bis UA S. 34 - eine reine Dokumentation der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung, in der etwa die durch den Verteidiger abgegebene Einlassung des Angeklagten M. über zweieinhalb Seiten im Wortlaut wiedergegeben wird (zu den Anforderungen an die Darstellung der Beweiswürdigung in den Urteilsgründen vgl. etwa BGH, Beschluss vom 7. August 2014 - 3 StR 224/14, juris Rn. 5 mwN). Soweit auf UA S. 34 ff. erhobene Beweise zu lediglich einzelnen Punkten selektiv gewertet werden, reicht dies nicht aus, um dem Senat deutlich zu machen, aufgrund welcher rechtsfehlerfreien Erwägungen das Landgericht insgesamt die Überzeugung von dem festgestellten Sachverhalt gewonnen hat.

Hinzu kommt, dass die Urteilsgründe zu der Frage, ob die Zeugin dem Angeklagten zuvor 2.500 € gestohlen hatte, nicht einheitlich sind. Die Feststellungen verhalten sich hierzu nicht. In der Beweiswürdigung hat die Strafkammer hierzu ausgeführt, sie habe die Überzeugung davon gewonnen, dass die Zeugin nicht gegenüber den Angeklagten eingeräumt habe, das Geld des Angeklagten M. gestohlen zu haben. Demgegenüber ist in der rechtlichen Würdigung festgehalten, M. habe ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 2.500 € abzüglich geleisteter 280 €, mithin 2.220 €, zugestanden. Dieser Umstand ist hier jedenfalls für die Frage der Verwerflichkeit der Drohung (§ 253 Abs. 2 StGB), eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten, insoweit von Bedeutung, als diese entfällt, wenn der Täter mit einer der Sachlage entsprechenden Strafanzeige droht (st. Rspr.; vgl. schon BGH, Urteil vom 19. November 1953 - 3 StR 17/53, BGHSt 5, 254, 260 f.).

2. Das Landgericht hat im 2. Sachverhaltskomplex die Annahme eines Betrugsschadens damit begründet, die Inhaberin des An- und Verkaufsgeschäfts habe kein Eigentum an dem Mobiltelefon erlangen können. Dies begegnet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen durchgreifenden Bedenken. Zwar ist ein gutgläubiger Eigentumserwerb nach den §§ 929, 932 BGB gemäß § 935 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, wenn die Sache dem früheren Eigentümer abhandengekommen war. Unter einem Abhandenkommen in diesem Sinne ist der unfreiwillige Verlust des unmittelbaren Besitzes zu verstehen. Der für die Freiwilligkeit bestimmende Wille ist allerdings nicht rechtsgeschäftlicher, sondern tatsächlicher Natur. Deshalb führt die Besitzaufgabe aufgrund einer Täuschung oder als Folge einer Drohung nicht zu einem Abhandenkommen, es sei denn, der psychische Zwang kommt einer unwiderstehlichen Gewalt gleich (st. Rspr.; vgl. schon BGH, Urteile vom 15. November 1951 - III ZR 21/51, BGHZ 4, 10, 34 ff.; vom 11. Juni 1953 - IV ZR 181/52, NJW 1953, 1506, 1507). Ein derartiges Gewicht der von den Angeklagten ausgesprochenen Drohungen ist nicht festgestellt.

III. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Dies gilt auch für den Mitangeklagten S., denn die aufgezeigten sachlichrechtlichen Mängel betreffen in gleicher Weise den Schuldspruch gegen ihn wie denjenigen gegen den Angeklagten M. (§ 357 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 865

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2016, 340 ; StV 2017, 97

Bearbeiter: Christian Becker