HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 712
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 202/15, Beschluss v. 30.06.2015, HRRS 2015 Nr. 712
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 18. Dezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Mit der Rüge, die Hauptverhandlung sei entgegen § 229 Abs. 1 StPO für die Dauer von mehr als drei Wochen unterbrochen gewesen, hat das Rechtsmittel Erfolg.
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Am 5. November 2014 wurde die Hauptverhandlung unterbrochen. Zum Fortsetzungstermin am 26. November 2014 wurde eine Zeugin geladen. Diese ließ am 25. November 2014 unter Vorlage eines ärztlichen Attests mitteilen, sie könne der Ladung wegen einer akuten, voraussichtlich bis 2. Dezember 2014 bestehenden Erkrankung keine Folge leisten. Dies gab der Vorsitzende in der Hauptverhandlung am 26. November 2014 bekannt; das Attest und die Mitteilung wurden laut Protokoll „zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht“. Anschließend wurde die Hauptverhandlung erneut unterbrochen; gemäß Absprache mit den Verfahrensbeteiligten wurde Fortsetzungstermin auf den 10. Dezember 2014 bestimmt.
2. Die Rüge, die Hauptverhandlung sei zwischen 5. November und 10. Dezember 2014 - mithin länger als drei Wochen - unterbrochen gewesen, hat Erfolg. Am 26. November 2014 wurde die Hauptverhandlung nicht im Sinne von § 229 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 StPO fortgesetzt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung gilt eine Hauptverhandlung dann als fortgesetzt, wenn zur Sache verhandelt und das Verfahren gefördert wird (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2014 - 4 StR 370/13, NStZ 2014, 220). Zwar kann auch in der Befassung lediglich mit Verfahrensfragen eine Förderung des Verfahrens in der Sache liegen, wenn deren Ziel die Klärung ist, durch welche Untersuchungshandlungen der Aufklärung des Sachverhalts Fortgang gegeben werden kann (BGH aaO). Nicht ausreichend hierfür ist jedoch allein die in der Sache selbst nicht weiterführende Prüfung und Erörterung, ob eine - weitere - Unterbrechung der Hauptverhandlung notwendig ist und wann diese gegebenenfalls fortgesetzt werden kann (vgl. LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 229 Rn. 12; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 229 Rn. 11; jeweils mwN). So liegt der Fall indes hier.
b) Allerdings hat der Bundesgerichtshof die Auffassung vertreten, dass die Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO auch dann gewahrt ist, wenn die für den Fortsetzungstermin in Aussicht genommene weitere Förderung des Verfahrens in der Sache infolge unvorhersehbarer Ereignisse nicht stattfinden kann (BGH, Beschluss vom 5. November 2008 - 1 StR 583/08, NJW 2009, 384). Der Senat kann offen lassen, ob er dieser Ansicht beitreten könnte, insbesondere, ob sie mit dem wesentlichen Zweck des § 229 StPO, der Wahrung der Konzentrationsmaxime (LR/Becker aaO, Rn. 1 mwN), noch zu vereinbaren ist; denn auf die vorliegende Sachverhaltsgestaltung ist diese Entscheidung jedenfalls nicht übertragbar. Ihr lag zu Grunde, dass das Gericht im Fortsetzungstermin zunächst einem mit veränderter Sachlage begründeten Unterbrechungsantrag des Verteidigers entsprechen musste. Demgegenüber war das Landgericht hier ausschließlich infolge der Erkrankung der geladenen Zeugin daran gehindert, die Beweisaufnahme wie vorgesehen fortzusetzen. Welche Auswirkungen es auf den Lauf der höchstzulässigen Unterbrechungsfrist hat, wenn ein Verfahrensbeteiligter wegen Krankheit nicht zur Hauptverhandlung erscheinen kann, ist indes Gegenstand der besonderen und abschließenden Regelung in § 229 Abs. 3 StPO. Eine Hemmung der Unterbrechungsfrist wegen Erkrankung eines Zeugen ist dort nicht vorgesehen. Dies kann nicht dadurch umgangen werden, dass die Bekanntgabe einer Erkrankung als Sachverhandlung im Sinne einer Fortsetzung der Hauptverhandlung nach § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO gewertet wird, durch die die Unterbrechungsfrist gewahrt wird.
HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 712
Externe Fundstellen: NStZ 2016, 171 ; StV 2016, 540
Bearbeiter: Christian Becker