HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 110
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 537/14, Beschluss v. 09.07.2015, HRRS 2016 Nr. 110
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 27. Januar 2014 werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben jeweils die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
I. Das Landgericht hat die Angeklagten - jeweils unter Freispruch im Übrigen - wie folgt verurteilt, wobei es die Vollstreckung aller Haftstrafen bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt hat:
- den Angeklagten R. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung „als Rädelsführer“ in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Volksverhetzung zu der Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten;
- den Angeklagten Ko. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung und im anderen Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Einheitsjugendstrafe von einem Jahr;
- den Angeklagten D. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in drei Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, im dritten Fall in Tateinheit mit Nötigung, zu der Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten;
- den Angeklagten H. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu der Jugendstrafe von neun Monaten;
- den Angeklagten S. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit Nötigung in zwei Fällen, in einem Fall in weiterer Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, im anderen Fall in weiterer Tateinheit mit Körperverletzung, zu der Einheitsjugendstrafe von einem Jahr;
- den Angeklagten Ku. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Geldstrafen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.
Die von den Angeklagten R., D. und H. jeweils auf die Rügen der Verletzung sowohl formellen als auch materiellen Rechts, von den Angeklagten Ko., S. und Ku. nur auf die Sachrüge gestützten Revisionen sind unbegründet.
II. Den erhobenen Verfahrensrügen bleibt ein Erfolg versagt.
1. Die Beanstandung des Angeklagten R., ein Hilfsbeweisantrag auf Einholung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass er bei dem als Volksverhetzung abgeurteilten Geschehen aufgrund eines hochgradigen sthenischen Affektstaus schuldunfähig gewesen sei, sei rechtsfehlerhaft zurückgewiesen worden, greift nicht durch. Das mitgeteilte schriftliche Schuldfähigkeitsgutachten des von der Kammer beauftragten Sachverständigen entspricht den an ein solches zu stellenden Anforderungen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. November 2004 - 2 StR 367/04, BGHSt 49, 347, 352 ff.). Da maßgeblich das im Rahmen der Hauptverhandlung mündlich erstattete Gutachten ist (vgl. schon BGH, Urteil vom 21. November 1969 - 3 StR 249/68, BGHSt 23, 176, 185), kann eine allein in der schriftlichen Ausarbeitung fehlende Auseinandersetzung mit der ohnehin eher fernliegenden Frage einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung eine mangelnde Sachkunde ebenso wenig begründen wie der fehlende Hinweis auf die Vorläufigkeit des schriftlichen Gutachtens. Aus der im Rahmen des Antrags erstmals erklärten Bereitschaft des Angeklagten zur Exploration ergeben sich schließlich keine überlegenen Forschungsmittel eines anderen Sachverständigen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 1998 - 1 StR 588/97, BGHSt 44, 26).
2. Die Rüge des Angeklagten D., die Öffentlichkeit sei zu Unrecht ausgeschlossen worden, geht schon deshalb ins Leere, weil dieser zum Zeitpunkt eines Teils der angeklagten Taten noch Jugendlicher war, mithin bei Verhandlung nur gegen ihn die Öffentlichkeit gemäß § 48 Abs. 1 JGG von Gesetzes wegen ausgeschlossen gewesen wäre, unabhängig davon, dass er zum Zeitpunkt weiterer verfahrensgegenständlicher Taten bereits das 18. Lebensjahr vollendet hatte (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1967 - 2 StR 548/67, BGHSt 22, 21). Dieser Umstand führt dazu, dass der Angeklagte einen auf § 48 Abs. 3 Satz 2 JGG gestützten Ausschluss der Öffentlichkeit nicht mit Aussicht auf Erfolg rügen kann (BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 - 4 StR 412/02, NStZ 2004, 294 mwN).
3. Im Übrigen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts Bezug.
III. Die aufgrund der Sachrügen gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils hat keinen die Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
1. Soweit für die Entscheidung von Bedeutung hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
Die Angeklagten sowie zeitweise weitere Personen, die allesamt eine rechtsextreme Gesinnung einte, bildeten spätestens ab April 2011 den „Freundeskreis Rade“. In diesem Rahmen verfolgten sie das Ziel, Personen mit Migrationshintergrund und Andersdenkende aus „ihrem Revier“ - Ra. und die angrenzenden Ortschaften - zu vertreiben oder zumindest erheblich einzuschüchtern. Die Angeklagten fühlten sich gegenseitig verpflichtet, sich an den gemeinsamen Aktionen - Demonstrations- und Konzertbesuche - sowie an regelmäßigen Treffen zu beteiligen und erwarteten dies auch untereinander von den anderen Mitgliedern. Sie waren des Weiteren der Auffassung, dass die gemeinsamen „höheren“ Ziele absoluten Vorrang und andere Belange, insbesondere persönliche Neigungen hintenanzustehen hatten.
Diese Ziele wollten die Angeklagten einerseits dadurch erreichen, dass sie ihre Gegner im öffentlichen Raum so bedrohten, einschüchterten und misshandelten, dass diese in ihrem Sicherheitsgefühl erheblich gestört würden. Dazu beabsichtigten sie, auch Waffen bzw. gefährliche Gegenstände einzusetzen und sich durch Vermummung vor Strafverfolgung zu schützen. Daneben betrieb der „Freundeskreis“ eine eigene Internetseite, mit der eine aggressive Stimmung gegen Ausländer und Andersdenkende erzeugt und über Veranstaltungen berichtet werden sollte, die der Gesinnung der Teilnehmer entsprachen.
Schließlich gestalteten die Angeklagten Plakate und Aufkleber zur Hetze gegen und zur Einschüchterung Andersdenkende(r) und Ausländer, um diese in „ihrem Revier“ anzubringen.
Zwischen April 2011 und März 2012 kam es zu den im Einzelnen abgeurteilten Taten, ganz überwiegend Körperverletzungs- und Nötigungsdelikte, die das Landgericht - mit Ausnahme der abgeurteilten Volksverhetzung durch den Angeklagten R. (B.IX. der Urteilsgründe) - jeweils als Ausfluss dieser Zielsetzung gewertet hat. Dabei kam dem Angeklagten R. eine Führungsposition zu. Als geistiger Kopf der Gruppe war er Ansprechpartner und Berater für die übrigen Mitglieder. Er koordinierte Aktionen, insbesondere auch den Rückzug der Gruppe aus der Öffentlichkeit im April 2012 in der Folge der Verhaftungen von Mitgliedern des sogenannten „Braunen Hauses“ in K. im Vormonat. Die übrigen Angeklagten nahmen neben ihrer Beteiligung an einzelnen Taten jeweils an den regelmäßigen Treffen teil. Darüber hinaus zeichnete der Angeklagte Ko. für die Pflege der Internetseite verantwortlich, wofür ihm von den Angeklagten H. und Ku. Bildmaterial zur Verfügung gestellt wurde. Der Angeklagte D. warb und betreute neue Mitglieder.
2. Zu Recht hat das Landgericht die Angeklagten wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB verurteilt.
a) Eine Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB ist ein auf gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlen (st. Rspr.; etwa BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - 3 StR 262/11, StV 2012, 339, 11 12 13 340). Eine solche Vereinigung wird zur kriminellen, wenn ihre Zwecke oder Tätigkeit auf die Begehung von hinreichend bestimmten Straftaten gerichtet sind. Diese Zielsetzung muss durch den internen Willensbildungsprozess der Mitglieder gedeckt sein. Zu verlangen ist demnach jedenfalls, dass die von einzelnen verfolgte Zweckgerichtetheit von den übrigen Mitgliedern mitgetragen wird (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1992 - StB 21-25/92, BGHR StGB § 129 Gruppenwille 2). Das Merkmal des Gruppenwillens ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil dessen Existenz dem Einzelnen die Begehung von Straftaten erleichtert und das Gefühl persönlicher Verantwortung zurückdrängt, woraus sich die vereinigungsbezogene Gefährlichkeit im Sinne der in größeren Personenzusammenschlüssen liegenden typischen Eigendynamik ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 229).
b) Diese Voraussetzungen werden durch die getroffenen Feststellungen belegt. Die Zusammensetzung und die Ausrichtung des „Freundeskreises Rade“ erfüllte das personelle, das zeitliche und das organisatorische Element. Soweit das Urteil keine Feststellungen zur Art und Weise der Willensbildung enthält, gefährdet dies seinen Bestand nicht. Denn solche Feststellungen sind entbehrlich, wenn die Existenz des Gruppenwillens, dem sich die Mitglieder der Organisation unterordnen, aufgrund anderer Umstände offen zutage tritt. Sie kann sich insbesondere daraus ergeben, dass die Mitglieder einer Gruppierung nicht nur kurzfristig ein Ziel politischer, religiöser oder weltanschaulicher Art verfolgen, das über die Begehung der konkreten Straftaten hinausgeht (BGH aaO, S. 228 ff.). Dieses Ziel lag vorliegend in dem Bestreben, durch Misshandlung und Bedrohung Ausländer und Andersdenkende im „Revier“ einzuschüchtern und - falls möglich - diese dadurch von dort zu vertreiben.
c) Die getroffenen Feststellungen werden auch von der Beweiswürdigung getragen. Allerdings genügt eine bloße Umschreibung der Art der Verbindung durch definitorisch formelhafte Wendungen nicht (vgl. MüKoStGB/Schäfer, 2. Aufl., § 129 Rn. 21). Vielmehr muss belegt werden, dass innere Organisation und Gruppenwille zueinander in Beziehung stehen. Denn der gemeinsame Wille zur Begehung von Straftaten genügt mangels ausreichender Abgrenzbarkeit zu Mittäterschaft und Bande als anderen Formen strafbaren Zusammenwirkens nicht. Vielmehr muss auch bei der Erreichung des übergeordneten Ziels koordiniert zusammengearbeitet werden (vgl. BGH aaO).
Insoweit wäre es zu kurz gegriffen, wenn sich das Landgericht zur Begründung der Feststellung des übergeordneten Ziels des „Freundeskreis Rade“ auf einen Hinweis auf die (strafbaren) Aktivitäten seiner Mitglieder in Verbindung mit deren ausländer- und rechtsfeindlichen Gesinnung beschränkt hätte. Das gerade auch insoweit erforderliche Mindestmaß an fester Organisation zur koordinierten Erreichung des übergeordneten ideologischen Ziels der Gruppierung erschließt sich indes zwanglos aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe:
aa) Ein koordiniertes Zusammenwirken wird bereits dadurch nahegelegt, dass die jeweiligen Auseinandersetzungen von den Angeklagten regelmäßig gezielt gesucht wurden. So gingen die Angeklagten D. und S. mit weiteren Personen am 16. April 2011 eine Gruppe Jugendlicher mit ausländischen Wurzeln bedrohlich an, nachdem sie diese beim Grillen am Seeufer entdeckt hatten. Vier Tage später begab sich während einer Zusammenkunft von fünf der sechs Angeklagten anlässlich des Jahrestages des Geburtstags Adolf Hitlers einer von ihnen vermummt zu drei Personen und fragte diese, ob es sich bei ihnen um „Linke“ handele. Der verneinenden Antwort schenkte die Gruppe um die Angeklagten keinen Glauben, weshalb die Angeklagten S., H. und D. mit weiteren Gleichgesinnten die zuvor Befragten angriffen.
In anderen Fällen waren die Auseinandersetzungen Ergebnis einer gezielten Provokation durch die Angeklagten. So beleidigte der Angeklagte R. am 2. Juli 2011 einen „asiatisch aussehenden“ Mann, der darauf aggressiv reagierte. Es kam zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen den beiden sowie zwischen einer weiteren Person, die dem Beleidigten zur Hilfe kommen wollte, und dem Angeklagten H., der nunmehr auf Seiten des Angeklagten R. eingriff. Vergleichbar verhielt es sich bei den Geschehen am 1. Oktober 2011 (B.VII. 9. der Urteilsgründe) sowie am 25. November 2011 (B.VII. 10. der Urteilsgründe). Dass das Landgericht trotz der Feststellung, allen Vorfällen sei gemein gewesen, dass „die Reaktionen der Betroffenen, die letztlich nach Provokationen auch aggressiv werden können, eingeplant und als willkommener Anlass genommen wurden, um Tätlichkeiten einzuleiten und zu intensivieren“ (UA S. 133), sich in diesen Fällen zu keinen eigenständigen Schuldsprüchen in der Lage sah, beschwert die Angeklagten nicht. Der jeweils festgestellte Ablauf belegt jedoch mit dem gezielt provozierenden Auftreten in Kenntnis einer Absicherung durch einen Gesinnungsgenossen ein Muster und damit ein organisatorisches Element.
bb) Dass den Einzeltaten dabei keine längerfristige Planung zugrunde lag, sondern sie aus der jeweiligen Situation entsprangen, steht der Annahme eines entsprechenden Organisationsbezuges im Ergebnis nicht entgegen. Dieser kommt schon in dem gemeinsamen Auftreten zum Ausdruck, mit dem die Angeklagten für die erforderliche Stärke ihrer Gruppierung sorgten. Die Angeklagten kamen nicht nur zum Zweck unverfänglicher gemeinsamer Freizeitgestaltung zusammen, was sich schon daraus erschließt, dass sie - wie ein Zeuge geschildert hat - in Dreier- oder Vierergruppen patrouillierten, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Vor allem aber werden eine entsprechende Vorbereitung der Angeklagten auf etwaige Zusammenstöße und damit ein koordiniertes Zusammenwirken belegt durch die Art ihrer Bewaffnung, die über das hinausgeht, was selbst in entsprechenden Kreisen möglicherweise regelmäßig am Körper getragen wird. So führte einer der Angreifer vom 16. April 2011 eine Eisenstange mit sich, die Angreifer vom 20. April 2011 Baseballschläger. Dem Angeklagten D. wurde unter anderem aufgrund des Mitsichführens von mit Sand gefüllten Schlaghandschuhen sowie eines Ledergegenstands, der zur Stabilisierung der Faust während einer Schlägerei genutzt wird, der Zutritt zu einer Maifeier verwehrt, auf der sich jedenfalls auch die Angeklagten Ronsdorf und Ku. befanden und in deren Verlauf es zu einem tätlichen Übergriff auf eine türkischstämmige Person kam.
cc) Schließlich wird die koordinierte Zusammenarbeit der Angeklagten deutlich belegt durch das sofortige Zuhilfeeilen des Angeklagten R. auf entsprechende telefonische Aufforderung durch Gesinnungsgenossen im Rahmen des Geschehens vom 16. April 2011. Innerhalb kürzester Zeit hatte dieser den weiteren Angeklagten Ko. mobilisiert sowie sich und diesen durch einen Bekannten von Ra. in den mehrere Kilometer entfernt liegenden Nachbarort bringen lassen, um den Angreifern beizustehen.
3. Auch die Überprüfung der vom Landgericht angenommenen Konkurrenzverhältnisse der einzelnen Taten zueinander hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
Allerdings hat das Landgericht die Frage, in welchem Umfang sonstige Straftaten aufgrund des Umstands, dass sie sich gleichzeitig als mitgliedschaftliche Betätigungsakte im Sinne von § 129 Abs. 1 StGB darstellen, untereinander zu Tateinheit verklammert werden, nicht nach den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung beurteilt. Danach können mehrere an sich getrennt verwirklichte Straftaten durch ein drittes Delikt - hier § 129 StGB - zu einer Tat verbunden werden, wenn zwischen diesem und wenigstens einem der verbundenen Delikte zumindest eine annähernde Wertgleichheit besteht oder das verbindende Delikt das schwerste ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 3 StR 203/08, NStZ 2009, 692, 693; grundlegend BGH, Beschluss vom 26. März 1982 - 2 StR 700/81, BGHSt 31, 29). Demgegenüber hat das Landgericht - gemäß der früheren Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 291 f.; allgemein BGH, Urteil vom 29. August 1952 - 4 StR 963/51, BGHSt 3, 165) - eine Klammerwirkung schon immer dann verneint, wenn nur eines der zu verbindenden Delikte gewichtiger als § 129 StGB war.
Das landgerichtliche Ergebnis hält dennoch rechtlicher Überprüfung stand. Der Senat gibt seine bisherige Rechtsprechung auf, wonach alle mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte an einer kriminellen (oder terroristischen) Vereinigung zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden. Vielmehr unterbleibt diese Verknüpfung jedenfalls mit solchen Handlungen, die auch den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen und der Zwecksetzung der Vereinigung oder sonst deren Interessen dienen. Diese stehen zwar gemäß § 52 Abs. 1 Alt. 1 StGB in Tateinheit mit der jeweils gleichzeitig verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB, jedoch - soweit sich nach allgemeinen Grundsätzen nichts anderes ergibt - sowohl untereinander als auch zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte in Tatmehrheit. Damit bleibt vorliegend kein Raum für eine Klammerwirkung, so dass die Angeklagten durch deren teilweise Anerkennung durch das Landgericht nicht beschwert sind. Im Einzelnen:
a) Zwischen einer Straftat, die ein Mitglied einer kriminellen Vereinigung in Verfolgung deren Ziele begeht, und dem darin liegenden Verstoß gegen § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB besteht Tateinheit (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1979 - 3 StR 299/79, juris Rn. 26; Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 290 f.; Urteil vom 16. April 1980 - 3 StR 64/80, MDR 1980, 684, 685; Beschluss vom 8. Mai 1980 - 3 StR 170/80, juris Rn. 2; Urteil vom 8. September 1982 - 3 StR 241/82, NStZ 1982, 517, 518; Beschluss vom 23. Dezember 2009 - StB 51/09, NStZ 2010, 445, 446 f.; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129 Rn. 194; SK-StGB/Rudolphi/Stein, 63. Lfg., § 129 Rn. 34; S/S/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 129 Rn. 27; Krauth, Festschrift für Kleinknecht, 1985, 215, 218; Cording, Der Strafklageverbrauch bei Dauerund Organisationsdelikten, 1993, S. 112). Gegenteilige Auffassungen, die untereinander insoweit divergieren, als die einen stets von Tatmehrheit ausgehen (so Meyer, JR 1978, 35; Dreher/Tröndle, StGB, 41. Aufl., § 129 Rn. 9a; Herdegen, MDR 1980, 439), die anderen nur in den Fällen, in denen die Straftat der Erreichung des Zwecks der Vereinigung dienen soll, wohingegen bei Taten, die gerade einen Beitrag zur organisatorischen Arbeit der Vereinigung leisten sollen, Tateinheit anzunehmen sei (so OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24. Juni 1977 - 3 Ws 99/77, JR 1978, 34; Gössel, JR 1982, 111, 112), haben sich zu Recht nicht durchgesetzt. Denn gerade in der Begehung einer Straftat, die der Zwecksetzung der Vereinigung entspricht oder sonst ihren Interessen dienlich ist, liegt eine gesteigerte Förderung des Verbands durch das Mitglied (ebenso Haberstumpf, MDR 1979, 977, 980; Werle, JR 1979, 93, 96). Dann aber folgt die Annahme von Tateinheit unmittelbar aus § 52 Abs. 1 Alt. 1 StGB. Denn es ist dieselbe Handlung im natürlichen Sinne, die einerseits die Voraussetzungen des als Mitglied begangenen Delikts erfüllt und sich andererseits als mitgliedschaftliche Beteiligung im Sinne von § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB darstellt. Es geht mithin nicht um die bloße Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen (so aber Herdegen aaO in Kritik an einer Formulierung in BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1979 - 3 StR 299/79, juris Rn. 26), sondern um Handlungsidentität. Diese wird durch den Umstand, dass mitgliedschaftliche Beteiligung auch in einer Art und Weise begangen werden kann, die keinen weiteren Straftatbestand erfüllt, nicht aufgelöst (zutreffend Grünwald, Festschrift für Bockelmann, 1973, 737, 740 gegen OLG Karlsruhe aaO) und setzt darüber hinaus eine Identität von Tatbestandsmerkmalen nicht voraus (so aber Meyer aaO; hiergegen zu Recht Werle aaO).
b) Für das Konkurrenzverhältnis zwischen der als Mitglied begangenen sonstigen Straftat und weiteren mitgliedschaftlichen Beteiligungsakten kommt es daher maßgeblich darauf an, in welchem Verhältnis diese untereinander stehen. Nach überkommener Auffassung bilden mehrere mitgliedschaftliche Beteiligungsakte grundsätzlich eine tatbestandliche Handlungseinheit (BVerfG, Beschluss vom 8. Januar 1981 - 2 BvR 873/80, NJW 1981, 1433, 1435; BGH, Beschluss vom 15. Februar 2007 - StB 19/06, NStZ 2007, 401; MüKo-StGB/Schäfer aaO, Rn. 136; LK/Krauß aaO, Rn. 189; LK/Rissing-van Saan aaO, Vor § 52 Rn. 24; S/S/Sternberg-Lieben aaO, Rn. 27; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 28. Aufl., § 129 Rn. 13).
Dies folgt allerdings nicht daraus, dass es sich bei § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB um ein Dauerdelikt handeln würde (so aber Fleischer, NJW 1979, 1337, 1338 f.); ein solches ist gegeben, wenn der Täter einen von ihm begründeten rechtswidrigen Zustand aufrechterhält oder durch tatbestandserhebliche Handlungen weiter verwirklicht (BGH, Beschluss vom 7. August 1996 - 3 StR 318/96, BGHSt 42, 215, 216 mwN). Da es aber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlautlaut des § 129 Abs. 1 StGB für die Strafbarkeit nach dieser Vorschrift nicht ausreicht, bloß Mitglied in einer Vereinigung zu sein, begründet das Faktum der Mitgliedschaft keinen rechtswidrigen Zustand; vielmehr ist eine Beteiligung als Mitglied erforderlich, also eine aktive Förderungshandlung, in der sich die Eingliederung des Täters in die Organisation und seine Unterordnung unter deren Willen manifestiert (BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 294; MüKo-StGB/Schäfer aaO, Rn. 87; Haberstumpf aaO, 978). Sollten Formulierungen des Senats, wonach eine Beteiligung als Mitglied auch für Zeiten angenommen werden könne, in denen keine Tätigkeiten für die Vereinigung ausgeübt werden (etwa BGH, Beschluss vom 22. Oktober 1979 - StB 52/79, BGHSt 29, 114, 123; vgl. hierzu Krauth aaO, 224 f.; Cording aaO, S. 71 f.), auf ein anderes Verständnis hindeuten können, hält der Senat daran nicht fest. Gegen die Annahme einer von aktiven Beteiligungshandlungen unabhängigen Tatbestandserfüllung spricht bereits, dass eine bloß formale oder lediglich passive Mitgliedschaft vom Tatbestand in seiner einschränkenden Auslegung durch die Rechtsprechung gerade nicht erfasst wird (BGH aaO, 121; vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. März 2001 - StB 4-5/01, NStZ 2002, 328, 330).
Die grundsätzliche Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit rechtfertigt sich dagegen aus der pauschalisierenden Handlungsbeschreibung (vgl. LK/Rissing-van Saan aaO) des § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB. Der Tatbestand selbst, der vorrangig die Allgemeinsrechtsgüter öffentliche Sicherheit und staatliche Ordnung schützt (MüKo-StGB/Schäfer aaO, Rn. 1 mwN) und daher strukturbedingt keine Tatbestandsmerkmale enthält, die unmittelbar auf Individualrechtsgüter bezogene Angriffsobjekte, Angriffsarten oder Taterfolge umschreiben, lässt es angezeigt erscheinen, mehrere Tatbestandsverwirklichungen rechtlich zu einer Tat zusammenzufassen, um so zu einer sinnstiftenden Bestimmung des Einzeldelikts zu kommen (vgl. Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, 1979, S. 212 f.). Darüber hinaus ergibt sich aus der Verknüpfung zwischen den einzelnen, stoßweise begangenen (vgl. Werle, NJW 1980, 2671, 2674) und für sich betrachtet strafrechtlich oftmals neutralen Beteiligungshandlungen mit der auf einen längeren Zeitraum angelegten Mitgliedschaft, in der sich die Eingliederung des Täters in die Organisation widerspiegelt und durch die die Tätigkeiten erst ihr Unwerturteil erhalten, dass eine Mehrzahl von Tätigkeiten zu einer Tatbestandsverwirklichung zusammengefasst werden soll (vgl. zur insoweit vergleichbaren Tatbestandsstruktur des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB: BGH, Beschluss vom 7. August 1996 - 3 StR 318/96, BGHSt 42, 215, 217; vgl. Cording aaO, S. 54).
c) Damit ist indes noch keine abschließende Aussage darüber getroffen, ob ausnahmslos alle mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte unabhängig von ihrer inhaltlichen Ausgestaltung und insbesondere unabhängig davon, ob sie neben § 129 Abs. 1 StGB auch einen anderen Straftatbestand verwirklichen, zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit verknüpft werden.
aa) Allerdings hat der Senat bislang ohne weitere Begründung stets alle mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte zusammengefasst und aus diesem Umstand auf Idealkonkurrenz zwischen dem gesamten Organisationsdelikt (zum Begriff MüKo-StGB/Schäfer aaO, Rn. 5 mwN; Cording aaO, S. 122, 129 ff.) und einer durch einen der Einzelakte begangenen anderen Straftat geschlossen (BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 290 f.). Darauf hat - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zu anderen tatbestandlichen Handlungseinheiten, insbesondere Dauerdelikten (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 24. August 1988 - 2 StR 432/88, BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 2; vom 6. September 1988 - 1 StR 481/88, BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 3; vom 6. September 1989 - 2 StR 353/89, BGHR StGB § 52 Abs. 1 Klammerwirkung 6) - die Annahme einer Klammerwirkung des § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB bezüglich mehrerer als Mitglied begangener sonstiger Straftaten aufgebaut (BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 291 f.; Beschluss vom 11. August 2004 - 3 StR 202/04, NStZ 2005, 46, 47). Diese galt - wie bereits dargelegt - wegen ihrer ungerechten materiellen Konsequenzen (vgl. LK/Rissing-van Saan aaO, § 52 Rn. 30: „die Verbindung würde der Täterschuld in solchen Fällen nicht gerecht und hätte das widersinnige Ergebnis […]") allerdings auch bei § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB nicht uneingeschränkt, sondern nur, wenn zumindest eines der für die Verklammerung in Betracht kommenden Delikte nicht schwerer wog als die durch dieses gleichzeitig verwirklichte mitgliedschaftliche Beteiligung im Sinne von § 129 Abs. 1 StGB.
Über diese aus den genannten Gründen der materiellen Gerechtigkeit gebotene materiellrechtliche Ausnahme vom Grundsatz der Klammerwirkung hinaus hatte die Rechtsprechung des Senats in diesen Fallkonstellationen in strafprozessualer Hinsicht weitere Konsequenzen: Durch eine Verurteilung wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB trat kein Strafklageverbrauch hinsichtlich eines mit dieser idealkonkurrierenden schwereren Delikts ein, wenn letzteres nicht von der früheren Anklage - auch nicht als mitgliedschaftlicher Beteiligungsakt - erfasst war (BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 292 ff.). Damit wich der Senat von dem - im Übrigen allgemein anerkannten - Grundsatz ab, dass materiellrechtliche Idealkonkurrenz in aller Regel zur Annahme einer einheitlichen Tat im prozessualen Sinn des § 264 StPO führt (vgl. LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 59 mwN). Zudem konnte der Täter in einem neuen Prozess nur noch wegen des schwereren Delikts schuldig gesprochen werden. Die Verurteilung wegen der gleichzeitig verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung im Sinne von § 129 Abs. 1 StGB hatte hingegen wegen Strafklageverbrauchs auszuscheiden.
bb) Anders als die genannten Judikate des Senats zu Konkurrenzen zwischen Organisationsdelikten und damit zusammentreffenden sonstigen Straftaten geht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Konkurrenzverhältnis zwischen dem Besitz und dem Führen einer Schusswaffe (§§ 51, 52 WaffG) und einer unter Nutzung der Waffe begangenen anderen Straftat trotz des Charakters dieser Verstöße gegen das Waffenrecht als Dauerdelikte von Tatmehrheit aus, wenn die andere Straftat auf einem neuen, bei Inbesitznahme der Waffe noch nicht vorliegenden Willensentschluss beruht (BGH, Urteile vom 16. März 1989 - 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 153; vom 15. April 1998 - 2 StR 670/97, NStZ-RR 1999, 8; Beschluss vom 18. Februar 1999 - 5 StR 45/99, NStZ 1999, 347; vgl. auch Beschluss vom 30. Juni 1982 - 3 StR 44/82). Dabei soll es nicht darauf ankommen, ob die mittels der Waffe begangene weitere Straftat schwerer wiegt als das Waffendelikt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 1996 - 5 StR 9/96, BGHR WaffG § 53 Abs. 1 Konkurrenzen 3; noch offengelassen in BGH, Urteil vom 16. März 1989 - 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 153). Nach dieser Rechtsprechung kommt dem neuen Tatentschluss Zäsurwirkung zu. Die Trennbarkeit folge daraus, dass die Strafbarkeit des Waffendelikts allein auf der generell gegebenen Gefährlichkeit des Waffenbesitzes beruhe, aber in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Straftatbegehung unter Gebrauch der Waffe stehe. Das in dem neuen Tatentschluss liegende, wesentlich intensivere kriminelle Verhalten könne deshalb nur als sachlich-rechtlich selbständige Handlung rechtlich ausreichend erfasst werden. Nach Beendigung der anderen Straftat soll in der weiteren Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die Waffe eine weitere materiellrechtliche Handlung liegen (BGH, Urteil vom 16. März 1989 - 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 154). Auf eine entsprechende Anwendung der in der Rechtsprechung des Senats angestellten Erwägungen zur Frage des Strafklageverbrauchs bei bereits abgeurteiltem Organisationsdelikt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288, 292 ff.) müsse daher nicht zurückgegriffen werden (BGH, Urteil vom 16. März 1989 - 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 152 in Abgrenzung zu OLG Hamm, Beschluss vom 9. September 1985 - 1 Ws 83/85, JR 1986, 203).
d) An diese Überlegungen knüpft der Senat für den Bereich der Organisationsdelikte an, bestimmt das maßgebliche Kriterium für die Beurteilung, inwiefern von einer tatbestandlichen Handlungseinheit auszugehen ist, jedoch objektiv.
Die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat zwischen den Dauerdelikten des Waffenbesitzes bzw. -führens und den Organisationsdelikten der § 129 Abs. 1 Var. 2, § 129a Abs. 1 Var. 2 StGB einen wesentlichen Unterschied darin gesehen, dass bei letzteren ein neuer Willensentschluss, der eine Zäsur des „Dauerdelikts“ begründen könne, nicht vorliege, weil das Wirken als Mitglied bereits die Bereitschaft voraussetze, im Sinne der Zielsetzung der Vereinigung kriminell tätig zu werden (BGH, Urteil vom 16. März 1989 - 4 StR 60/89, BGHSt 36, 151, 153). Dem kann sich der Senat nicht anschließen. Zur Übertragbarkeit des für die genannten Waffendelikte gefundenen Ergebnisses drängt vielmehr schon ein Erst-Recht-Schluss: Gerade wenn innerhalb eines Dauerdelikts, das - wie ausgeführt - lediglich in der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes besteht, eine Aufspaltung der tatbestandlichen Handlungseinheit in mehrere materiellrechtliche Taten möglich ist, muss dies umso mehr für Organisationsdelikte gelten, bei denen es an einem durchgehenden deliktischen Zustand fehlt, vielmehr mehrere aktive Einzelhandlungen lediglich rechtlich zusammengefasst werden.
Nach Auffassung des Senats vermag allerdings der neue Willensentschluss des Täters als rein subjektives Element keine hinreichende Begründung dafür zu geben, warum die Handlung im natürlichen Sinne, innerhalb derer etwa der Waffenbesitz und die Straftatbegehung unter Gebrauch der Waffe zusammenfallen, nicht in die übrige Handlungseinheit einzugliedern sei. Es erweist sich bereits als bloße Fiktion, in dem späteren Entschluss zur Begehung einer Straftat unter Verwendung der Waffe einen neuen Entschluss in Bezug auf deren Besitz zu sehen (so auch Mitsch, JR 1990, 162, 163). Jedenfalls kann der Erklärungsansatz nicht erhellen, worin nach Beendigung der Straftat abermals ein neuer Entschluss zum reinen Besitz der Waffe liegen soll (ebenso Peters, JR 1993, 265, 269).
Ausgangspunkt für die Bestimmung der Reichweite der tatbestandlichen Handlungseinheit ist vielmehr der Umstand, dass es sich bei dieser Rechtsfigur um eine Konstruktion handelt, die maßgeblich auf rechtlichen Bewertungen beruht. Die für sich betrachtet unnatürliche Zusammenfassung einzelner Handlungen zu einer Gesetzesverletzung bedarf einer materiellen Rechtfertigung. Fehlt eine solche hinsichtlich einer Handlung im natürlichen Sinne, wird diese nicht Teil der Einheit. Es geht also nicht um Zäsuren, die mehrere Handlungseinheiten begründen, sondern darum, dass unter bestimmten Voraussetzungen Einzelakte tatmehrheitlich neben die eine verbleibende tatbestandliche Handlungseinheit treten.
aa) Diese Rechtfertigung liegt jedenfalls hinsichtlich der Organisationsdelikte nicht in der Fassung der Tatbestände selbst (so aber Cording aaO, S. 72 f. i.V.m. 87; ähnlich Krauth aaO, 225). Wie ausgeführt belegt die Ausgestaltung von § 129 Abs. 1 Var. 2, § 129a Abs. 1 Var. 2 StGB lediglich, dass eine Zusammenfassung überhaupt erforderlich ist; über deren Umfang ist der Regelung selbst nichts zu entnehmen. Aufgrund dieser Offenheit der Gesetzesfassung geht auch der Einwand fehl, für die Möglichkeit der Aufspaltung einer Einheit in selbständige Abschnitte fehle es an Anhaltspunkten im Gesetz (so Erb, GA 1994, 265, 271). Aus der nicht näher erläuterten Bemerkung im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 30. August 1975, wonach zur „Tat“ des § 129a StGB sämtliche Beteiligungsakte der Mitglieder der terroristischen Vereinigung gehörten (BT-Drucks. 7/4005, S. 9), folgt nichts anderes. Mit ihr nahm der Gesetzgeber ersichtlich lediglich auf das damals schon bekannte Verständnis der bisherigen Rechtsprechung Bezug (vgl. auch Werle, Die Konkurrenz bei Dauerdelikt, Fortsetzungstat und zeitlich gestreckter Gesetzesverletzung, 1981, S. 168 f.).
bb) Die materielle Rechtfertigung für eine Zusammenfassung kann mithin nur in der Gleichwertigkeit verschiedener Handlungen liegen, die anhand ihres jeweiligen Unrechts- und Schuldgehalts zu bestimmen ist. Geht es aber um eine derartige Bewertung einer Handlung, die den Tatbestand des Organisationsdelikts erfüllt, versteht es sich von selbst, dass auch in den Blick genommen werden muss, ob diese daneben weitere Straftatbestände verwirklicht und so einen gesteigerten Unrechtsgehalt aufweist (ebenso Werle aaO, 171 ff.; Puppe, JR 1986, 205, 207; ähnlich, allerdings bei anderem Ausgangspunkt, Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, 1979, S. 213 ff.). Danach gilt:
Der Unrechts- und Schuldgehalt aller Tätigkeiten, die allgemein dem Zusammenhalt und der „Arbeit“ der Organisation dienen, ohne für sich betrachtet strafbar zu sein, liegt in der bloßen Steigerung der genannten Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und - mittelbar - noch unbestimmte (Individual-)Rechtsgüter. Sie sind einer weiteren Aufspaltung nicht zugänglich (Puppe aaO, S. 215) und deshalb zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zu verknüpfen.
Demgegenüber ist die Begehung einer Straftat, die gerade den Zweck der Vereinigung bildet, stets von entscheidender Relevanz für den Unrechts- und Schuldgehalt dieser Handlung. Denn die Verletzung eines Individualrechtsguts kann gegenüber dessen bloßer Gefährdung, der § 129 Abs. 1 StGB (auch) entgegenwirken will (vgl. MüKo-StGB/Schäfer aaO, Rn. 1, 4), nicht untergeordnet sein (ebenso Werle aaO, S. 187). Deshalb unterfällt die diesbezügliche Tätigkeit nicht der tatbestandlichen Handlungseinheit, sondern tritt - idealkonkurrierend mit der eigenständigen, isolierten Erfüllung des § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB - in Tatmehrheit zu dieser.
Nichts anderes gilt - unabhängig von der Schwere des Unrechtsgehalts - auch für jede sonstige, lediglich den organisatorischen Zusammenhalt oder die Schlagkraft der Organisation fördernde Handlung durch ein Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung, sofern dadurch ein gesonderter Straftatbestand verwirklicht wird; auch sie wird nicht Teil der übrigen Handlungseinheit (aA Werle aaO, 174 ff.). Dafür spricht zudem, dass auf diesem Wege Probleme bei der Schwerebestimmung vermieden werden, wie sie bereits heute im Zusammenhang mit der Entklammerung auftreten (vgl. hierzu die Kritik bei Peters aaO, 267 f. gegenüber BGH, Urteil vom 18. Juli 1984 - 2 StR 322/84, BGHSt 33, 4, 6 f.).
cc) Da dieser Lösungsansatz bereits am Handlungsbegriff selbst ansetzt, an den die Bestimmung der Konkurrenzen erst anknüpft, kann ihm nicht entgegengehalten werden, dass er zu einer Vervielfachung der Strafbarkeit führe (so aber Erb aaO). Die vorliegende Konstellation macht ferner deutlich, dass es nicht zutrifft, dass das materielle Konkurrenzverhältnis nur mit Blick auf das gewünschte prozessuale Ergebnis - kein Strafklageverbrauch - gelöst wird (so aber der Vorwurf von Cording aaO, S. 70). Dass durch den vom Senat gewählten Lösungsweg wieder ein Gleichlauf von materieller und prozessualer Tat möglich wird (vgl. auch IV.), was insbesondere Probleme im Bereich der Strafzumessung zu vermeiden hilft, die durch die vorherige Aburteilung von in Idealkonkurrenz stehenden Teilen einer Tat im Sinne des § 264 StPO entstehen können (vgl. Werle, NJW 1980, 2671, 2673; zu diesbezüglichen Lösungsansätzen OLG Hamm, Beschluss vom 9. September 1985 - 1 Ws 83/85, NStZ 1986, 278, 279; Erb aaO, 275 ff.), mag das Ergebnis bestätigen, vermag es aber nicht zu begründen.
e) Nach alledem wären sämtliche Angeklagten wegen Mitgliedschaft bzw. - der Angeklagte R. - Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung in jeweiliger Tatmehrheit zu den begangenen Einzeltaten zu verurteilen gewesen. Soweit es sich bei den Einzeltaten um Taten der Vereinigung handelte, wären diese ihrerseits in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung auszuurteilen gewesen. Dementsprechend ist keiner der Angeklagten durch den gegen ihn ergangenen Schuldspruch beschwert.
Dies gilt auch bezüglich der Angeklagten D. und S. Zwar belegen die Urteilsgründe nicht, weshalb es sich bei deren Taten vom 31. Dezember 2011 (Fall B.VII. 11. der Urteilsgründe) und vom 17. März 2012 (Fall B.VII. 15. der Urteilsgründe) um Taten der Vereinigung gehandelt haben soll.
Letztere richtete sich zwar gegen vermeintlich der linken Szene zuzurechnende Personen. Jedoch ereignete sich die Tat, an der aus Reihen der Angeklagten nur der Angeklagte D. beteiligt war, um den E. Hauptbahnhof. Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, wie diese Tat mit dem Ziel der Vereinigung, die Gegend um Ra. von Andersdenkenden zu befreien, im Zusammenhang stehen könnte. Gleiches gilt für die vom Angeklagten S. am 31. Dezember 2011 begangene Körperverletzung, die sich während einer Zugfahrt von W. Richtung Dü. ereignete. Darüber hinaus ist hinsichtlich des Geschädigten nicht festgestellt, dass er zu einer der Gruppen gehörte, gegen die der „Freundeskreis“ als Gruppe agierte.
Damit müsste zwar grundsätzlich der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung (D.) bzw. Körperverletzung (S.) isoliert stehen; da jedoch nach der aufgezeigten Lösung in Tatmehrheit hierzu eine weitere Verurteilung nach § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB hätte ausgesprochen werden müssen, kann die tateinheitliche Aburteilung - jedenfalls vor dem Hintergrund der zu bildenden Einheitsjugendstrafe - die Angeklagten nicht beschweren.
IV. Der Verurteilung des Angeklagten S. steht auch nicht das Verfahrenshindernis des (teilweisen) Strafklageverbrauchs (Art. 103 Abs. 3 GG) entgegen.
Zwar war dieser Angeklagte wegen seiner Beteiligung an der Tat vom 20. April 2011, bei der - neben anderen - er und der Angeklagte D. Personen, die augenscheinlich der linken Szene zuzurechnen waren, mit Steinen bewarfen und die das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten D. als mitgliedschaftlichen Beteiligungsakt gewertet hat, bereits durch das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 28. Februar 2012, rechtskräftig seit 7. März 2012, wegen gefährlicher Körperverletzung zu Jugendarrest in Form von zwei Freizeitarresten verurteilt worden. Damit wäre - nach den Grundsätzen der bisherigen Senatsrechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, BGHSt 29, 288) - jedenfalls hinsichtlich der hierzu in Tateinheit stehenden Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in dem Umfang, in dem diese weitere Delikte zu verklammern in der Lage gewesen wäre, Strafklageverbrauch eingetreten.
Nach der neuen Bestimmung des Umfangs der tatbestandlichen Handlungseinheit bei Organisationsdelikten stehen die Tat vom 20. April 2011 und die Einheit aller sonstigen mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte aber im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander. Da es sich insoweit nach natürlicher Auffassung nicht um einheitliche Lebensvorgänge handelt, beansprucht der Grundsatz Gültigkeit, wonach sachlich-rechtlich selbständige Taten auch prozessual selbständig sind (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 264 Rn. 2, 6 mwN).
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 110
Externe Fundstellen: BGHSt 60, 308 ; NJW 2016, 657; NStZ 2016, 464; StV 2016, 499
Bearbeiter: Christian Becker