HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 923
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 210/14, Urteil v. 10.07.2014, HRRS 2014 Nr. 923
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 7. November 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die Revision des Angeklagten gegen das vorbenannte Urteil wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer ebenfalls auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision in erster Linie, dass die Strafkammer hinsichtlich der Inbrandsetzung des Gebäudes nicht wenigstens bedingten Vorsatz des Angeklagten angenommen hat. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, die Revision des Angeklagten erweist sich hingegen als unbegründet.
I. Nach den Feststellungen des Landgerichts bezogen der Angeklagte, seine Ehefrau und sein Sohn im August 2011 ein im April des Jahres angemietetes und in den Folgemonaten mit Hilfe des Schwiegervaters des Angeklagten renoviertes Einfamilienhaus in O. Der Angeklagte, der ein Haus mit großem Grundstück und gegebenenfalls Nebengebäuden zum Unterstellen von Firmenfahrzeugen bevorzugt hätte, stimmte der Anmietung seiner Ehefrau zuliebe zu. Als im Dezember 2011 die Heizung in dem Haus ausfiel, zog die Familie vorübergehend zu den Schwiegereltern des Angeklagten. Der Angeklagte erhielt keinen Schlüssel für die dortige Wohnung und hatte zudem zwischenzeitlich seinen Schlüssel für das Haus in O. verlegt, so dass er häufig darauf angewiesen war, dass seine Frau ihm Einlass gewährte.
Am Abend des 9. Februar 2012 begab sich der Angeklagte, der seinen Schlüssel wiedergefunden hatte, allein in das Haus in O., weil er dort Verdünner gelagert hatte, mit dem er eine Teerverschmutzung an seinem Firmenfahrzeug entfernen wollte. Dort angekommen, musste er feststellen, dass seine Ehefrau sämtliche Innentüren des Hauses abgeschlossen und die Schlüssel mitgenommen hatte. Darüber geriet der Angeklagte in Wut, weil er sich kontrolliert fühlte. Dergestalt verärgert brach er die Innentüren auf. Als er sah, was er angerichtet hatte, kam ihm die Idee, einen Einbruch vorzutäuschen, weil er nicht wusste, wie er die zerstörten Türen seiner Ehefrau erklären sollte. Zu diesem Zweck nahm er zwei Flachbildschirmfernseher und andere Elektrogeräte, lud sie in sein Fahrzeug und entsorgte sie später auf einer Müllkippe.
In einem Nebenraum zum Heizungskeller fand er den von ihm gesuchten Verdünner; immer noch sehr aufgebracht ging er damit in das neben dem Heizungsraum gelegene Schlafzimmer, wo er noch etwas holen wollte. Er setzte sich indes zunächst auf das Bett und dachte an seine unglückliche Situation; in dieser Lage nahm er den Kanister mit Verdünner, verschüttete die Flüssigkeit neben dem Bett auf dem Fußboden und zündete sie mit einem Feuerzeug an. Es kam zu einer ca. einen Meter hohen Stichflamme, die den Angeklagten sehr erschreckte. Er erkannte, dass der Brand sich weiter ausbreiten konnte; er wollte jedoch nicht, dass das Haus abbrannte, in dem sich seine Firmenunterlagen und der gesamte Hausrat befanden. Er nahm deshalb eine Decke und versuchte damit, die Flamme zu ersticken. Als er meinte, dies erreicht zu haben, verließ er das Haus und fuhr zu seiner Familie in die Wohnung im Haus der Schwiegereltern, wo er gegen 22:30 Uhr eintraf.
Tatsächlich waren seine Löschungsbemühungen jedoch nicht erfolgreich; zunächst geriet das Bett und später das gesamte Schlafzimmer in Brand. Das Fenster zerbarst, der Putz sprang ab, die Möbel und die Schlafzimmertür verbrannten. Eine Nachbarin bemerkte die aus dem Fenster schlagenden Flammen um 23:50 Uhr und verständigte die Feuerwehr, die fünf Minuten später eintraf. Zu diesem Zeitpunkt war das Schlafzimmer vollständig in Brand gesetzt, die Flammen schlugen aus dem geborstenen Fenster und die Terrassentür des Hauses war ebenfalls durch die Hitzeeinwirkung von innen gebrochen. Das gesamte Haus war innen vollständig verrußt und unbewohnbar; die Renovierungskosten beliefen sich auf circa 100.000 €.
II. Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
Das Rechtsmittel hat Erfolg, weil sich die Sachdarstellung des Landgerichts als unzureichend erweist. Sie ist lücken- und damit rechtsfehlerhaft, denn sie ermöglicht dem Senat - auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe - nicht die Prüfung, ob das Landgericht ein vorsätzliches Inbrandsetzen des Hauses durch den Angeklagten ohne Rechtsfehler verneint hat (vgl. LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 106 ff. mwN).
Die Urteilsgründe verhalten sich nicht zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten von dem möglichen Brandverlauf, das er in dem Zeitpunkt hatte, in dem er den Verdünner auf den Boden des Schlafzimmers goss und mit einem Feuerzeug anzündete. Der Einlassung des Angeklagten folgend hat die Strafkammer lediglich für die Zeit unmittelbar danach festgestellt, dass der Angeklagte über die Stichflamme erschrocken war, ihm nunmehr klar wurde, dass der Brand sich ausbreiten könnte, er nicht wollte, dass das Haus abbrannte und er deshalb versuchte, die Flammen mit einer Decke zu ersticken.
Dies genügt nicht. In Brand gesetzt ist ein Gebäude, wenn es so vom Feuer erfasst ist, dass es selbständig ohne Fortwirken des Zündstoffs weiterbrennt, wobei es erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich der Brand auf Teile des Gebäudes ausbreiten kann, die für dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung sind (st. Rspr.; s. zuletzt BGH, Urteil vom 14. November 2013 - 3 StR 336/13, NStZ 2014, 404 mwN). Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes können insbesondere auch die Fußböden zählen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 25. September 1990 - 1 StR 483/90, BGHR StPO § 261 Zeuge 8 [Holzfußböden]; vom 14. Oktober 1993 - 1 StR 532/93, BGHR StGB § 306 Nr. 2 Inbrandsetzen 7 [fest verklebter Teppichboden]). Maßgeblich dafür, ob der Angeklagte durch das vorsätzliche (s. UA S. 18: "bewusst und gewollt") Anzünden des Verdünners gemäß § 22 StGB zu einer schweren (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder - sollte die Bestimmung des Hauses zu Wohnzwecken durch den zeitweiligen Auszug des Angeklagten und seiner Familie aufgehoben gewesen sein (s. S/SHeine/Bosch, StGB, 29. Aufl., § 306a Rn. 5 mwN) - einfachen Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB) unmittelbar ansetzte, ist daher, ob er in diesem Moment zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass sich die Flammen auf wesentliche Gebäudeteile im dargestellten Sinne ausbreiten und diese ohne Fortwirken des Verdünners selbständig weiterbrennen könnten.
Hiermit hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen, denn angesichts der besonderen Gefährlichkeit des Anzündens einer hoch brennbaren Flüssigkeit im Inneren eines Gebäudes lagen entsprechende Vorstellungen des Angeklagten nicht so fern, dass sich nähere Erörterungen dazu erübrigt hätten. Zwar hat die Strafkammer in der rechtlichen Würdigung ausgeführt, dass der Angeklagte den Verdünner nicht mit dem Vorsatz entzündet habe, das Haus in Brand zu setzen, weshalb die Annahme eines nicht gelungenen Rücktritts vom Versuch der Brandstiftung ausscheide. Auch dadurch wird indes die aufgezeigte Lücke nicht geschlossen, weil das Landgericht zwar seine Wertung mitteilt, der Angeklagte habe nicht mit Brandstiftungsvorsatz gehandelt, aber gleichwohl keine Feststellungen dazu getroffen hat, welche Einstellung er denn tatsächlich zu seinem Handeln hatte. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe beim Anzünden des Verdünners "nicht mit dem Vorsatz der Brandlegung an dem Haus" gehandelt, wird zudem durch die Beweiswürdigung, die sich zur subjektiven Tatseite im Zeitpunkt des Anzündens des Verdünners nicht verhält, nicht belegt.
Die Sache muss deshalb insgesamt neu verhandelt und entschieden werden.
III. Zur Revision des Angeklagten:
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die umfassende Nachprüfung des Urteils auf die von ihm in allgemeiner Form erhobene Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zu seinen Ungunsten erbracht.
HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 923
Bearbeiter: Christian Becker