HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 911
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 138/14, Beschluss v. 05.08.2014, HRRS 2014 Nr. 911
Auf die Revision des Angeklagten M. wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 7. November 2013, soweit es ihn betrifft,
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis 5 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;
im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen schuldig ist;
im Ausspruch über die in den Fällen II. 6 bis 12 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis 5 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen verurteilt worden ist, muss das Verfahren entsprechend § 206a Abs. 1 StPO wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt werden. Die festgestellten Straftaten unterliegen der Verfolgungsverjährung. Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt:
"Die für das Vergehen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG maßgebliche Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB). Ihr Lauf begann nach § 78a StGB jeweils mit dem Abschluss des Rauschgiftumsatzes, d.h. hier mit der Übergabe der Stecklinge an den Erwerber und der Entgegennahme des Veräußerungserlöses durch den Angeklagten (Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 4 Rdn. 243 ff. m.w.N.). Da auszuschließen ist, dass bei den Taten II. 1 bis 5 noch Feststellungen zu den genauen Zeitpunkten des Weiterverkaufs der Stecklinge getroffen werden können, ist in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes davon auszugehen, dass deren Weiterveräußerung unmittelbar im Anschluss an die Einfuhr in die Bundesrepublik erfolgte und mithin Ende 2007 abgeschlossen war (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 42). Der Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 16. Januar 2013 (Bd. 1 Bl. 47 ff.), der ohnehin nicht die den Strafverfolgungsbehörden erstmals mit der Vernehmung des Mitangeklagten B. bekannt gewordenen betroffenen Taten erfasste (Bd. 2 Bl. 424 ff.), vermochte die Unterbrechung der Verjährung daher nicht herbeizuführen."
Dem schließt sich der Senat an.
2. Die teilweise Einstellung des Verfahrens führt zur Änderung des Schuldspruchs.
3. Der Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafen für die in den Fällen II. 6 bis 12 der Urteilsgründe festgestellten Taten - Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen - kann keinen Bestand haben.
Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falles vor und ist - wie hier gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB - auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, so muss bei der Strafrahmenwahl zunächst geprüft werden, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorab auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe abzustellen. Vermögen bereits diese die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände noch für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist jedoch nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des vorliegenden gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. April 2010 - 3 StR 106/10, juris Rn. 2).
Dem wird das angegriffene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat nach einer Gesamtwürdigung der allgemeinen Strafzumessungsgründe das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 3 BtMG verneint und lediglich eine Milderung des Strafrahmens nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen. Damit hat es die Prüfung versäumt, ob nicht wegen Vorliegens eines vertypten Milderungsgrundes ein minder schwerer Fall des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorliegt.
Die Aufhebung der genannten Einzelstrafen von jeweils drei Jahren und der durch die Einstellung bedingte Wegfall von fünf Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Jahr zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 911
Bearbeiter: Christian Becker