HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 1059
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 299/13, Beschluss v. 01.10.2013, HRRS 2013 Nr. 1059
Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 23. Mai 2013 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
soweit er und der Angeklagten R. in den Fällen I. 2. a) und c) der Urteilsgründe verurteilt worden sind,
soweit es den Angeklagten S. betrifft, im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
soweit es den Angeklagten R. betrifft, im Ausspruch über die Jugendstrafe und im Maßregelausspruch.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Der verbleibende Schuldspruch wird dahin neu gefasst, dass die Angeklagten im Falle I. 2. b) der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Führen einer Schusswaffe schuldig sind.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Teilfreispruch beider Angeklagter im vorbezeichneten Urteil entfällt. Die Nachtragsanklage der Staatsanwaltschaft vom 6. Mai 2013 ist gegenstandslos.
Das Landgericht hat die Angeklagten schuldig gesprochen
- der (besonders) schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit (besonders) schwerem Raub, mit gefährlicher Körperverletzung und mit einem "Verstoß gegen das Waffengesetz" [Fall I. 2. a) der Urteilsgründe],
- der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit einem "Verstoß gegen das Waffengesetz" [Fall I. 2. b) der Urteilsgründe] sowie
- der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit einem "Verstoß gegen das Waffengesetz" [Fall I. 2. c) der Urteilsgründe].
Den Angeklagten S. hat es deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt; gegen den Angeklagten R. hat es unter Einbeziehung einer Vorverurteilung eine Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten ausgesprochen und dessen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. "Im Übrigen" hat das Landgericht beide Angeklagte freigesprochen.
Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten S. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Soweit die Revision Erfolg hat, ist die Entscheidung nach § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten R. zu erstrecken. Weiter führt das Rechtsmittel zur Klarstellung des verbleibenden Schuldspruchs sowie zum Wegfall des Teilfreispruchs.
1. Die Verurteilung der Angeklagten in den Fällen I. 2. a) und c) der Urteilsgründe hat keinen Bestand; dies führt zur Aufhebung des Urteils auch in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe (Angeklagter S.), die Jugendstrafe, sowie - im Hinblick auf § 5 Abs. 3 JGG - die Maßregelanordnung (Angeklagter R.).
a) Im Falle I. 2. a) begegnet zunächst die zwar nicht in der Formel zum Ausdruck gebrachte, sich aber aus den Gründen ergebende rechtliche Bewertung des Tatgeschehens als besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit besonders schwerem Raub (§§ 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa) Die Angeklagten bestiegen ein von ihnen angefordertes Taxi, um absprachegemäß den Fahrer zu überfallen. Der Angeklagte S. nahm auf dem Beifahrersitz Platz, der Angeklagte R. begab sich auf die Rückbank. Unmittelbar darauf hielt jeder der Angeklagten dem Fahrer eine Gaspistole an den Kopf. Unter der Drohung, ihm ansonsten eine Kugel in den Kopf zu schießen, forderte der Angeklagte S. von ihm die Herausgabe von Portemonnaie und Handy. Der Geschädigte übergab dem Angeklagten S. die Taxi-Geldbörse mit 250 Euro Inhalt, die dieser ebenso an sich nahm wie einen im Fahrzeug vorgefundenen Kleinrechner. Auf die Aufforderung des Angeklagten S. "gib ihm eine" versetzte der Angeklagte R. dem Geschädigten beim anschließenden Aussteigen noch einen Schlag mit der Waffe auf den Kopf, wodurch dieser eine Schädelprellung erlitt.
bb) Davon, dass die Schreckschusswaffen geladen waren, hat sich das Landgericht - ungeachtet des im Falle I. 2. c) der Urteilsgründe festgestellten Waffengebrauchs durch beide Angeklagte - nicht überzeugen können. Es wertet vielmehr den Schlag des Angeklagten R. mit der Waffe als Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Dies hält rechtlicher Überprüfung indes nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
"Der Einsatz des gefährlichen Werkzeugs erfolgte aus Sicht der Jugendkammer nach Vollendung, aber vor Beendigung der Tat. Zwar kann die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB auch noch in diesem Tatstadium verwirklicht werden (BGHSt 52, 376 ff.; 53, 234 ff.). Dabei muss aber das gefährliche Tatmittel zur weiteren Verwirklichung der Zueignungsabsicht - oder im Falle der §§ 253, 255, 250 Abs. 2 StGB der Bereicherungsabsicht - verwendet werden; der Einsatz des gefährlichen Werkzeugs muss mit Blick auf die erhöhte Strafandrohung des § 250 Abs. 2 StGB im Vergleich zu § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a), b) StGB daher zumindest als Mittel zur Sicherung des Besitzes an dem erlangten Gut, mithin in Beutesicherungsabsicht erfolgt sein (BGHSt 52, 377; 53, 236 ff.). Ein Verwenden 'bei der Tat' nach Vollendung liegt ferner vor, wenn das gefährliche Werkzeug vor Beendigung der Tat mit dem Ziel einer weiteren Wegnahme eingesetzt wurde, diese aber nicht mehr zur Vollendung gelangte (BGH NJW 2010, 1385).
Zweifelhaft ist hier schon, ob die Tat zum Zeitpunkt des Einsatzes des gefährlichen Werkzeugs nicht bereits beendet war. ... Dies kann aber dahin stehen. Selbst wenn die Tat noch nicht vollendet war, fehlt es hier jedenfalls an einer Beutesicherungsabsicht. Eine solche ergibt sich weder aus den Feststellungen noch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Vielmehr hatten der Angeklagte und sein Mittäter die Beute an sich genommen. Anhaltspunkte dafür, dass das Opfer oder ein hinzugetretener Dritter ihnen diese wieder streitig machen wollten, sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen."
Dem schließt sich der Senat an. Von einer Bestätigung der formalen Schuldsprüche in der Urteilsformel wegen lediglich schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit schwerem Raub (§§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB) sieht der Senat indes ab, da in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen möglich erscheinen, welche die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB tragen.
b) Hinsichtlich des Angeklagten S., kommt eine solche eigene Sachentscheidung des Senats im Übrigen schon deshalb nicht in Betracht, weil die insoweit lückenhaften Feststellungen auch seine Verurteilung wegen tateinheitlich hinzutretender gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) nicht tragen.
Was die subjektive Tatseite einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anbelangt, bleibt bereits offen, ob der Angeklagte S. bei seiner Aufforderung an den Angeklagten R. damit rechnete, dieser werde gerade mit der Schreckschusswaffe und nicht etwa nur mit der bloßen Hand oder Faust zuschlagen. Sollte die Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs vom Vorsatz des Angeklagten S. nicht umfasst gewesen sein, könnte ihm zwar gleichwohl eine gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB zur Last fallen. Auch dies entzieht sich indes abschließender Beurteilung durch den Senat, denn den Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, ob der Angeklagte S. bei seiner Aufforderung, den Geschädigten körperlich anzugreifen, überhaupt als Täter und nicht lediglich als Anstifter (§ 26 StGB) handelte. Wäre der Angeklagte S. insoweit Anstifter, so unterfiele sein Handeln nur dann der Qualifikation des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, wenn er darüber hinaus noch einen fördernden Beitrag zu der Verletzungshandlung des Angeklagten R. selbst geleistet hätte (vgl. MüKo-StGB/Hardtung, 2. Aufl., § 224 Rn. 34). Auch dies ist nicht festgestellt.
c) Bei beiden Angeklagten wird schließlich im Falle I. 2. c) die Verurteilung wegen - in Tateinheit mit dem Waffendelikt begangener - gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) von den Feststellungen nicht getragen.
Die Angeklagten verfolgten den Geschädigten während einer Auseinandersetzung in ein Treppenhaus. Dort zog der Angeklagte S. eine Schreckschusswaffe hervor und feuerte damit in stillschweigender Übereinkunft mit dem Angeklagten R. aus etwa drei Metern Entfernung dreimal in Richtung des Geschädigten. Die Knallgeräusche verursachten beim Geschädigten ein unangenehmes Pfeifen im Ohr, das über mehrere Stunden anhielt. Kurz danach feuerten beide von der Straße aus mit Schreckschusswaffen in Richtung des im Obergeschoss auf dem Balkon stehenden Geschädigten.
Danach ist zwar die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten durch ihr Handeln den objektiven Tatbestand der gemeinschaftlich und jedenfalls mittels eines gefährlichen Werkzeugs begangenen Körperverletzung erfüllt, von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Zur subjektiven Tatseite verhält sich das Urteil indes nicht. Dass die Angeklagten zumindest damit rechneten und sich damit abfanden, die Schüsse würden beim Geschädigten zu Beeinträchtigungen des Gehörs führen, versteht sich nach den Gesamtumständen auch nicht von selbst. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, insgesamt neue Feststellungen zu treffen.
2. Soweit die Angeklagten im verbleibenden Falle I. 2. b) der Urteilsgründe auch wegen eines "Verstoßes gegen das Waffengesetz" verurteilt worden sind, machen die Urteilsgründe noch hinreichend deutlich, dass sie bei der Tat jeweils eine Schusswaffe (Schreckschusswaffe) führten, ohne dass die Voraussetzungen eines erlaubnisfreien Umgangs damit vorlagen (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 und Unterabschnitt 2). Zur gebotenen genauen Bezeichnung des verwirklichten Straftatbestandes auch in der Entscheidungsformel stellt der Senat den Schuldspruch insoweit klar.
3. Der Teilfreispruch hat zu entfallen. Er entbehrt der Sachurteilsvoraussetzung, denn weitere Taten im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO über die abgeurteilten Fälle I. 2. a) bis c) der Urteilsgründe hinaus waren zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Verfahrens. Das Landgericht hat den Freispruch damit begründet, dass die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf das unter I. 2. a) abgeurteilte Geschehen den 28. November 2012 als Tatzeit genannt hatte, obwohl es sich schon am 28. Oktober 2012 zugetragen hatte. Allein der offenkundige Schreibfehler in der Anklageschrift - die Angeklagten wurden in dieser Sache bereits am 24. November 2012 in Untersuchungshaft genommen - ändert indes nichts an der Identität der so angeklagten und der vom Landgericht unter I. 2. a) der Urteilsgründe abgeurteilten Tat.
Danach bezieht sich auch die insoweit in der Hauptverhandlung - nun unter Angabe der Tatzeit 28. Oktober 2012 - erhobene Nachtragsanklage der Staatsanwaltschaft auf eine bereits angeklagte Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO. Der Senat stellt deshalb deren Gegenstandslosigkeit fest (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 266 Rn. 19).
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 1059
Externe Fundstellen: StV 2014, 282
Bearbeiter: Christian Becker