HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 110
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 400/12, Beschluss v. 13.11.2012, HRRS 2013 Nr. 110
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 4. Mai 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
soweit der Angeklagte im Fall II.3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
im gesamten verbleibenden Strafausspruch sowie
im Ausspruch über den Vorwegvollzug der Strafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung (Tat II.2 der Urteilsgründe) sowie wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Tat II.3 der Urteilsgründe) zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass die Strafe vor der Unterbringung zu vollziehen ist, bis "unter Anrechnung der Untersuchungshaft" elf Monate verbüßt sind. Dagegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Im Fall II.3 der Urteilsgründe hält die Verurteilung des Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen des Landgerichts verschafften sich der Angeklagte und der gesondert Verfolgte S. Zutritt zur Wohnung des Zeugen H., da sie erfahren hatten, dass sich dort auch der Geschädigte P. aufhielt. Diesen hatten sie in der Vergangenheit zunehmend dazu angehalten, für sie Besorgungen zu erledigen, was sich zuletzt bis zu täglichen Einkäufen gesteigert hatte. P. wollte den Kontakt zu ihnen abbrechen und hatte deshalb auf Anrufe nicht reagiert. Als er die Wohnung betrat und den Angeklagten sowie den gesondert Verfolgten S. sah, geriet er sofort in Angst, legte sich auf das Bett und zog die Beine an, um sich vor von ihm erwarteten Schlägen zu schützen. Der Angeklagte versetzte ihm mit einem Staubsaugerrohr aus Edelstahl drei bis vier gezielte Schläge auf Unterschenkel und Schienbeine. Anschließend schlug er ihm zwei bis drei Mal ins Gesicht und fragte, warum er nicht ans Telefon gehe; der Geschädigte erwiderte, er wolle keinen Kontakt zum Angeklagten. Nunmehr meinte der Angeklagte, der Geschädigte müsse deswegen eine Strafe zahlen, und forderte ihn zur Zahlung von 300 € auf. Der Geschädigte sagte die Zahlung aus Angst vor dem Angeklagten und dem gesondert Verfolgten S. zu. Dieser stand - wie zuvor bei den Schlägen durch den Angeklagten - mit angezogenen Lederhandschuhen daneben. Der Geschädigte erklärte aber, er könne einen solchen Betrag nur ratenweise zahlen. Daraufhin verlangte der gesondert Verfolgte S., er solle einen Schuldschein ausstellen und seinen Computer als Pfand überlassen. Im Verlauf dieses Gesprächs verdoppelte sich der geforderte Betrag auf 600 €. Der Geschädigte erstellte den ihm diktierten Schuldschein; anschließend trugen er, der gesondert Verfolgte S. und der Angeklagte den Computer in das Fahrzeug des S., fuhren zu dessen Wohnung und luden dort den Computer aus.
Diese Feststellungen ergeben das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer schweren räuberischen Erpressung nicht; denn sie belegen nicht die erforderliche finale Verknüpfung zwischen dem Nötigungsmittel und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 253 Rn. 9, 18a). Die Strafkammer hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte bereits im Zeitpunkt der Schläge mit dem Staubsaugerrohr vorhatte, den Geschädigten zur Herausgabe von Vermögenswerten zu bewegen. Die Schilderungen zur Vorgeschichte lassen vielmehr auch den Schluss zu, dass es ihm um eine Bestrafung des P. ging, weil sich dieser dem Zugriff des Angeklagten und des gesondert Verfolgten S. entziehen wollte.
Für den Zeitpunkt der erst nach Abschluss der Gewalthandlungen geäußerten Forderungen an den Geschädigten auf Vornahme vermögensschädigender Handlungen ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte für den Fall deren Nichterfüllung zumindest konkludent mit weiterer Gewalt drohte. Zwar hatte der Geschädigte weiterhin Angst vor dem Angeklagten und dem gesondert Verfolgten S., das bloße Ausnutzen einer vorangegangenen Nötigung reicht indes nicht aus, wenn nicht die Nötigungslage bei Hinzutreten der Bereicherungsabsicht wenigstens aktualisiert aufrechterhalten wird (Fischer, aaO, § 253 Rn. 18a).
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen schwerer räuberischer Erpressung bedingt auch die Aufhebung der Verurteilung wegen der von dem Rechtsfehler nicht betroffenen tateinheitlichen gefährlichen Köperverletzung. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass die rechtsfehlerfreie Annahme, bei dem Staubsaugerrohr handele es sich um ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB konsequenter Weise auch zur Annahme einer besonders schweren räuberischen Erpressung nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB führen müsste. Gründe, das einheitlich definierte Tatbestandsmerkmal bei den beiden Vorschriften unterschiedlich auszulegen, sind nicht ersichtlich.
2. Im verbleibenden Fall II.2 der Urteilsgründe hat der Strafausspruch keinen Bestand. Das Landgericht hat bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten u.a. berücksichtigt, dass die Körperverletzung "gemeinschaftlich mit Anderen begangen wurde". Dies ist aber bereits Merkmal des gesetzlichen Tatbestands des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, den die Strafkammer zu Recht als erfüllt angesehen hat. Damit liegt ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB vor. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne diesen Rechtsfehler auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte.
3. Wegen der Aufhebung des Strafausspruchs kann auch der Ausspruch über den Vorwegvollzug der Strafe vor der - rechtsfehlerfrei angeordneten - Maßregel keinen Bestand haben. Zur Fassung der Entscheidungsformel insoweit weist der Senat darauf hin, dass der Hinweis auf die Anrechnung der Untersuchungshaft überflüssig ist.
HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 110
Bearbeiter: Christian Becker