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HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 945

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 320/12, Beschluss v. 02.10.2012, HRRS 2012 Nr. 945


BGH 3 StR 320/12 - Beschluss vom 2. Oktober 2012 (LG Mönchengladbach)

Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln; Verfall; (erlangtes Etwas; kein Verfall bei Zahlungen für illegale Tätigkeiten, die mit zivilrechtlich unwirksamen Ansprüchen verrechnet werden).

§ 73 Abs. 1 S. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Der Begriff des "etwas" i.S.d. § 73 Abs. 1 S. 1 StGB umfasst die Gesamtheit der materiellen Vermögenszuflüsse (sog. Bruttoprinzip), die der Tatbeteiligte unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes erzielt. Wird dem Angeklagten für ein gesetzeswidriges Verhalten (hier: eine Drogenkurierfahrt) ein Lohn in Aussicht gestellt, wobei ein Teil anschließend mit vermeintlichen "Schulden" aus vorangegangenen gesetzeswidrigen Geschäften (hier: Betäubungsmittelgeschäften) "verrechnet" wird, unterliegt der aufgrund dieser "Verrechnung" nicht zur Auszahlung gelangte Teil nicht dem Verfall. Insoweit fehlt es an einer zivilrechtlich wirksamen (§ 134 BGB) Verbindlichkeit, von der der Angeklagte durch die "Verrechnung" hätte frei werden können und damit an einem erlangten "etwas" i.S.d. § 73 Abs. 1 S. 1 StGB (vgl. bereits BGH HRRS 2011 Nr. 129).

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 18. April 2012 im Ausspruch über den Verfall dahin geändert, dass der Verfall von Wertersatz in Höhe von 700 € angeordnet wird.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1.000 € angeordnet. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Die auf § 73 Abs. 1, § 73a Satz 1 StGB gestützte Verfallsanordnung hat in dieser Höhe keinen Bestand. Nach den Feststellungen war dem Angeklagten für den Transport von rund 2,5 kg Kokain ein Kurierlohn von 1.000 € in Aussicht gestellt worden. Tatsächlich übergab der Lieferant des Rauschmittels dem Angeklagten aber nur 700 €; 300 € wurden mit Schulden des Angeklagten aus früheren Kokaineinkäufen verrechnet. Diese 300 € hat der Angeklagte aus der abgeurteilten Tat nicht im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt, so dass der Verfall des Wertersatzes insoweit nicht zulässig war.

Die Anordnung von Verfall nach § 73 Abs. 1, § 73a Satz 1 StGB setzt voraus, dass der Täter aus der Tat etwas erlangt hat. Der Begriff des "etwas" umfasst die Gesamtheit der materiellen Vermögenszuflüsse (sog. Bruttoprinzip), die der Tatbeteiligte unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes erzielt (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 73 Rn. 7). Danach hätte das Landgericht den Verfall der mit den "Schulden" des Angeklagten beim Lieferanten verrechneten 300 € nicht anordnen dürfen. Der diese vermeintlichen Schulden begründende Vertrag war nichtig (§ 134 BGB). Da weder der Angeklagte noch der Lieferant über die entsprechende Erlaubnis verfügten, verstießen die früheren Drogenverkäufe gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG). Somit standen dem Lieferanten aus diesen Betäubungsmittelgeschäften weder ein Kaufpreisanspruch noch andere zivilrechtliche Ansprüche zu, von denen der Angeklagte durch die Aufrechnung mit dem versprochenen Kurierlohn hätte frei werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2010 - 3 StR 62/10, StraFo 2010, 348). Der Senat kann den Betrag von 300 € in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO von dem insgesamt für verfallenen erklärten Wertersatzbetrag abziehen.

Der geringe Teilerfolg des Rechtsmittels rechtfertigt eine Ermäßigung der Gebühr und die Auferlegung eines Teils der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO nicht.

HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 945

Bearbeiter: Christian Becker