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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 590

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 70/11, Beschluss v. 13.04.2011, HRRS 2011 Nr. 590


BGH 3 StR 70/11 - Beschluss vom 13. April 2011 (LG Düsseldorf)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges); besonders schwere räuberische Erpressung (Bereicherungsabsicht; Vermögensnachteil); Beihilfe.

§ 64 StGB; § 250 StGB; § 253 StGB; § 255 StGB; § 27 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16. November 2010, soweit es sie betrifft,

a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagte der Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung und des Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig ist,

b) im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; die Anordnung der Maßregel entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (Fall I. 3.1 der Urteilsgründe) sowie wegen Nötigung in Tateinheit mit Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung und zur vorsätzlichen Körperverletzung (Fall I. 3.2 der Urteilsgründe) zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision der Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Schuldspruch im Falle I. 3.2 der Urteilsgründe ist nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Nach den Feststellungen bedrohte der Mitangeklagte den Geschädigten mit einem Messer und versetzte ihm Schläge ins Gesicht, um ihn so zur Begleichung einer, wie er wusste, rechtlich nicht existenten Forderung oder Übergabe einer entsprechenden Menge Drogen zu veranlassen. Als er erkannte, dass der Geschädigte weder über Bargeld noch über Betäubungsmittel verfügte, verlangte er von ihm, sich seiner neuwertigen Turnschuhe zu entledigen, die er - neben anderen persönlichen Gegenständen des Geschädigten - als Pfand in Besitz nehmen wollte. Unter der fortbestehenden Bedrohung mit dem Messer und mit weiteren Schlägen kam der Geschädigte der Aufforderung nach. Währenddessen durchsuchte die Angeklagte, die den Mitangeklagten bei der Beitreibung der Forderung in Kenntnis ihrer Unrechtmäßigkeit unterstützen wollte, die bewegliche Habe des Geschädigten. Der Mitangeklagte übergab die Schuhe und andere Gegenstände aus dem Besitz des Geschädigten der Angeklagten, die sie absprachegemäß aus der Wohnung des Geschädigten wegtrug und bei sich verwahrte.

Dieses als einheitlich zu bewertende Geschehen stellt sich für den Mitangeklagten entgegen der Annahme des Landgerichts nicht als Nötigung in Tateinheit mit versuchter, sondern insgesamt als vollendete besonders schwere räuberische Erpressung nach §§ 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB dar; hierzu hat die Angeklagte, die den Mitangeklagten bei der Tatausführung unterstützte, Beihilfe geleistet. Denn der Täter, der die Hergabe eines Pfandgegenstands für eine nicht bestehende Forderung erzwingt, verschafft sich dadurch unmittelbar einen dem Besitzentzug stoffgleichen vermögenswerten Vorteil. Insoweit liegt der Fall anders als bei einer bestehenden oder jedenfalls vom Täter für bestehend gehaltenen Forderung (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 14. Juni 1982 - 4 StR 255/82, NJW 1982, 2265; Urteil vom 17. Dezember 1987 - 4 StR 628/87, NStZ 1988, 216; Beschluss vom 26. Februar 1998 - 4 StR 54/98, NStZ-RR 1998, 235).

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, denn die Angeklagte hätte sich bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Tat nicht anders verteidigen können.

b) Demgegenüber tragen die Feststellungen nicht den Schuldspruch wegen (tateinheitlich hinzutretender) Beihilfe zu der vom Mitangeklagten begangenen vorsätzlichen Körperverletzung.

Zwar informierte die Angeklagte den im Hauseingang lauernden Mitangeklagten vom Herannahen des Geschädigten; der Mitangeklagte setzte diesem darauf von hinten ein Messer an die Kehle, zwang ihn so die Treppe hoch in die Wohnung und verlangte von ihm dort unter Vorhalt des Messers und unter Schlägen ins Gesicht Geld oder Drogen. Nicht belegt ist aber, dass die Angeklagte bei ihrem Zuruf bereits mit Gehilfenvorsatz bezüglich des weiteren Tatgeschehens handelte. Hiergegen spricht schon die anschließende Feststellung, die Angeklagte, "die den Männern gefolgt war und alles mitbekam", habe den Mitangeklagten "durch ihre Anwesenheit und Mitwirkung bei der Beschaffung von Geld unterstützen" wollen. Inwieweit andererseits die Anwesenheit der Angeklagten in der Wohnung etwa noch fortdauernde Körperverletzungshandlungen des Mitangeklagten - im Sinne psychischer Beihilfe - gefördert hat, lässt das Landgericht offen. Dass und wodurch die Begehung der Haupttat in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde, bedarf indes grundsätzlich sorgfältiger und genauer Feststellungen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 2000 - 4 StR 229/00, NStZ-RR 2001, 40).

Der Senat schließt aus, dass in einer erneuten Hauptverhandlung solche Feststellungen noch getroffen werden können. Er ändert deshalb auch insoweit den Schuldspruch ab.

c) Die im Falle I. 3.2 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe hat gleichwohl Bestand, denn das Landgericht hätte diese bei zutreffender rechtlicher Würdigung der Tat nicht milder als geschehen bemessen.

2. Keinen Bestand hat die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB).

Sachverständig beraten stellt das Landgericht fest, dass die abgeurteilten Taten auf eine langjährige massive Abhängigkeit der Angeklagten von harten Drogen zurückzuführen seien, weshalb von ihr auch die Gefahr weiterer derartiger milieutypischer Straftaten ausgehe. Da die Angeklagte "nach wie vor" bemüht sei, ihre Drogenabhängigkeit zu überwinden, erscheine trotz einer Vielzahl erfolglos beendeter Entgiftungen und Entziehungen "der Erfolg einer weiteren stationären Therapie zur Zeit noch nicht aussichtslos".

Dies trägt nicht den Maßregelausspruch, denn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf nach § 64 Satz 2 StGB in der am 20. Juli 2007 in Kraft getretenen Fassung (Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007, BGBl. I S. 1327) nur angeordnet werden, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung zu heilen oder eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren. Mit der Erwägung, die Maßregel erscheine "nicht aussichtslos", hat das Landgericht seiner Entscheidung stattdessen den Maßstab des § 64 Abs. 2 StGB aF in dessen ursprünglichem, vom Bundesverfassungsgericht bereits mit Beschluss vom 16. März 1994 (2 BvL 3/90 u.a., BVerfGE 91, 1) als verfassungswidrig beanstandetem Verständnis zu Grunde gelegt.

Da die seit 2001 heroinabhängige Angeklagte mittlerweile 14 stationäre Entgiftungen erfolglos durchlaufen hat, schließt der Senat aus, dass ein neuer Tatrichter zu Feststellungen gelangt, welche die Annahme rechtfertigen, eine Behandlung der Angeklagten im Maßregelvollzug biete nunmehr eine hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg. Er bringt den Maßregelausspruch deshalb in Wegfall.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 590

Bearbeiter: Ulf Buermeyer