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HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 550

Bearbeiter: Ulf Buermeyer

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 34/11, Beschluss v. 03.03.2011, HRRS 2011 Nr. 550


BGH 3 StR 34/11 - Beschluss vom 3. März 2011 (LG Oldenburg)

Richterliche Vernehmung (Zeugnisverweigerungsrecht; Einführung durch Vernehmung des Richters); Konfrontationsrecht (Verletzung; Verwertungsverbot; Benachrichtigungspflicht bei richterlicher Vernehmung; Beruhen).

§ 252 StPO; § 52 StPO; Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK; § 261 StPO; § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO; § 337 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Hat ein Geschädigter in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) Gebrauch gemacht, so können seine früher vor einem Richter gemachten Angaben dann nicht durch Vernehmung des Richters zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden, wenn der Angeklagte von dem Termin zur richterlichen Vernehmung nicht gemäß § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO benachrichtigt worden ist.

2. Die Verletzung des Konfrontationsrechts führt dazu, dass die Vernehmung nicht als richterliche anzusehen ist. Es verbleibt damit auch kein Raum für eine Abwägung, ob die Umstände des Einzelfalles die Annahme eines Verwertungsverbots gebieten oder nicht.

3. Allein das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 168c Abs. 3 StPO macht die Benachrichtigung des Beschuldigten vom Termin zur richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen nicht entbehrlich, denn sie dient der Wahrung seiner Rechte auch über ein Ermöglichen des Erscheinens hinaus.

4. Der Senat lässt offen, ob etwas anderes dann gilt, wenn der Beschuldigte bereits ausgeschlossen worden ist.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 23. September 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Soweit das Landgericht seine Überzeugung, der Angeklagte habe sich vor dem Haftrichter wahrheitsgemäß eingelassen, auch mit dem Inhalt der Aussage der Geschädigten bei ihrer Vernehmung durch den Zeugen Richter am Amtsgericht S. begründet, ist das Urteil nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Die Beweiswürdigung begegnet bereits sachlichrechtlichen Bedenken. Sachverständig beraten hat das Landgericht die Geschädigte für glaubwürdig und ihre vom Zeugen wiedergegebene Aussage für glaubhaft erachtet. Gleichwohl hat es sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte mit der Geschädigten - wie von ihr geschildert - auch in den Fällen II. 2. und 3. der Urteilsgründe den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog (UA S. 17). Weshalb es den Angaben der Geschädigten in diesen Fällen nur teilweise, im Falle II. 1. dagegen insgesamt gefolgt ist, legt es nicht dar. Diesen Widerspruch aufzulösen hätte es sich indes veranlasst sehen müssen. Hat der Tatrichter Zweifel an der Glaubhaftigkeit einzelner Teile einer Zeugenaussage, so muss er dem Revisionsgericht die Überprüfung ermöglichen, ob seine Annahme, dies lasse deren Beweiswert im Übrigen unberührt und stelle deren Tauglichkeit nicht insgesamt in Frage, auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht.

2. Darüber hinaus rügt die Revision zu Recht, dass das Landgericht diese Aussage nach § 252 StPO nicht hätte verwerten dürfen. Die Geschädigte hat in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) Gebrauch gemacht. Der Behandlung ihrer Vernehmung durch Richter am Amtsgericht S. als richterliche - und damit dessen Vernehmung zum Inhalt der Aussage - steht entgegen, dass der Beschwerdeführer von dem Termin nicht gemäß § 168c Abs. 5 Satz 1 StPO benachrichtigt worden ist; Raum für eine Abwägung, ob die Umstände des Einzelfalles die Annahme eines Verwertungsverbots gebieten, verbleibt in einem solchen Falle nicht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 168c Rn. 6 mwN). Allein das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 168c Abs. 3 StPO macht die Benachrichtigung des Beschuldigten vom Termin zur richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen nicht entbehrlich, denn sie dient der Wahrung seiner Rechte auch über ein Ermöglichen des Erscheinens hinaus (LR-Erb, StPO, 26. Aufl., § 168c Rn. 37). Ob etwas anderes dann gilt, wenn der Beschuldigte bereits ausgeschlossen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. November 1982 - 2 StR 434/82, BGHSt 31, 140, 142), kann offen bleiben. Dass nicht nur die Anwesenheit des Beschwerdeführers bei der Vernehmung, sondern auch schon dessen Benachrichtigung vom Termin den Untersuchungserfolg gefährdet hätte (§ 168c Abs. 5 Satz 2 StPO), legt das Landgericht in seinem den Widerspruch gegen die Verwertung zurückweisenden Beschluss nicht dar.

3. Der Senat schließt indes aus, dass das Urteil auf diesen Rechtsfehlern beruht, denn das Landgericht stützt sich bei seiner Würdigung der Beweise in erster Linie auf das Einlassungsverhalten des Angeklagten im Ermittlungsverfahren. Der Aussage der Geschädigten misst es demgegenüber ersichtlich keine entscheidende Bedeutung bei.

Der Schriftsatz des Verteidigers vom 2. März 2011 hat dem Senat vorgelegen.

HRRS-Nummer: HRRS 2011 Nr. 550

Externe Fundstellen: StV 2011, 336

Bearbeiter: Ulf Buermeyer